Evo Morales

Ein indianischer Populist?

Von Wolfgang Mayr

Im mehrheitlich indigenen Land Bolivien findet ein peinlicher Machtkampf statt. Der amtierende Präsident Luis Arce versucht mit schmutzigen und weniger schmutzigen Methoden die Rückkehr seines Vorgängers Evo Morales zu verhindern. Beide sind Mitglieder des Movimiento al Socialismo (MAS), trotzdem stehen sie für unterschiedliche Positionen. 

In der lateinamerikanischen Linken toben Machtkämpfe unter Genossen. Der Fall Bolivien steht stellvertretend für den Rest. In Bolivien geht es aber auch darum, inwieweit die proletarisierten indigenen Bevölkerungen in der linken Politik vertreten sind.

Evo Morales, einst aktiv bei den linken Coca-Bauern, wurde als erster indigener Präsident Boliviens weltweit gefeiert.  Besonders unter der europäischen und US-amerikanischen Solidaritätsbewegung. Tatsächlich war seine Wahl zum Staatspräsidenten eine Zäsur. Erstmals seit der spanischen Conquista und der Zerstörung des Inka-Reiches stand ein Indigener dem Staat vor. Morales wurde zur Ikone indigener Selbstbehauptung, die Unsichtbaren wurden zu Gestaltern ihres Lebens.

Frühzeitig gab es aber auch Kritik an Morales. So warf der indigenistische Politiker Felipe Quispe Huanca Morales vor, ein “Neo-Liberaler mit dem Antlitz eines Indios” zu sein. Huanca warf Morales und seiner MAS vor, sich nicht um indianische Anliegen gekümmert zu haben. Die Feministin und ehemalige Lebensgefährtin von Morales, Francisca Alvarado Mamani, sah in der MAS-Partei – wie Huanca auch – nur die linke Fortsetzung der jahrhundertelangen hispanischen Fremdbeherrschung. America Maceda Llanque, auch sie eine indianische Feministin, kritisierte die MAS für die angebliche Ausgrenzung indigenistischer Politiker.

Es gibt aber nicht nur politische Divergenzen zwischen linken und indigenistischen Ayamra-Parteien. Die Aymara-Bevölkerung des Hochlandes und die indigenen Wald-BewohnerInnen im Amazonas stehen sich – vorsichtig formuliert – skeptisch gegenüber. Der geplante Bau einer Autobahn durch das Tiefland, forciert von der Morales-Regierung, sorgte für schwere Konflikte. Ladino-Politiker nutzten den Unmut, um auch gegen die ungeliebte linke Morales-Regierung zu mobilisieren.

Hochland gegen Tiefland – das ist nur einer der vielen politischen und sozialen Konflikte in dem südamerikanischen Binnenstaat. In keinem anderen lateinamerikanischen Land sind soziale Organisationen und Gewerkschaften so stark wie in Bolivien, nirgendwo sind sie aber auch so zersplittert.

Auf Druck der indigenen Coca-Bauern, das WählerInnen-Resservoir von Morales und der MAS, drängten auf den Bau der Autobahn. Die Tiefland-Indigenen kritisierte das Projekt, es fördert den Drogenanbau und den Drogenhandel. Aufgrund der heftigen Proteste wurde das Autobahn-Projekte vorläufig ausgesetzt. Der Streit um ein Großprojekt, die Betroffenen wurden von der Morales-Regierung nie konsultiert, ließ den inner-indianischen Konflikt eskalieren.

Die als hart und unnachgiebig geltenden Aymara beherrschen die Regierung in La Paz und die Grenzregion zu Peru. Die umgänglicheren Quechua in Sucre und den südlichen Provinzen fühlen sich von den Aymara nicht vertreten. Noch viel weniger die kleinen Völker im Amazonas. 

Zehntausende Aymaras sind in den vergangenen Jahren vor Dürre und Elend in das fruchtbare Tiefland geflüchtet. Dort streiten sie sich mit meist weißen Farmern – Kleinbauern wie potenten Latifundisten – und Ureinwohnern um Land und Einfluss.

Der erste indigene Präsident Boliviens blieb ein MAS-Apparatschik, der trotz seiner sozialen Reformen seine indianischen Landsleute nicht verstand. Indigene klagten die ununterbrochene Unterdrückung an, die gar bis zum Völkermord reichte, der wenig schmeichelhafte Vorwurf. Evo Morales, ein indianischer Populist, der den Verlockungen der Macht verfiel? Fakt ist und bleibt, mit seiner Präsidentschaft wurden die Ausgegrenzten Teil der Politik, Morales ließ sich aber zu stark einbinden, die weiße bolivianische Linke agiert wie die restliche lateinamerikanische Linke, engstirnig nationalistisch, anti-indianisch. 

Das linke Versprechen – Emanzipation und Selbstbestimmung – wird von der lateinamerikanischen Linken in das Gegenteil verkehrt. Der alte Kolonialismus wird fortgesetzt, mit einem “progressiven” Mäntelchen drum herum.

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