Echte Bedrohung: Der russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze ist nicht die übliche Drohgebärde

Von Wolfgang Mayr

Der russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze ist nicht nur eine übliche Drohgebärde, warnt Gustav Gressel vom Euro­pean Council on Foreign Rela­ti­ons auf ukraine.verstehen.

Gressel ortet ein tiefgehendes Versagen der EU. Die Union bekleckere sich nicht mit Ruhm bei ihren Bemühungen, einen möglichen Krieg abzuwenden.

Gressel beschreibt detailliert genau, welche Einheiten wo einsatzbereit stehen: Die 20. Armee an der nordöstlichen Grenze, die 8. Armee im Gebiet Rostow-am-Don, auf der völkerrechtswidrig besetzten Krim Truppen aus dem Nord­kau­ka­sus und Krasno­dar. Die 4. Luft­ar­mee im süd­li­chen Mili­tär­be­zirk und die 6. Luft­ar­mee im west­li­chen Mili­tär­be­zirk. Drei Luft­lan­de­di­vi­sio­nen (die 56. in Krasno­dar, die 96. und 104. im Raum Moskau) könnten zudem noch relativ kurz­fris­tig verlegt werden. Zehntausende Soldaten an der ukrainischen Grenze vor dem Sprung.

Es ist davon auszugehen, dass dies auch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten wissen, die EU-Kommission, die Führung der Nato in Brüssel.

Während Russland-Versteher in Deutschland für Verständnis werben, also vor der Angst der russischen Staatsführung vor der angeblichen Nato-Einkreisung, ist Gressel in seiner Analyse recht eindeutig: „Damit wäre die rus­si­sche Armee schon heute in der Lage, die Ukraine erfolg­reich anzu­grei­fen – wenn auch nicht dau­er­haft zu besetz­ten. Die Zeit um Weih­nach­ten, wenn im Westen Ent­schei­dun­gen etwas länger dauern – könnte bereits gefähr­lich werden,“ warnt Gressel vor der üblichen westlichen Verharmlosung der aggressiven russischen Politik. „Die rus­si­schen Kriegs­vor­be­rei­tun­gen sind also als ernst­haft zu betrach­ten,“ ist Gressel überzeugt, „die öffent­liche Meinung in Russ­land scheint einen Krieg derweil zu unter­stüt­zen.“

Gustav Gressel erwar­tet, „dass Moskau eine mili­tä­ri­sche Aggres­sion zunächst mit begrenz­ten Zielen beginnt: eine Offen­sive der ´Separatisten` würde noch keine for­melle rus­si­sche Kriegs­be­tei­li­gung bedeu­ten“. Wie schon 2014, damals schauten EU und Nato entsetzt aber hilflos zu. Ob der russische Präsident Putin darauf setzt? „Obwohl die Ukraine formell kein NATO-Mit­glied ist, sollte ihr Über­le­ben als unab­hän­gi­ger, sou­ve­rä­ner Staat den Euro­pä­ern nicht gleich­gül­tig sein,“ appelliert Gressel an die europäische Solidarität. Die mili­tä­ri­sche Unent­schlos­sen­heit des Westens könnte Putin dazu bewegen, in die Ukraine einzumarschieren. Er erwartet keinen westlichen Widerstand.

Gustav Gressel wagt eine Provokation: „Wenn wir heute nicht für die Ukraine kämpfen wollen, werden wir morgen für uns selbst kämpfen müssen.“ Von einem europäischen Dialog mit Präsident Putin hält Gressel wenig, auch deshalb, weil der russische Präsident gar keinen Dialog will. Russland richtet seine Waffen gegen die Ukraine und damit auch gegen die EU. Das verdrängen die westlichen Russland-Versteher. Russland fördert derzeit als Pate die serbischen Nationalisten in Bosnien, die den labilen Staat zerschlagen wollen. Die UNO, die EU und die Nato lassen das serbische Säbelrasseln widerspruchslos zu. Unter der Schirmherrschaft von Putin holte der weißrussische Neostalinist Lukaschenko MigrantInnen aus Irakisch-Kurdistan an die polnische Grenze, die die EU-Außengrenze zu Belarus ist. In Zusammenspiel mit der Türkei führt Russland in Syrien den Westen vor.

Gressel sieht im Aufmarsch der russischen Armee mehr als eine Drohgebärde. Der Westen wird wieder einknicken, befürchtet Gustav Gressel, der Truppen-Aufmarsch ist wie eine vorgehaltene Waffe, der Westen wird nachgeben. Ein Erfolgsmodell, siehe Krim, siehe die russischen Interventionen im ukrainischen Donbas, deshalb einsetzbar und zielführender als Verhandlungen mit offenem Ausgang. Für Gressel eine gefährliche Entwicklung: „Russ­land ist nur durch Stärke und mili­tä­ri­scher Abschre­ckung bei­zu­kom­men. Je früher, desto besser.“

Homepage von Gustav Gressel

Putin und sein kalter Krieg

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