Erdogan-Regierung hinter IS-Angriffen auf das Sina-Gefängnis in Hesekê?

Laut der kurdischen PKK-nahen Nachrichtenagentur anf handelte es sich beim Anschlag um eine multilaterale Zusammenarbeit zwischen Ankara und Damaskus. Der Vorwurf ist sehr präzise, der IS-Anschlag wurde in Ankara geplant, schreibt anf.

Von Wolfgang Mayr

Laut der kurdischen PKK-nahen Nachrichtenagentur anf handelte es sich beim Anschlag um eine multilaterale Zusammenarbeit zwischen Ankara und Damaskus. Der Vorwurf ist sehr präzise, der IS-Anschlag wurde in Ankara geplant, schreibt anf.

Laut Geständnissen der verhafteten IS-Angreifer ist der Sturm auf das Sina-Gefängnis von langer Hand vorbereitet und in der türkischen Besatzungszone um Serêkaniyê (ar. Ras al-Ain) geplant worden.  ANF zitiert den Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, wonach der Angriff seit einem Jahr dem IS als oberstes Ziel galt. Unter den Insassen der attackierten Haftanstalt befinden sich hochrangige IS-Führer.

In der türkischen Besatzungszone tauchten IS-Terroristen unter und bereiteten sich dort auf den Angriff vor. Laut einer Opfer-Bilanz der Verteidigungsmilizen der Autonomie-Verwaltung handelt es sich um 200 Dschihadisten. Innerhalb des Gefängnisses wurde der harte Kern der IS-Anhänger über die bevorstehende Befreiungsaktion informiert. Laut anf handelt es sich bei einem erheblichen Teil der 5.000 Gefangenen um „Muhadschirat“, Auswanderer, wie sich die ausländischen IS-Anhänger nennen.

Mehrere Anschläge erfolgten in der Nähe des Gefängnisses, Mitglieder von Schläferzellen nahmen Zivilisten als Geiseln, der Angriff auf die Haftanstalt erfolgte von der unmittelbaren Nachbarschaft aus. Die Milizen der Autonomie-Verwaltung zogen einen Belagerungsring, um die konzertierte Aktion außer- und innerhalf des Gefängnisses unterbinden zu könen.

Die kurdische PYD machte als Drahtzieher der militärischen Aktion Ankara und Damaskus aus. Die Erstürmung des Gefängnisses war im Oktober geplant, bestätigten verhörte IS-Terroristen. Damals bereitete die Türkei eine neue Invasion in Nord- und Ostsyrien vor und zog Truppen in der Region zusammen, berichtet anf. Im Oktober traf sich der türkische Präsident Erdoğan mit US-Präsident Joe Biden, anschließend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die erhoffte Genehmigung für eine weitere Invasion blieb aber aus, kommentierte anf die für die Türkei ergebnislos verlaufenen Gespräche.

Statt in die Autonomie-Gebiete einzumarschieren, unterstützte die türkische Armee mit Artillerieangriffen den Angriff auf das Gefängnis in Hesekê. Aber auch das Assad-Regime ließ seine Armee zeitgleich gegen die Autonomie-Region vorgehen. Damaskus warf den Kurden vor, arabische und andere nicht-kurdische Bevölkerungsgruppen zu schikanieren. Die Autonomie-Verwaltung vermutet eine Annäherung zwischen den türkischen (MIT) und syrischen (Mukhabarat) Geheimdiensten. Mit dem Ziel, gemeinsame Operationen in Nord-Syrien durchzuführen.

Die Paten des Krieges in Syrien, Russland, Iran und Türkei, definierten die Autonomie als „separatistische Aktivitäten, die die nationale Sicherheit der Nachbarländer östlich des Euphrat bedrohen.“ Der Autonomieverwaltung werfen die drei Staaten ein „illegale Aneignung der syrischen Öleinnahmen“ vor.

Die Aussagen von IS-Angehörigen lassen die Autonomie-Verwaltung annehmen, dass türkische und syrischen Dienste die Erstürmung des Gefängnisses mitplanten. Der Anschlag, kommentiert anf, richtete sich auch gegen die USA und die globale Anti-IS-Koalition.

Der kurdische Dachverband KON-MED forderte nach dem IS-Angriff auf das Sina-Gefängnis in Hesekê Konsequenzen. Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistan in Deutschland e.V. (KON-MED) bezeichnet den IS als eine große Bedrohung der Region. Der Verband verweist auch auf die Mittäterschaft der Türkei und drängt deshalb die deutsche Bundesregierung, der Türkei keine Rüstungsgüter mehr zu verkaufen. Laut dem Verband setzte die Türkei während des Kampfes um das Gefängnis Drohnen gegen die nord-syrischen Milizen ein.

Die türkischen Truppenteile gehen meist gemeinsam mit islamistischen Milizen gegen Ortschaften, Dörfer und Städte in Nord-Syrien vor. Auch der IS hängt lauf anf am türkischen Tropf. Der gezielte IS-Terror in der Autonomie-Regien findet unter Feuerhilfe türkischer Drohnen statt. Damit will der Erdogan-Staat die Selbstverwaltungsgebiete destabilisieren.

Kon-Med unterstützt den Appell der Autonomie-Region an die westlichen Staaten, endlich ihre Staatsbürger unter den IS-Terroristen „zurückzuholen“. Die Selbstverwaltung wird mit diesem gefährlichen Problem allein gelassen. Die inhaftierten IS-Killer und ihre Angehörigen empfinden die politisch Verantwortlichen als „tickende Zeitbomben“.

Während der Nato-Staat Türkei – stellvertretend für die westliche Anti-IS-Allianz – mit islamistischen Milizen und dem IS kooperiert, stärkt Russland dem Assad-Regime geschickt den Rücken. Russland bestimmt den politischen Takt in dieser Region.

Die unverhohlene Kooperation der Türkei mit dem IS stört weder Deutschland noch die EU. Die Türkei wird versuchen, befürchtet Kon-Med, über die dschihadistischen Milizen ihre Politik durchzusetzen.

Als einen wichtigen Schritt im Kampf gegen den IS sieht Kon-Med in der Anerkennung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien: „Um den Kampf gegen den IS effizient führen zu können, braucht die Selbstverwaltung in Rojava politische Rückendeckung. Die Bundesrepublik würde sich selbst und der Welt einen großen Gefallen tun, wenn sie die Selbstverwaltung anerkennen würde.”

„Um den Kampf gegen den IS effizient führen zu können, braucht die Selbstverwaltung in Rojava politische Rückendeckung. Die Bundesrepublik würde sich selbst und der Welt einen großen Gefallen tun, wenn sie die Selbstverwaltung anerkennen würde”, heißt es in der Stellungnahme von KON-MED.

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