Der Kettensägen-Mann und die Indigenen

Der argentinische Präsident Jabier Milei gibt indigene Territorien zur Ausbeutung frei

Von Wolfgang Mayr

Westliche Konservative feiern den “libertären” argentinischen Präsidenten samt Lederjacke und Kettensäge. So würdigen beispielsweise die Tageszeitungen “Die Welt” und die “Neue Züricher Zeitung NZZ” die neo-liberale Wirtschaftspolitik des argentinischen Trumps. 

Er schafft das “Undenkbare”, ist die Welt überzeugt. Milei bekämpft erfolgreich die Inflation, schwärmen “Die Welt” und die “NZZ” weiter und erfolgreich wird er auch die grassierende Armut beseitigen. 

Die Plattform “amerika21” hingegen warnt, Milei trifft mit seiner “Kettensägen-Politik” die Ärmsten der Armen. Zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen im Milei-Argentinien zählen die autochthonen Völker, im “weißen Argentinien” von der Mehrheitsgesellschaft gerne verdrängt und vergessen.

So weist die Gesellschaft für bedrohte Völker auf die dramatischen Folgen der Aufhebung eines Gesetzes hin, das Räumungen indigener Gemeinden untersagte. Das Gesetz wurde von Präsident Javier Milei aufgehoben. Die GfbV warnt: 

“Damit öffnet die Regierung Bergbau, Agrarindustrie und anderen extraktiven Sektoren Tür und Tor, indigene Gebiete und die Umwelt rücksichtslos auszubeuten.“

Das abgeschaffte Gesetz (Ley de emergencia en material de posesión y propiedad de las tierras que tradicionalmente ocupan las comunidades indígenas del país) schützte seit 2006 indigene Gebiete vor Räumungen und war eine Grundlage für die Anerkennung indigener Landrechte. 

Indigene Organisationen kritisieren die Entscheidung als Fortsetzung einer Geschichte des Landraubs und werfen der Regierung vor, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen voranzutreiben. „Die betroffenen Gebiete, wie jene in der argentinischen Provinz Jujuy, sind nicht nur der Lebensraum Indigener Völker in über 300 Gemeinschaften. Die dortigen Nebelwälder spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen die globale Klimakrise. Ohne rechtlichen Schutz sind indigene Gemeinschaften und die einzigartige Biodiversität dieser Regionen in höchstem Maße gefährdet“, befürchtet die GfbV.

Der neue alte Kolonialismus

Von der Räumung betroffen sind beispielsweise die Mapuche von Lof Pailako in der Provinz Chubut. Richter Guido Otranto ordnete die Räumung an. Otranto ist kein Unbekannter: Im Fall Santiago Maldonado wurden Otranto Parteinahme und Ermittlungsfehler vorgeworfen. Maldonado verschwand 2017 beim Verteidigen des Lof Pu, anschließend wurde er tot aufgefunden. Der Fall wurde nie ausreichend aufgeklärt. Aktivistinnen vermuten eine Beteiligung der Sicherheitskräfte aus. 

Die Räumung des Lof Pailako wurde von der Nationalparkverwaltung und vom Gouverneur von Chubut vorangetrieben. Im Nationalpark und den angrenzenden Regionen sind ergiebige Bodenschätze entdeckt worden.

Die Mapuche prangern die Komplizenschaft des Staats beim rabiaten Abbau von Bodenschätzen an, bei der Genehmigung von Abbau-Lizenzen und der damit verbundenen Unterdrückung des Protestes dagegen. Die Mapuche beklagen Opfer, wie die Ermordung von Juan Carlos Villa in Mallín Ahogado, von Elias Cayicol Garay und Rafael Nahuel und andere Gewalttaten gegen Mapuche wie Lucinda Quintupuray.

Der Staat und seine Justiz verfolgen indigene Aktivist:innen, die entsprechenden Forderungen kommen von den Großgrundbesitzern. Gezielt wird der indigene Protest kriminalisiert. Protestler werden strafrechtlich verfolgt, wie der Mapuche Facundo Jones Huala und Matías Santana von den Mapuche-Gemeinschaften Lof Winkul Lafken Mapu und Lof Quemquemtrew.

Ein effektives Mittel des Staates gegen den indigenen Protest ist die Militarisierung Patagoniens sowie das “Gesetz der Grundlagen und Ausgangspunkte für die Freiheit der Argentinier“ (Ley Bases) und das RIGI (Anreizsystem für Großinvestitionen).

Nutznießer beider Gesetze sind Weltmarkt-Unternehmen wie Levis oder Benetton. Laut einem Bericht der Gewerkschaft ATE zufolge sind mehr als 12,5 Millionen Hektar in den Händen von Ausländern, von Firmen mit Sitzen in Steueroasen. Allein das zum Benetton-Konzern gehörende Unternehmen „Tierras Sud Argentino“ besitzt 900.000 Hektar Land. 

Partner der Neo-Kolonialisten sind die Provinzrichter, die Land-Räumungen anordnen und durchsetzen. Die Richter haben freie Hand, nachdem auch das Nationale Register für indigene Gemeinschaften des Nationalen Instituts für indigene Angelegenheiten abgeschafft wurde. Diese verfassungsrechtliche Verpflichtung erkannte die ethnische Identität dieser Völker als wesentlichen Bestandteil des Staates an. 

Die Aufhebung des Registers überlässt die Angelegenheiten der indigenen Gemeinschaften der Gnade der Provinzen, ihrer Willkür. Gewalttätig gehen staatliche Organe und Sicherheitskräfte gehen indigene Gemeinschaften vor. 

Indigene Rechte spielten bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südamerika keine Rolle. Dafür sorgten die südamerikanischen Staaten als Teil des “globalen Südens”, kein Interesse daran zeigte die Europäische Union.

Siehe auch: Milei gegen Protest, Chile gegen Mapuche, Das “Zeitrahmengesetz” tötet, Milei gegen Diktatur-Erinnerung, Die Wichi, Minority Rights Group, Milei and indigenous peoples, Indigenous World 2024 Argentina, 

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