Die Menschenrechtsarbeit für Sinti und Roma

Von Jasna Causevic

34 Jahre nach dem Holocaust war der Völkermord an etwa 500 000 deutschen und europäischen Sinti und Roma unbekannt geblieben. So lange gab es keine
Anerkennung, keine Wiedergutmachung, keine Verfolgtenrenten für die überlebenden KZ-Opfer, keine Wiedereinbürgerung für tausende Sinti, denen deutsche Nachkriegsbehörden die Staatsbürgerschaft genommen hatten.
Nur außergewöhnliche Anstrengungen und Initiativen der GfbV und von Romani Rose – unter der Einbeziehung nicht zuletzt bedeutender jüdischer
Persönlichkeiten – konnten die Lage endlich grundlegend verbessern.

– Die GfbV hat 1979 bis 1981 das Verschweigen des Völkermords an Sinti und Roma durch Medien, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Regierungen in Deutschland mit einer Dokumentation („In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt – zur Situation der Sinti und Roma in Deutschland und Europa“, 1973), einer Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen (27.10.1979) und dem 3.Weltkongress der Roma in Göttingen(16.-20.05.1981 durchbrochen:

Unterstützt von deutschen Sinti und von Roma aus anderen europäischen Staaten organisierten wir mit Romani Rose den Marsch der 2 000 durch die Gedenkstätte des ehemaligen KZ ́s Bergen Belsen. Es war uns gelungen, gewichtige Verbündete zu gewinnen, den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, und die Präsidentin des Europaparlaments, Simone Veil. Beide sprachen auf unserer Kundgebung in Bergen-Belsen. Die Mutter von Simone Veil
war für immer in diesem schrecklichen Lager geblieben. Die kleine Simone überlebte.

Die Teinhemer- und Teinehmerinnen an dem Kongress in der Stadthalle Göttingen waren neben vielen Anderen, Roma, Sinti, Aschkali, Gitanos, Bandjara (Indien), Gypsies, aus 28 Staaten Nordamerikas, Europas und Asiens. Allein aus den Reihen der Betroffenen zählten wir 600 Teilnehmer Sinti und Roma aus Deutschland, Österreich, Bulgarien und Norwegen, aus den USA, Russland und Rumänien, aus Jugoslawien, Frankreich und vielen anderen Ländern. Auch dieses Mal konnten wir klingende Namen vorweisen: Simon Wiesenthal, später langjähriger Freund unserer Menschenrechtsorganisation hatte gemeinsam mit der indischen Präsidentin, Indira Gandhi, die Schirmherrschaft über den Kongress übernommen. Wir erreichten, dass die Presse International darüber berichtete, von Japan und Australien bis in die USA.

Zu großem Dank sind wir einigen bedeutenden Persönlichkeiten verpflichtet, die uns unterstützt haben: Der Philosoph Ernst Tugendhat schrieb das Vorwort zu unserer Rowohlt-Dokumentation „,In Ausschwitz vergast, bis heute verfolgt. Zur Situation der Sinti und Roma in Deutschland und Europa.“ Marek Edelman, der letzte Überlebende der Freiheitskämpfer des Warschauer Ghettos gab immer wieder seinen großen Namen für unsere Initiativen. Genauso wie der Nobelpreisträger Günter Grass, der uns zeit seines Lebens mit seinem unermüdlichen Engagement für Roma und Sinti unterstützt hatte und unsere Anliegen in der Öffentlichkeit mitgetragen hatte.

– Die GfbV machte die NS-Verbrechen an den „Zigeunern“ durch das NS-Regime weit über Deutschland hinaus öffentlich, bewegte Bundeskanzler Schmidt und Bundespräsident Carstens zur Anerkennung dieses Verbrechens und zur Entschuldigung, gerichtet an die Volksgruppe, setzte den Eigennamen „Sinti und Roma“ in Deutschland durch, erreichte die Wiedereinbürgerung jener ostpreußischen, schlesischen, sudetendeutschen und rheinischen Sinti und Roma, denen nach Überleben von KZ´s und Arbeitslagern die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde und erlangte in der Folge eine erste, wenn auch bescheidende Verfolgtenrente für die Opfer. Zunehmend entstanden im Zuge dieser GfbV-Menschenrechtsarbeit eine Bürgerrechtsbewegung der Betroffenen und der Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland“.

