15-10-2021
Bundestagswahl 2021: Von wegen „saubere Energie“ – Atomkraft trifft indigene Völker weltweit
Nach der Bundestagswahl 2021 haben die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP begonnen. Jetzt wird es konkret: Die Parteien müssen sich auf zentrale Politiken der nächsten Jahre einigen. Bei den divergierenden Positionen der Parteien kommt dem zu verhandelnden Koalitionsvertrag große Bedeutung zu. 2017 umfasste der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD 175 Seiten.
Durch gezielte Einflussnahme bietet sich nun ein „Window Of Opportunity“, um auf die Verhandlungsteams Einfluss zu nehmen und für den Minderheitenschutz, den Schutz der bedrohten Völker weltweit und den Menschenrechten im Allgemeinen wichtige Positionen einzubringen, an denen sich die nächste Regierung wird messen lassen müssen.
In den nächsten Tagen wird VOICES einige Schwerpunkte anführen, die in einen Koalitionsvertrag gehören:
Bundestagswahl 2021: Anerkennung des Genozids an den Yeziden
Bundestagswahl 2021: Aufnahme der Minderheiten ins Grundgesetz
Bundestagswahl 2021: Ein Europäisches Lieferkettengesetz, das den Namen verdient
Bundestagswahl 2021: Waffenexporte europaweit regulieren
Von wegen „saubere Energie“ – Atomkraft trifft indigene Völker weltweit
Von Jan Diedrichsen
Derzeit spricht in Brüssel alles über den Green Deal. Die vereinbarten Klimaziele der EU sind nur mit enormen Kraftanstrengungen zu schaffen. Immer lauter werden dabei die Rufe nach einem (stärkeren) Einsatz der Atomkraft, als eine relativ immissionsfreie Energiegewinnungstechnologie. Es ist derzeit viel von einer „Wette auf die Zukunft“ zu hören. Wird sich Deutschland mit seinem Ausstieg aus der Atomkraft durchsetzen, oder kommt es mit der sich weiter entwickelnden Technologie zu einer Renaissance der Atomkraft?
Ohne hier auf den Sinn oder Unsinn der Investition in eine Hochrisikotechnologie eingehen zu wollen, wird doch ein Punkt immer wieder geflissentlich übersehen: Etwa 95 Prozent des in der EU verbrauchten Urans wird importiert. Abgebaut wird dieses sehr häufig im Siedlungsgebiet Indigener Völker. Vielleicht wäre es daher eine gute Idee, sich anzusehen und anzuhören, was die Bewohner:innen in den Uranabbauregionen meinen und ob sie überhaupt daran interessiert sind, weiter die Uran-Lieferanten der Welt zu spielen. Ich verrate kein Geheimnis: Der Kampf der Indigenen Völker gegen die skrupellose Ausbeutung ihrer Gebiete läuft seit Jahrzehnten. Bislang hat sich meist die Uranindustrie durchgesetzt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, zumeist.
Es kann daher nur verwundern, wenn in einem Offenen Brief, den die Welt veröffentlicht hat, „führende internationale Umweltschützer“ die Deutschen nun auffordern, den Atomausstieg zu verschieben und die verbleibenden Kernkraftwerke nicht abzuschalten. Es hätten den Umweltschützer:innen gut zu Gesicht gestanden, die zentrale Frage der Indigenen Völker und des Uranabbaus mit zu thematisieren.
Emmanuel Macron verkündet bereits eine Renaissance der Atomkraft, die er mit vielen Milliarden Euro subventionieren will. Zehn EU-Staaten haben sich zusammengetan und fordern die Atomkraft als festen Bestandteil des zukünftigen EU-Strommixes.
Die GfbV hat dies kürzlich in einer Pressemitteilung „Indigene sind Hauptopfer der Brennstoffkette -Klima: Taxonomie darf keine Hintertür für Atomkraft werden“ kritisiert.
Ein Großteil des Urans wird auf dem Land der Dene und Cree in Kanada sowie der Aboriginal Australians gefördert – in der Regel gegen deren Willen. Etwa 95 Prozent des in der EU verbrauchten Urans wird importiert. Die Importe stammen aus Russland (19,8 Prozent), Kazakhstan (19,6 Prozent), Niger (15,3 Prozent), Australien (14,4 Prozent), Kanada (11,5 Prozent) und Namibia (9,6 Prozent).
In Kanada wird Uran seit Jahrzehnten im Norden der Provinz Saskatchewan abgebaut: Seit Beginn des Uranbergbaus gibt es Widerstand von den dort lebenden First Nations Dene und Cree, die ihre Landrechte verletzt sehen.
In Australien sind Aboriginal-Völker vom Uranbergbau betroffen. Mehrere (inzwischen teilweise geschlossene) Uranbergwerke liegen auf dem Gebiet von Aboriginal-Völkern, deren Landrechte missachtet wurden. Die Mirarr, auf deren traditionellem Gebiet das Ranger-Uranbergwerk liegt, klagen seit Jahrzehnten über massive Auswirkungen auf die Gesundheit.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Für die neue Bundesregierung muss daher gelten: Kein Ausstieg aus dem Ausstieg – Deutschland schaltet die Atomkraftwerke wie geplant ab und setzt sich in Deutschland und der EU mit voller Kraft für den Ausbau der erneuerbaren Energien ein. Ferner macht sich die Bundesregierung in der EU und allen relevanten internationalen Institutionen für die Rechte der Indigener Völker stark, die seit Jahrzehnten unter dem Uranabbau leiden.
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