First Nations gegen Trucker

In Kanada wehren sich Organisationen der Ureinwohner gegen die kulturelle Vereinnahmung durch „Querdenker“ und „widerstandskämpfenden“ Truckern.

Von Wolfgang Mayr

Die Algonquins of Pikwakanagan, die Algonquin Anishinabeg Nation Tribal Council und des Kitigan Zibi Anishinabeg sprechen sich vehement gegen die Aktionen der Trucker aus. Die Gegner der Covid-Politik der kanadischen Regierung verwenden für ihren Protest Kulturgegenstände der Ureinwohner und demonstrieren uneingeladen und ohne Genehmigung auf ihren traditionellen Territorien, fasst „Indian Country Today“ die indigene Ablehnung der Proteste ab.

Die Algonquin-Nation spricht auch von kultureller Aneignung, die Organisatoren des Trucker Trails durch Kanada stellten im Confederation Park – Algonquin-Land – ein Tipi auf, hielten eine Rohrzeremonie ab und entzündeten ein Feuer gegen die Gesundheitspolitik.

Tausende von Impfgegnern kamen bei frostigen Temperaturen in die kanadische Hauptstadt Ottawa. Sie protestieren gegen Impfvorschriften, Masken und sonstige Einschränkungen. Trucker blockieren den Verkehr um den Parliament Hill und Transit-Brücken zwischen Kanada und den USA.

In Ottawa urinierten Demonstranten im National War Memorial auf das Grab des unbekannten Soldaten, manche trugen Transparente und Fahnen mit Hakenkreuzen.

In Alberta blockierten die Trucker-Demonstranten bei Coutts eine Woche lang die Grenze zwischen den USA und Kanada. Chief Allan Adam von der Athabasca Chipewyan First Nation kritisierte die Haltung der Behörden. Protest-Blockaden der First Nations werden immer sofort geräumt, hielt Adam den Börden Ungleichbehandlung vor, wenn es sich um Aktionen der Ureinwohner handelt.

„Wenn diese Blockade von uns organisiert worden wäre, hätten die Behörden sehr schnell die Blockade beseitigt, mit dem Hinweis auf das entsprechende Gesetz“, heißt es in einer Erklärung von Adam.

Die Blockade in Alberta verstößt gegen den Critical Infrastructure Defense Act. Dieser wurde im Februar 2020 erlassen, um Proteste wie jene der Wet’suwet’en gegen die Pipeline in British Columbia künftig zu verhindern.

Mit diesem Gesetz erklärte BC Gebäude, Straßen und Förderlagen von Öl und Gas zu wesentlichen und zu schützenden Infrastrukturen. Das Gesetz sieht deshalb den strikten Schutz von Eindringlingen vor. Der Schutz wurde auch auf Autobahnen, Eisenbahnen und Transportsysteme (einschließlich städtischer Schienenverkehrssysteme) ausgedehnt. Bei den tagelangen Trucker-Protesten wurde das Gesetz nicht angewandt.

Adams unterstellt den Behörden in den westlichen Provinzen Kumpanei mit den Demonstranten. Er vermutet, dass die Polizei angewiesen wurde, nicht das erwähnte Gesetz – den Critical Infrastructure Defense Act – anzuwenden.

Inzwischen scheint es ein Umdenken zu geben. Immer stärker dominieren nämlich Rechte die Demonstranten-Szene, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Trucker und ihre Sympathisanten gingen in Alberta gewalttätig gegen die Polizei vor. Sie sollen versucht haben, Beamte der Royal Canadian Mounted Police zu überfahren.

Die First Nations kritisieren die Proteste der Trucker und der Impfgegner, deren Blockaden, die Anti-Impf-Haltung der Demonstranten und ihre Verwendung indigener Zeremonien und kultureller Gegenstände. Die Federation of Sovereign Indigenous Nations wendet sich mit einer Erklärung gegen die Proteste. Die Föderation vertritt 70 First Nations in Saskatchewan, die Prärieprovinz grenzt an Alberta, Transitland für den kontinentalen Warenverkehr.

Die Föderation kritisiert die Aktionen des „Freedom-Konvois“, besonders die ungenierte kulturelle Aneignung der Kultur und Spiritualität der First Nations, um ihren angeblichen Widerstand zu unterstreichen. Die Trucker und ihre Freunde empfinden sich als Partner der First Nations, die dankend darauf verzichten. Die Federation spricht deshalb von Rassismus und Ignoranz.

Die FSIN weist daraufhin, dass besonders die First Nations zu den stärksten betroffenen Gemeinden in der Pandemie zählen. „Unsere Familien und Gemeinschaften haben aufgrund des Virus einschneidende Verluste erlitten“, schreibt die Föderation. Die First Nations haben landesweit die strengsten Maßnahmen verfügt, um ihre Angehörigen zu schützen.

Das Trump-Lager in den USA feuert mit satten Spenden den Trucker-Protest in Kanada an. Bisher waren die Proteste in Kanada gegen die Anti-Covid-Politik begrenzt und deshalb überschaubau. Seit der finanziellen und politischen Unterstützung aus den USA wird die Auseinandersetzung um die Bekämpfung der Pandemie polarisierender. Die GoFundMe-Kampagne konnte in kurzer Zeit mehr als 8 Millionen Dollar an Spenden eintreiben, aus den USA und auch aus Deutschland.

Der ehemalige US-Botschafter in Kanada, Bruce Heyman, warf den mit USA-Dollars gesponserten Demonstranten vor, das Land in Geiselhaft zu nehmen.  Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, solidarisierte sich offen mit den kanadischen Truckern. DeSantis und die wachsende Zahl ultrakonservativer und rechtsradikaler Republikaner schwärmen über den „Freedom Truck Convoy“: „Der Freedom Convoy protestiert friedlich gegen die harte Politik des linksextremen Verrückten Justin Trudeau, der Kanada mit wahnsinnigen Covid-Maßnahmen zerstört hat“, heißt es in einer Presseerklärung von Ex-Präsident Trump.

Der Premierminister von Ontario, Doug Ford, bezeichnet den „Freedom Convoy“ als Besatzung unter republikanischer Flagge, mehrere First Nations-Politiker forderten die Demonstranten auf, ihre Territorien zu verlassen.

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