19-05-2023
Darfur: Ein nicht enden wollendes Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Angehörige der Volksgruppen Fur, Masalit und Zaghawa in Angst vor neu aufflammender ethnischer Gewalt
Von Jan Diedrichsen
Seit über 20 Jahren ist die Region Darfur im Sudan synonym für eine Katastrophe. Hier zeigt sich die ganze Hilflosigkeit der sog. Weltöffentlichkeit. Seit Jahrzehnten spielt sich ein nahezu klassisches völkerrechtliches „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ab und es geschieht nichts, um dies abzuwenden. Der nie wirklich beendete Bürgerkrieg, der Anfang des Jahrtausends kurzzeitig ein massives Presseecho und ostentative Bestürzung hervorrief, ist mittlerweile schon lange in der medialen Versenkung vergessen.
VOICES berichtet:
„Sudan: Eine Tragödie mit Ansage“
Verfahren gegen Anführer der Dschandschawid-Milizen im Darfur-Konflikt in Sudan beginnt
Verfahren gegen Anführer der Dschandschawid-Milizen im Darfur-Konflikt in Sudan beginnt
Der seit April im Sudan tobende Machtkampf zwischen den beiden stärksten militärischen Fraktionen des Landes hat weitere verheerende Auswirkung auf die Region und die 1,5 Millionen Menschen, die seit rund zwei Jahrzehnten in Flüchtlingsunterkünften leben. Über 200.000 neue Flüchtlinge haben sich seit den Kämpfen im April vor allem auf den Weg nach Tschad gemacht.
Der Konflikt zwischen der sudanesischen Armee und den wichtigsten paramilitärischen Kräften des Landes hat den Krieg in die Hauptstadt Khartum gebracht. Aber auch in Darfur haben die Kämpfe wieder zugenommen und bei der militärischen Auseinandersetzung über die Kontrolle der wichtigsten Städte der Region sind zahlreiche Zivilisten getötet worden.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat in den vergangenen vielen Jahren als eine der wenigen Stimmen immer wieder kenntnisreich über die verheerende Menschenrechtssituation und die ethnischen und religiösen Hintergründe berichtet. Derzeit ist über Hintergründe in der deutschen Öffentlichkeit, über allgemeines Pressewissen hinaus, nur wenig zu erfahren.
Die tragische Entwicklung in Darfur hat tiefe historische Wurzeln in der jahrelangen Marginalisierung nicht-arabischer Stämme durch die Politik der Machthaber in Khartum. 2003 gründete sich die Darfur Liberation Front (DLF) (später in Sudan Liberation Movement/Army umbenannt) und gemeinsam mit der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (Justice and Equality Movement, JEM) begann eine Rebellion, die vor allem gegen die Missachtung der westlichen Region des Sudans und seiner nicht-arabischen Bevölkerung gerichtet war.
Als Reaktion darauf rüstete die Regierung des damaligen Präsidenten Omar al-Bashir arabische Milizen, die so genannten Dschandschawid, aus und unterstützte sie bei der Bekämpfung der Rebellen in Darfur. Die Dschandschawid mordeten an der Seite der sudanesischen Regierungstruppen und töteten systematisch vorrangig Angehörige der ethnischen Gruppen der afrikanischen Fur, Masalit und Zaghawa, aus denen die Mitglieder der Rebellengruppen sich hauptsächlich rekrutierten.
Heute ist es die RSF, die sich vor allem aus ehemaligen Dschandschawid-Kämpfer zusammensetzt, die gegen die Streitkräfte des Landes kämpfen. In Darfur verbreitet die Entwicklung unter den nicht-arabischen Volksgruppen Angst und Schrecken. Sowohl die Armee als auch die RSF haben Stützpunkte in Darfur und in der Region begannen die Kämpfe kurz nach Ausbruch des Krieges am 15. April. Mehr als 200.000 Menschen in der Region sind geflohen. Die Infrastruktur, Krankenhäuser, Märkte und Banken sind nach wie vor nicht zugänglich. Auch die Hilfsprogramme für die mehr als 1,5 Millionen Darfuris, die in Flüchtlingslagern leben – die meisten von ihnen nicht-arabische Kriegsopfer aus den frühen 2000er Jahren – wurden unterbrochen.
In der Region sind neben den genannten Hauptakteuren mehrere Rebellengruppen aktiv, die traditionell sowohl gegen die RSF als auch gegen die Armee zu den Waffen greifen. Sie bleiben vorerst abwartend, könnten aber bald versucht sein, sich für eine Seite zu entscheiden, was einen noch unübersichtlicheren Konflikt schaffen würde.
Leidtragende sind die Menschen der Regionen – anders als Anfang der 2000er Jahre interessiert dieses Leid die Weltöffentlichkeit nicht – das Morden geht weiter.
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