– Flüchtlingskampagne für ein Bleiberecht von Flüchtlingskindern und die Chancengleichheit für alle Flüchtlinge in Deutschland unter dem Motto „Deutschland ist mein Zuhause“. Es handelte sich um eine Kampagne für das Bleiberecht von etwa 100 000 langjährig geduldeten Familien in Deutschland – unter ihnen Angehörige von verfolgten oder diskriminierten Minderheiten: Roma aus dem Kosovo, Christen, Yeziden, Kurden aus Syrien,Tschetschenen, Afghanen und viele andere, die seit sechs, acht, fünfzehn oder zwanzig Jahren bei uns leben und denen noch immer ein langfristiger Aufenthalt und die Einbürgerung verwehrt werden, weil sie die Kriterien einer Bleiberechts- und der Altfallregelung nicht erfüllen. Diese Menschen flüchteten aus Vertreibungs-, Verfolgungs- oder Genozidregionen zu uns und fanden in Deutschland eine neue Heimat. Das Ziel der Kampagne ist es, diesen Menschen eine dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ohne Einschränkung zu gewähren. Dasselbe wird auch für ihre kranken, traumatisierten und pflegebedürftigen Angehörigen gefordert.

– Verschidene Ausgaben von „pogrom-bedrohte Völker „ wurden bisher dem Thema Sinti und Roma gewidmet. Eine Sonderausgabe der Zeitschrift „pogrom-bedrohte Völker“ wurde mit dem Titel „Tausende Flüchtlingskinder von Abschiebung bedroht“ publiziert (Jahr?).

– Mit zahlreichen Presseerklärungen und Briefen an den Bundesinnenminister, Innenminister und Innensenatoren der jeweiligen Bundesländer forderten wir eine Kontingentlösung für Roma aus dem Kosovo.

– Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützte die Grundsteinlegung für ein Mahnmal zum Genozid an den deutschen und europäischen Sinti und Roma in Deutschland am 19. Dezember 1998.

– Der Appell unter dem Titel „Beschützen Sie unsere Flüchtlingskinder“, gerichtet an den Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin, den Bundessinnenminister sowie die Innenminister und die Innensenatoren und die Abgeordneten von Bund und Ländern wurde in einer bundesweiten Informationsaktion an verschiedene Institutionen, Parteien, Rechtsanwälte, Flüchtlingsräte, Kirchengemeinden, Gewerkschaften und Verwaltungsgerichte versandt.

– Unser verstärktes Engagement galt besonders den Kosovo-Roma. Im Jahr 2009 Jahr hat die Bundesregierung mit der Regierung der Republik Kosovo ein Rückübernahmeabkommen für Menschen, die aus dem Kosovo geflohen sind, verhandelt und dieses am 14. März 2010 unterschrieben. In diesem Abkommen wurde ausdrücklich vereinbart, dass alle Kosovaren – ungeachtet ihrer Volkszugehörigkeit – in den Kosovo zurückgeführt werden können. Zuvor waren Roma von Abschiebungen ausgenommen. Die Regierung des Kosovo hat sich verpflichtet, bis zu 2 500 Personen im Jahr aufzunehmen. In Deutschland leben derzeit rund 10 500 geduldete Roma, davon ca. 3 500 in Niedersachsen.

-Im Rahmen unserer Kampagne für das Bleiberecht der langjährig geduldeten Flüchtlinge und ihrer Kinder in Deutschland organisierten wir Mahnwachen, Pressekonferenzen und Demonstrationen .

-Unser Büro in Göttingen ist bisher eine wichtige Anlaufstelle für viele deutsche Sinti und Roma – aber auch für Flüchtlinge (Roma, Aschkali und Ägypter) aus Südosteuropa. Wir unterstützen Sie bei Behördengängen, arbeiten mit ihren Anwälten zusammen und schreiben Gutachten über die Lage in ihren Herkunftsländern für deutsche Gerichte.

-Die GfbV ist Mitglied des Büdnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas, ein Zusammenschluss von gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen, die in ihrer Arbeit immer wieder Antiziganismus begegnen und dafür kämpfen, dass Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus in der Gesellschaft geächtet werden.

 

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