14-05-2025
Afrika – Sezessionistische Bewegungen stellen die Kolonialgrenzen in Frage (1)
Die Tutsi in Ruanda und die Tutsi im östlichen Kongo sind nicht der einzigen, die zusammenwachsen wollen. Die Kolonialgrenzen verhindern dies

Das Standard-Werk über die sezessionistischen Bewegungen in Afrika. Foto: African borderland studies
Von Wolfgang Mayr
Der wohl bekannteste Aufstand gegen ein post-koloniales Gebilde war jener der Ibos in Nigeria. In den Endsechzigern wollten sie sich aus dem nigerianischen Staatsverband lösen. Die “entkolonisierte” nigerianische Polit-Klasse schlug in Kooperation mit der alten Kolonialmacht Großbritannien und dem Sowjet-Imperium das Ibo/Igbo-Aufbegehren blutig nieder.
Aus den protestierenden Studentengruppen in Deutschland entstand damals die GfbV.
Später folgten den Ibos der Süd-Sudan, Darfur, Tigray und Oromia, die Tuaregs in den Sahelstaaten, die Westsahara, das Somali-Land, die Liste des Aufbegehrens, der Emanzipation ist lang, belegte eine Recherche der katalanischen NGO Ciemen und der katalanischen Linken ERC.
Derzeit sorgen die marodierenden Mitglieder der M23-Miliz im östlichen Kongo – unterstützt von Ruanda – für große Sorgen nicht nur in Afrika. Die von den Tutsi getragene Miliz verjagte die aus Ruanda geflüchtete FDLR (“Demokratische Kräfte zu Befreiung Ruandas”). Eine Nachfolgeorganisation der Hutu-Täter des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda 1994.
Die FDLR praktizierte im östlichen Kongo unter der Schirmherrschaft der kongolesischen Armee eine genozidale Politik wie in Ruanda, vertrieb die Tutsi-Bevölkerung, Kriegsverbrechen waren an der Tagesordnung. Ähnlich verhält sich seit ihrem Vormarsch auch M23, Mädchen und Frauen werden massenhaft vergewaltigt, mit Massakern versucht M23 den Hutu-Widerstand zu brechen. Während über diese Kriegsverbrechen immer wieder zurecht berichtet wird, sorgte die FDLR-“Politik” kaum für Kritik.
Es geht in diesem schmutzigen Krieg zweifelsohne um die begehrten Bodenschätze im Ost-Kongo, Bei dem Konflikt geht es auch um den Kampf um Bodenschätze wie Gold, Diamanten, Coltan, Kobalt. Rohstoffe, auf die die autoritären Staaten scharf sind und die sich autoritär wandelnde USA. Die Trump-USA will den garantierten Zugriff und garantiert gleichzeitig für die Sicherheit und die staatliche Integrität des Kongo.
Deutlicher kann eine Absage an den Wunsch der Tutsi gar nicht sein, ihre kongolesischen Siedlungsgebiete an Ruanda anzuschließen. Die Entkolonisierung der Kolonial-Grenzen in Afrika bleibt weiterhin tabu. Gewollt von den Mächtigen der Welt von Washington über Moskau bis Peking.
Sezession gegen inneren Kolonialismus
Sezessionsbewegungen gibt es seit der Entkolonialisierung in den 1960er und 1970er Jahren. Einige entstanden in Gebieten, die im Zuge der Entkolonialisierung von Nachbarländern besetzt oder annektiert wurden: Westsahara, Namibia oder Eritreas – die beiden letzteren spalteten sich in den 1990er Jahre nach kostspieligen Kriegen von Südafrika und Äthiopien ab.
Der afrikanische Sezessionismus ist komplex. Seine Befürworter berufen sich auf das Recht auf Selbstbestimmung, die Sezessionsforderungen sind meist Folgen politischer Unzufriedenheit sowie wirtschaftlicher Marginalisierung, formulieren es die Wissenschaftler Schomerus, Englebert und De Vries.
Die Staaten reagieren auf die sezessionistischen Forderungen mit einem „beeindruckenden Repertoire”, analysieren Schomerus, Englebert und De Vries. Es reicht von Razzien, Verhaftungen, über die Kontrolle der Rohstoffe und der Medien. Manchmal sponsoren Regierungen sezessionistische Gruppierungen, um die Sezessionsbewegung zu spalten, berufen Sezessionisten in Spitzenämter oder initiieren Investitionen in den sezessionistischen Gebieten.
In wenigen Fällen führt dies zu Dezentralisierungs- oder Autonomievereinbarungen und noch viel seltener zu Selbstbestimmungsreferenden, wie im Fall von Eritrea oder dem Südsudan. Der Preis für beide Länder waren jahrzehntelange – äußerst blutige – Kriege. Während Eritrea in der Autokratie erstarrt ist und mit Äthiopien Krieg gegen Tigray führte, scheiterte der Süd-Sudan mit seiner Eigenstaatlichkeit.
Die Ursachen für sezessionistischen Forderungen sind vielfältig. Genauso die Bedingungen, die die Entstehung einer substaatlichen nationalen Bewegung in diesen Staaten begünstigen. Beispielsweise die Existenz einer separaten Verwaltungsregion vor der kolonialen Unabhängigkeit, wie im Fall von Südkamerun, Südsudan, Somaliland oder das senegalesische Casamance.
Siehe auch:
– Ciemen-Report über den afrikanischen Sezessionismus
– Sezessionsbestrebungen in Afrika
– Separatistische Bewegungen in Afrika
– Das Erbe des Kolonialismus
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