Deutschland-Armenien: Das Bundesverdienstkreuz für Tessa Hofmann

Seit einem halben Jahrhundert engagiert sich die Historikerin für die Anerkennung des Aghets, der armenischen Katastrophe

Tessa Hofmann engagiert sich unermüdlich gegen Völkermord-Verbrechen. Ihr besonders Anliegen, der jungtürkische Genozid an den Armeniern, der Aghet. Foto: mirrorspectator.com

Tessa Hofmann engagiert sich unermüdlich gegen Völkermord-Verbrechen. Ihr besonders Anliegen, der jungtürkische Genozid an den Armeniern, der Aghet. Foto: mirrorspectator.com

Von Wolfgang Mayr

 

Tessa Hofmann erhält das Bundesverdienstkreuz. Dafür entschied sich Mitte Juni Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eine erfreuliche Nachricht, ließ Tessa Hofmann ihre Freundinnen und Freunde wissen.

Das Wieso und Warum ist noch nicht bekannt. Es wird aber wohl ihr Engagement für die Anerkennung des Völkermordes an den Armenierinnen und Armeniern sein. Verübt während des Ersten Weltkrieges von den nationalistischen Jung-Türken und ihren kurdischen Verbündeten. Ermöglicht und begleitet auch vom deutschen Kaiserreich.

Nach wie vor leugnet der islamistische Präsident der Türkei, Erdogan, den Völkermord. Nach wie vor unterstützt die Türkei Aserbaidschan gegen die Republik Armenien, in Kumpanei mit Israel half die Türkei bei der Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Arzach (Berg-Karabach).

Die Recherche von Tessa Hofmann über die Vergangenheit ist an die Gegenwart und Zukunft Armeniens gekoppelt.

Vor zwei Jahren stellte Amill Gorgis von der syrisch-orthodoxen Kirche in Berlin den Antrag an das Amt des Bundespräsidenten, Tessa Hofmann für ihre Arbeiten „auszuzeichnen“. Diesen Antrag unterstützten zahlreiche Personen und Institutionen – Armenier, Griechisch-Orthodoxe, Aleviten aus Dersim und Kurden.

 

Engagiert seit einem halben Jahrhundert

Das Bundesverdienstkreuz geht an eine Historikerin, die sich Ende der 1970er Jahre als Menschenrechtlerin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker einen Namen machte. Gemeinsam mit Tilman Zülch und weiteren Aktivistinnen und Aktivisten wurden vergessene Verbrechen an die Öffentlichkeit gezerrt, wie der Völkermord an den Nama und Herero im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika, die genozidale Politik der arabischen Regimes im Nahen Osten gegen Kurden und christlichen Bevölkerungsgruppen sowie im Sudan an den schwarzafrikanischen Völkern. „Von denen keiner spricht“, hieß ein Sammelband, herausgegeben von Zülch und seinen Mitstreitenden.

Und dazu zählte lange Tessa Hofmann, die unermüdlich den verdrängten Völkermord an den Armeniern publik machte, mit ihren Publikationen in der damaligen GfbV-Zeitschrift „pogrom“ (heute „für Vielfalt“) und in den „pogrom“-Buchreihen. Sie wurde dafür auch angefeindet, von türkischen Nationalisten, laut denen es keinen Völkermord gab. „Ich schätze mal, dass die Ehrung wegen Leistungen im Bereich der Gedenk- und Erinnerungskultur, der Genozidforschung und damit verbunden auch der Völkerverständigung erfolgt,“ schreibt Hofmann über die anstehende Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.

Tessa Hofmann, die „aktivistische“ Historikerin, blickt auf 50 Jahre menschenrechtliche, publizistische und wissenschaftliche Tätigkeit im Kontext des osmanischen Genozids, seiner Aufarbeitung und legislativen Anerkennung bzw. Verurteilung zurück. „Meine Zugehörigkeit zur GfbV bzw. deren Unterstützung hat dabei eine große Rolle gespielt. Durch die Publikationen in der Zeitschrift bzw. im Verlag pogrom in den Jahren 1979-1983 wurde die nachkriegsdeutsche Öffentlichkeit der Bundesrepublik auf den Genozid des osmanischen Verbündeten Kaiserdeutschlands aufmerksam gemacht,“ fasst Hofmann sehr nüchtern ihre Leistungen zusammen.

 

Von der GfbV zur AGA

Ab 1979 engagierte sie sich ehrenamtlich als Armenien-Koordinatorin der Gesellschaft für bedrohte Völker und seit 2003 als Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung g.e.V. (AGA). Sie ist Sprecherin der Fördergemeinschaft für eine Ökumenische Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich (FÖGG) g.e.V. und wissenschaftliche Redakteurin der FÖGG-Webseite Virtual Genocide Memorial. Hofmann initiierte eine Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich auf dem Berliner Evangelischen Luisenkirchhof, der einzige Ort weltweit, an dem gemeinsam der Christen gedacht wird, die von 1912 bis 1922 unter den nationalistischen Regimen der Jungtürken und Kemalisten bei Massakern, Todesmärschen oder Zwangsarbeit ums Leben kamen, schrieb Tigran Petrosyan in der taz.

Tessa Hofmann geriet wegen ihrer Aghet-Forschung immer wieder ins türkische Visier. Für ihr Buch “Der Völkermord an den Armeniern vor Gericht” verwendete Hofmann ein Bild des russischen Malers Wassili Wassiljewitsch aus dem Jahr 1871. Anlass für den türkischen Akademiker und Kolumnisten Türkkaya Ataöv, einem Leugner des Aghets, Hofmann vorzuwerfen, sie verfälsche die Geschichte. Ataöv findet sich in guter Gesellschaft mit unzähligen Leugnern und Leugnerinnen. Besonders dafür bekannt, der türkische Präsident Erdogan.

 

Immer für die Erinnerung

Tigran Petrosyan von der Taz stattete Tessa Hofmann einen Hausbesuch ab. Immer für die Erinnerung, die Taz-Widmung. In dem Taz-Gespräch sagte Hofmann: “In meinem 70-jährigen Leben habe ich viele überraschende Wendungen erlebt, … wer hätte in meiner Jugend gedacht, dass die Sowjet­union zusammenbricht, dass es eine Wiedervereinigung gibt.“ Zusatz: “Auch dass wir heute so eine Partei wie die AfD bekommen. Man hat doch geglaubt, dass so was nie wieder passieren kann.“

Hofmann engagierte sich aktivistisch und wissenschaftlich für die Anerkennung des türkischen Genozids an den Armeniern, Griechen und Aramäern: “Am Schreibtisch sowie auf der Straße kämpfte sie um die Verurteilung der Todesmärsche, Massaker und Zwangsarbeit, bis der Bundestag 2016 schließlich die Erklärung zum Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten 1915/1916 im Osmanischen Reich verabschiedete.”

Diese parlamentarische Anerkennung ist aus ihrer Sicht ein starkes Signal, eine Warnung für alle Täter und solche, die sich mit den früheren Tätern identifizierten. “Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Völkermord von heute der vergessene Völkermord von morgen ist“, befürchtete Tessa Hofmann.

Solche Täter samt Anhängerschaft – Putin, die Mullahs, die Hamas, Xi Jinping, Erdogan, Hemedti, Netanyahu, Vucic, Dodik, usw – gibt es unzählige. Allein schon deshalb ist Tessa Hofmann und ihrer Hartnäckigkeit zu danken. Sie hat sich das Bundesverdienstkreuz verdient. Tessa Hofmann ist Gastautorin für Voices.

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