Chefin O´Neill

Sinn Fein führt nordirische Regierung an

Von Wolfgang Mayr

Die nordirischen Wählenden haben zweimal dafür gestimmt, bei den Regional– und Gemeindewahlen. Sinn Fein ist in Nord-Irland stärkste Partei. Sie ist nicht katholisch, wie sie von deutschen Medien eingeordnet wird, sondern irisch-republikanisch links-nationalistisch. Die einstigen politischen Außenseiter in der britischen Provinz geben jetzt den Takt an. 

Michelle O´Neill, Fraktionsvorsitzende von Sinn Fein im nordirischen Regionalparlament Stormont, steht der neuen Regionalregierung vor. Erstmals in der nordirischen Geschichte wird die Regionalregierung von einer irisch-republikanischen Politikerin angeführt. O´Neill steht einer Konkordanz-Regierung aus Sinn Fein und der nationalkonservativen pro-britischen DUP vor.

Monatelang blockierte die DUP die Parlamentsarbeit und die Bildung der Regionalregierung. Aus Protest gegen die Nach-Brexit-Regelung für Nordirland. Diese sieht vor, dass trotz britischen Austritts Nordirland weiterhin Teil der EU bleibt. Offensichtlich war der Druck aus London auf die DUP so stark, dass diese ihre Verweigerungshaltung aufgab.

Seit dem Good Friday Agreement von 1998, das den blutigen Konflikt zwischen den pro-irischen und pro-britischen Terrororganisationen sowie der britischen Armee beendete, stellen DUP und Sinn Fein die Regionalregierung. Sinn Fein galt als der politischer Arm der Terrororganisation IRA, bei den Verhandlungen zwischen London, Belfast und Dublin mit Washington als Paten bewährte sich Sinn Fein aber als verlässlicher Partner. Ex-IRA-Terrorist Gerry Adams führte Sinn Fein aus der politischen Schmuddelecke und schaffte es, sie zur stärksten Partei in Nordirland zu machen. Adams machte das Ende des „Konflikts“ möglich.

Adams schrieb damit Geschichte, Michelle O´Neill schreibt nun weiter. Die 47-Jährige wird nach Ende der politischen Blockade nicht nur als erste Frau zur „First Minister“ und damit zur Chefin der Regionalregierung in Nordirland gewählt werden. Mit O’Neill übernimmt auch Sinn Fein erstmals die politische Führung in der nordirischen Provinz. Fast zwei Jahre wartete die Tochter eines IRA-Mitglieds auf diese Chance. Sinn Fein war schon bei den Regionalwahlen im Mai 2022 erstmals zur stärksten Partei Nordirlands geworden und hatte das auch der Popularität ihrer Spitzenkandidatin zu verdanken, die sich als alleinerziehende Mutter gegen viele Widrigkeiten bis an die Spitze ihrer Partei hochgearbeitet hat.

Die pro-britischen erzkonservativen Unionisten der Democratic Unionist Party (DUP) verhinderten die Regierungsübernahme durch Sinn Fein. Sie weigerten sich, an der Regierung teilzunehmen. Die gemeinsame Regierung die zwei stärksten pro-irischen und pro-britischen Parteien ist nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 Voraussetzung für die Bildung der Regional-Regierung. Grund für den Boykott der DUP – wie bereits erwähnt – waren die Nachwirkungen des Brexits, der Nordirland wirtschaftlich im EU-Binnenmarkt verankerte, obwohl die Provinz politisch Teil des Vereinigten Königreichs ist. Für die DUP die Blaupause für die irische Wiedervereinigung. Und sie ist greifbar.

Sinn Fein liegt laut jüngsten Meinungsumfragen in der Republik Irland deutlich vor den anderen Parteien, in Nordirland ist sie bereits stärkste Kraft. Das Karfreitagsabkommen sieht eine Volksabstimmung für die Wiedervereinigung mit der Republik Irland vor. Die Chancen dafür schätzt Sinn Fein als positiv ein. Hundert Jahre nach der Teilung der Insel wird die Vereinigung real. „Dies bringt die Wiedervereinigung Irlands zum Greifen nahe“, kommentierte in Dublin Mary Lou Mac Donald, Vorsitzende der gesamtirischen Sinn Fein.

Sinn Fein begründete mit ihrem Osteraufstand 1916 die irische Republik. Seit den irisch-britisch-nordirischen Friedensverhandlungen und der offiziellen Auflösung der IRA entwickelte sich Sinn Fein pragmatisch in die politische Mitte. Aus den linken Revolutionären scheinen Sozialdemokraten zu werden. Treu blieb sich Sinn Fein in ihrer unverbrüchlichen Solidarität mit den Palästinensern. Die „Times of Israel“ wirft deshalb Sinn Fein vor, offen antisemitisch zu sein. Wahrscheinlich zur Freude der britischen Gegner einer irischen Wiedervereinigung.

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