„Die Eroberung Amerikas“: Der österreichische Schriftsteller Franznobel rechnet mit dem spanischen Eroberer Hernando de Soto ab.

Von Wolfgang Mayr

De Soto zählt zu den erfolglosesten spanischen Eroberern, schreibt Franzobel in seinem Roman „Die Eroberung Amerikas“. Ein gescheiterter Eroberer, der im 16. Jahrhundert – vor 500 Jahren – eine blutige Spur hinter sich herzog: Von Florida ausgehend nordwärts durch die Appalachen bis ins heutige North-Carolina, dann in einem weiten Bogen westwärts bis zum Mississippi.

Anlass für diesen doch brutalen Roman war ein TV-Film aus dem Jahr 2017 über De Soto und seinem gescheiterten Versuch, für Spanien die heutigen Südstaaten der USA zu erobern. In der Literatur-Sendung des Schweizer Fernsehens SRF wird De Soto als Conquistador beschrieben, dessen Florida-Expedition in einem einzigartigen Debakel endete.

Franzobel macht aus dem hochnäsigen Mit-Peru-Eroberer um Pizarro De Seto den Habsburger Ferdinand Desoto. Den Auftrag zur Eroberung von Florida holte sich Desoto vom Habsburger Kaiser Karl V, der damals auch Spanien zu seinem Reich zählte.

Hier der podcast des SRF mit einem Gespräch mit Franzobel über europäische Eroberung, indigenes Leid und deren Folgen:

„Auf 550 Seiten verbindet Franzobel die Zeit der Eroberungen mit der heutigen Zeit, indem er einen Erzählstil entwickelt, der immer vom Heute ausgeht. Und er wandelt dabei auf dem schmalen Grat zwischen beißendem Humor und abgrundtiefen Entsetzen über eine Brutalität und Menschenverachtung, die in der langen und blutigen Menschheitsgeschichte seinesgleichen sucht,“ findet der SRF.

Franzobel stellte seinen Roman in der Franz-Edelmaier-Residenz für Literatur und Menschenrechte in der Südtiroler Kleinstadt Meran fertig. Er langte sprachlich und bildlich kräftig zu, war gar nicht politisch korrekt, die Frauen werden als Freiwild dargestellt, als Sex-Objekte, die von den katholischen Spaniern massenhaft vergewaltigt werden, er lässt die spanischen Eroberer von Neger-Sklaven reden, er beschreibt die ersten Amerikaner als Ureinwohner, Eingeborene, Indios, dann und wann als indigene Menschen, meist als Indianer. Trotz der heftigen Diskussion über das umstrittene I-Wort. Franzobel meint, Indianer ist für ihn positiv besetzt.

Im Roman kommen diese Indianer aber auch nicht sonderlich gut weg. Sie sind Wilde, armselig, primitiv, aber doch letztendlich freundlich – und damit das radikale Gegenstück – mit diesen arroganten marodierenden und brutalen Soldaten und Killern aus dem spanischen Kastilien und der Extremadura. Die ersten Amerikaner wurden von Menschen-Typen des 16. Jahrhunderts regelrecht überrumpelt und überrollt. Dieses Jahrhundert ist für Franzobel brutal: „So als hätte die Mafia sämtliche KZ-Aufseher zu einem Wettbewerb in Sachen Grausamkeit herausgefordert.“ Diese Rohlinge und Wüstlinge wurden auf diese indigenen Menschen losgelassen. Ein riesiger Genozid war die Folge, findet Franzobel.

Franzobel spricht den katholisch besoffenen aber mordenden goldgierigen Spaniern den Mut nicht ab, in die Welt auszuziehen, diese Welt zu erobern. Trotzdem nennt er die Söldner von De Soto gewalttätige und sexsüchtige Psychopathen. „Die im Namen Spaniens und der Kirche agierenden Konquistadoren waren eine staatlich legitimierte Räuberbande, ein skrupelloser Haufen. Selbst die Missionare waren mehr am Fleisch der einheimischen Frauen denn an ihrem Seelenheil interessiert,“ schreibt Franzobel wenige schmeichelhaft über die großen Eroberer aus Spanien.

Vier Jahre lang suchten De Soto und seine Desperados das berühmte Eldorado. Die Vertreter der europäischen Zivilisation vergewaltigten und ermordeten Mikasuki, Choktaw, Tunica, zerstörten ihre Dörfer und Felder, auch die religiösen Kultgegenstände ließen die miterobernden Missionare zerschlagen und vernichten. Das übliche Programm, umschreibt Franzobel den Eroberungsfeldzug durch die heutigen Südstaaten der USA.

Die Inbesitznahme Floridas und der künftigen Südstaaten endete im Desaster, in der Auflösung der Eroberungsarmee und im Tod De Sotos. Die angeblich die Kultur und Zivilisation bringenden spanischen Machtmenschen zogen eine Schneise der Verwüstung und Zerstörung  durch Land und Leute, als Blaupausen dienten die Eroberung der Karibik, des Azteken- und Maya-Reiches in Mittelamerika und die Vernichtung des mächtigen Inka-Reiches in den südamerikanischen Anden. Dieser spanische Eroberungsfeldzug diente als Vorbild für englische Landnahme Nord-Amerikas. Der zweit-schlechteste US-Präsident – der Demokrat Jackson – setzte mit der Vertreibung der Cherokee (Aniyuniwiya oder Tsalagi) aus den Appalachen das Werk von De Soto fort, findet Franzobel.

In seine furchtbare Erzählung hinein streute Franzobel den juristischen Versuch des New Yorker Anwaltes Trutz Finkelstein, die Rückgabe der USA an die Autochthonen zu erreichen. Mit seiner Eingabe an den State Supreme Court gelang es Finkelstein am Ende des Romans, die obersten Richter zu überzeugen. Sie sprachen den Indianern das gesamte Gebiet der USA zu. Finkelstein dreht damit die Geschichte der Eroberung zurück. „Hugh“, lässt Franzobel einen Cherokee-Vertreter den Urteilsspruch kommentieren.

Tatsächlich hat das Oberste US-Gericht den sogenannten „fünf zivilisierten Stämmen“ ihr ehemaliges Reservats-Land – das gesamte  östliche Oklahoma – zugesprochen.

Franzobel. Die Eroberung Amerikas. Zsolnay Verlag, 2021

Franz Edelmaier Residenz für Literatur und Menschenrechte (sgemko.ch)

Franz-Edelmaier-Residenz für Literatur und Menschenrechte – Preise & Stipendien (literaturport.de)

Franz-Edelmaier-Residenz für Literatur und Menschenrechte | Autorenwelt

 

 

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