Friedenssignale aus Ankara?

Der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan soll aus der Haft entlassen werden.

Von Wolfgang Mayr

Devlet Bahçeli von der nationalistischen MHP sorgte mit einer nicht erwarteten Aussage für Aufregung. Der Koalitionspartner der islamistischen AKP, der Partei des Staatspräsidenten Erdogan, plädiert für die Freilassung des seit 1999 einsitzenden PKK-Vorsitzenden Öcalan. Das Nachrichtenportal Al-Monitor berichtete  von Vorgesprächen des türkischen Staates mit Öcalan. Im Parlament kam es zu ungewöhnlichen Szenen, der Rechtsextreme Bahçeli schüttelte Abgeordneten der linken pro-kurdischen DEM die Hände.

Eine eigenartige Entwicklung, für die AKP und besonders für die MHP sind alle kurdischen Organisationen verkappte und weniger verkappte Terroristen. Kann den Islamisten und ihren verbündeten Rechtsradikalen getraut werden?

Was ist von diesen Signalen zu halten? Für den jüngsten Anschlag in Ankara auf ein Rüstungsunternehmen wurden einmal mehr ohne Beweise “kurdische Terroristen” verantwortlich gemacht, die türkische Flugwaffe bombardierte als Revanche Stellungen im kurdischen Nord-Syrien und Nord-Irak. Die NATO-Partner der Türkei hielten sich einmal mehr mit offener Kritik zurück. 

Ein ernsthafter Versuch?

Doch der Reihe nach: der MHP-Vorsitzende Bahçeli forderte Öcalan auf, seine Kapitulation zu erklären und die PKK aufzulösen. Erdogan und seine AKP unterstützen diesen Aufruf, auch die “sozialdemokratisch-kemalistische” Oppositionspartei CHP begrüßte den rechtsradikalen Vorstoß. Die CHP wirbt auf einer Tour durch Nordkurdistan für eine neue Politik zwischen türkischer Mehrheit und kurdischer Minderheit.

Die Reaktionen der DEM-Partei auf diese “Friedenssignale” waren zurückhaltend positiv. DEM bekräftigte, daß Öcalan Teil einer kurdischen Verhandlungsdelegation sein muss. Als Ort der Verhandlungen kommt für DEM nur das Parlament in Frage.

Kommt es nun tatsächlich zu Friedensgesprächen oder handelt es sich um ein politisches Ablenkungsmanöver der türkischen Regierung, fragt sich zweifelnd anf-deutsch: “Fakt ist, dass konkrete Schritte bislang ausgeblieben sind … Es könnte der Versuch der Regierung sein, durch eine Diskursverschiebung den politischen und gesellschaftlichen Druck etwas zu mildern. Selbst eine weitere Eskalation des Krieges in Kurdistan sowie eine Verschärfung der Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan durch die Türkei sind denkbar”.

Türkischer Staatsterror

Die Türkei zeigt seit hundert Jahren kein sonderliches Interesse an einem Friedensprozess. Immer wieder überzogen die “Sicherheitskräfte” und die Armee Türkisch-Kurdistan mit Terror und Gewalt. Die von der PKK initiierten Waffenstillstände ignorierte der Staat, wie beispielsweise 2015. Die kurdischen Parteien drängen auf eine friedliche und demokratische Lösung. Das kurdische Mißtrauen gegenüber dem Staat und besonders gegenüber dem regierenden Rechtsblock ist groß. 

Kein Wunder. Die türkische Armee terrorisiert das kurdische Autonomie-Gebiet in Nord-Syrien, die autonome kurdische Region im Nord-Irak – das Erbe des kurdischen Guerrilla-Führers Mustafa Barzani – wird von der Türkei wie eine Kolonie behandelt. Bei den jüngsten Wahlen konnte trotz heftiger Kritik die PDK, die traditionsreiche Partei der Barzanis, ihre Mehrheit “ausbauen”. Viele tausende Kurden ließen sich 2021 vom russischen Kriegspräsidenten Putin aus ihrer Heimat ausfliegen, Putin und sein weißrussischer Partner Lukaschenko jagten diese kurdischen Menschen an die polnische Grenze. 

Die Türkei unterstützte – wie Israel auch – den jüngsten Krieg Aserbaidschans gegen Armenien. In diesem Zusammenspiel der Aseris und der Türken kam es zu einer geplanten ethnischen Säuberung von Arzach, Bergkarabach. Ganz in der Tradition der Vernichtung der armenischen Nation durch die Türkei im Ersten Weltkrieg. Und seit 1974 hält die Türkei den ethnisch gesäuberten Nordteil Zyperns besetzt. 

Die Türkei ist nicht sonderlich vertrauenswürdig. Siehe die Kumpanei Erdogans mit Putin, die Waffenbrüderschaft mit der klerikal-faschistischen Hamas.

Siehe auch: Wahlen in Irakisch-Kurdistan, Was läuft falsch in Süd-Kurdistan?  

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