18-11-2025
Chile-Wahlen: Favorit Kast, ein Rechtsradikaler
Trotz knapper Niederlage in der ersten Wahlrunde wird Kast die zweite Runde für sich entscheiden
Der Rechtsradikale José Kast hat beste Chance, bei der Stichwahlen Mitte Dezember von einer großen Mehrheit zum chilenischen Präsidenten gewählt zu werden. Foto: Facebook Kast
Von Wolfgang Mayr
Die Sozialdemokratin Jeannette Jara erhielt im ersten Wahlgang fast 27 Prozent, der rechtsradikale Pinochet-Fan José Kast folgt wenige Prozentpunkte dahinter, 24 Prozent.
Die drei übrigen rechten Kandidaten erhielten insgesamt 46 Prozent. Im zweiten Wahldurchgang Mitte Dezember, bei der Stichwahl, wird es deshalb ein breites „Volksvotum“ für Kast geben. Nach Bolivien, Argentinien und Ecuador rückt Chile weit nach rechts, Vorbild die MAGA-USA.
Für was steht denn der deutschstämmige Kast? Er steht für ein weißes Chile, wirbt für weniger Steuern, weniger Regierung und weniger Staat, gegen Abtreibung und gegen die Einwanderung Vorbestrafter. Kast würdigt die blutige Militärdiktatur, er warb dafür, Folterer aus der Pinochet-Ära zu begnadigen.
Die Proteste 2019 gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung kritisierte Kast als Terror. Bei dem folgenden Referendum für eine neue Verfassung sprach sich Kast strikt dagegen aus. Auch deshalb, weil die Ureinwohner den Umbau des chilenischen Zentralstaates in einen pluri-nationalen Staat fordern, weil sie auf Autonomie und Landrechte drängen. Das weiße Chile setzte sich beim Referendum durch.
Nicht von ungefähr ließ Kast seine WählerInnen wissen, dass er als Präsident von der ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker „aussteigen“ wird. Wie einst sein Vorbild Bolsonaro, der inzwischen abgewählte rechtsradikale brasilianische Präsident.
Deutsch-Chilenen und ihre Nazi-Herkunft
Diese Haltung wundert nicht. Kast ist Sohn des Wehrmachtoffiziers Michael Kast Schindele aus Bayern. Schon in seiner Jugend war er in konservativen katholischen Kreisen aktiv. Auch einige seiner Verwandten gehören dem rechten politischen Lager an. Kast ist extrem migrantenfeindlich, stammt von deutschen Migranten ab.
Ein Teil dieser „Deutsch-Chilenen“ flüchtete nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chile, weil sie Nazis waren. Sie flüchteten auch deshalb nach Chile, weil es seit dem 19. Jahrhundert in Zentral-Chile einen starken deutschen Bevölkerungsanteil gibt. Um dort unerkannt unterzutauchen.
Mehr als eine halbe Million ChilenInnen stammen von MigrantInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ab. Ihr Haupt-Siedlungsgebiet befindet sich in der Großregion des Rio Bio Bio, im Land der Araukaner, der Mapuche. Die chilenischen Regierungen unterstützten die Zuwanderung aus dem deutschen Sprachraum.
Nach der gewaltsamen Unterwerfung der Mapuche 1883 öffnete der chilenische Staat das erobert Mapuche-Land für die Ansiedlung deutschsprachiger ZuwanderInnen. Die Deutsch-Chilenen raubten den Mapuche ihr Land, diese wurden in der eigenen Heimat zu Tagelöhnern und Haushaltshilfen degradiert.
In den 1930er Jahren gründeten Deutschstämmige die NSDAP/AO. Gleichzeitig wanderten aus dem Dritten Reich verfolgte jüdische Deutsche und Anti-Nazis nach Chile aus. Nach dem Zusammenbruch von NS-Deutschland wiederum suchten Nazis und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten Unterschlupf in Chile.
