07-11-2024
Das große Mißtrauen
Die Minderheiten in Moldau lehnen den EU-Beitritt ab
Von Wolfgang Mayr
Das kleine Moldau ist gespalten. Die russische Wühlarbeit war extrem erfolgreich. Befürworter und Gegner eines EU-Beitritts halten sich fast die Waage. Dem nicht bindendem EU-Referendum stimmten 50,5 Prozent der Wählenden zu, 49,5 Prozent dagegen. Kein Auftrag, den EU-Beitritt in der Verfassung zu verankern, kommentiert das online-Magazin “Nationalia” der katalanischen NGO Ciemen.
Die rumänischsprachige Bevölkerung steht hinter dem EU-Projekt von Präsidentin Sandu, nicht aber Transnistrien, das türkischsprachige Gagausien und das bulgarischsprachige Taraclia. In diesen drei Regionen gewannen die Nein-Stimmen, in Gagausien und Taraclia mit großem Vorsprung. Im russischsprachigen “alt-sowjetischen” Transnistrien mit 62,5 Prozent, ein relativ moderater Prozentsatz. Transnistiren versteht sich als eine unabhängige Republik, die von russischen Truppen “geschützt” wird.
In Taraclia lag die EU-Ablehnung bei 86,8 Prozent, im autonomen Gagausien 94,8 Prozent. Laut der pro-russischen Gouverneurin Evghenia Guțul, zeigt dieses Ergebnis, dass die Gagausen “ein unabhängiges und neutrales Moldawien wollen”. Ein Moldawien, das mit Russland eng zusammenarbeiten will.
Die Gagausen und Bulgaren manifestieren offen ihre pro-russische Haltung. Russland pflegt bewußt seinerseits die Kontakte zu den politischen und wirtschaftlichen Eliten in Gagausien und Taraclia. Es gibt auch starke historische, religiöse und kulturelle Verbindungen der Bulgaren sowie der Gagausen nach Russland. Beide befürchten, dass eine Annäherung der Republik Moldau an die EU langfristig zu einer Wiedervereinigung mit Rumänien führen könnte.
Bei der Präsidentenwahl konnte sich Maia Sandu deutlich gegen den pro-russischen Kandidaten durchsetzen. Für sie eine Verschnaufpause. Ihr Vorhaben, das Land in die EU zu führen, scheint aber blockiert zu sein. Die Republik Moldau nahm erst im Juni 2024 Verhandlungen mit der EU über eine Mitgliedschaft auf. Angesichts der knappen Zustimmung für einen EU-Beitritt wird es wahrscheinlich keine weiteren Verhandlungen mehr geben. Auch deshalb, ein mögliches Argument in Brüssel, weil das Land zutiefst gespalten ist. “Nationalia” vermutet, dass sich Brüssel in der Frage einer EU-Mitgliedschaft Moldawiens zurückhalten wird.
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