Colonia Dignidad und Pinochet
Zu den Migranten in den 1960er Jahren gehörte der Laienprediger Paul Schäfer mit 200 Sektenanhängern und gründete bei Parral die Colonia Dignidad in der es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen kam. Schäfer unterstützte mit seiner „Kolonie“ die Diktatur des Putschisten Augusto Pinochet. Offensichtlich war für den General die Colonia Dignidad das Vorbild für seinen Staat.
In den 1970er Jahren verließen linke Oppositionelle, darunter auch Deutschstämmige, Chile in Richtung BRD und DDR. Manche davon kehrten 1990 nach dem Ende der Diktatur wieder in ihre Heimat zurück.
Die Deutschstämmigen sind in deutschen Vereinen und Kirchen organisiert, verfügen über mehr als 20 eigene deutsche Schulen – im Gegensatz den Mapuche – die von deutschen Behörden unterstützt werden. Vermutlich der größte Teil dieser deutschstämmigen Chilenen wählt stramm rechts, lehnt die Mapuche-Forderungen nach Autonomie, Landrückgabe und Landrechte strikt ab. Präsidentschafts-Kandidat Kast ist der Ausdruck dieser Welt.
Eine Welt, zu der auch die Colonia Dignidad gehörte. In diesem „KZ“-artigen Camp wurde missbraucht, gefoltert, gemordet. Colonia-Schergen töteten auch Pinochet-Gegner. Lange stellte sich die BRD schützend vor dieses menschenverachtende Camp, Persönlichkeiten des nationalkonservativen Lagers in Westdeutschland verteidigten Schäfer und sein Projekt. Die deutsche Botschaft in Santiago hörte nicht zu, als sich Kolonie-Opfer hilfesuchend an sie wandten. Das online-Magazin Telepolis schrieb darüber: „Die juristische und parlamentarische Aufarbeitung der Verbrechen in der ehemaligen Deutschensiedlung in Chile steht aus.“
Setzt sich bei den Stichwahlen für das Präsidentenamt José Kast durch, wird es auch von chilenischer Seite keine restlose Aufarbeitung der Colonia Dignidad-Verbrechen geben. Ein Präsident Kast wird auch dafür sorgen, dass die berechtigten Forderungen der Ureinwohner Wunsch bleiben.
Kast, der Mann für das weiße Chile. Dieses Chile steht den Mapuche ablehnend bis feindlich gegenüber. In den Regionen Biobío, Araucanía und Los Ríos kritisieren indigene Gemeinschaften die staatliche Kontrolle über ihr Land und Leben sowie die ständige Kriminalisierung ihres Engagements.
Die von der linken Boric-Regierung angesetzte „indigene Konsultation“ lehnt ein Teil der Mapuche ab. Der Vorwurf lautet, diese dienen auch der staatlichen Aufsicht. Offensichtlich empfindet der Staat die Forderung nach Autonomie, Rückgabe von Land und Respekt vor der Weltanschauung der Mapuche als ein öffentliches Sicherheits-Problem.
Im Chile des José Kast wird es keine Debatte mehr geben über die Selbstbestimmung der indigenen Bevölkerung und über die Umwandlung des kolonialistisch geprägten Landes in einen plurinationalen Staat. Unter Kast wird es um die staatlich betriebene Ausgrenzung der nicht-weißen Bevölkerungsgruppen gehen.
Siehe auch:
– Die Mapuche in Chile – Kampf um Land und Rechte | Reporter | DW | 21.03.2015
– Chile ruft im Süden Notstand aus | Aktuell Amerika | DW | 12.10.2021
– Nach der Flucht: Putsch, Diktatur und der Weg zur Demokratie in Chile | Alle multimedialen Inhalte der Deutschen Welle | DW | 18.12.2017
– bpb.de – Dossier Lateinamerika – Chile – Das Erbe Pinochets
– Chile: Der Ruf nach Gerechtigkeit und Wahrheit verstummt nicht | amerika21
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