„Zwischen den Machtblöcken: Europas Entscheidung“

Von den autoritären Regimen geht eine wachsende Bedrohung aus. Auch die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. In seiner Kolumne schreibt Jan Diedrichsen, dass die kommende Zeit entscheidet, ob Europa seine Souveränität und Freiheit behalten wird.

Von Jan Diedrichsen

Die Weltpolitik gleicht einem Sturm, der unaufhaltsam auf uns zurollt. Krieg in der Ukraine, Spannungen zwischen Großmächten und der Aufstieg autoritärer Regime lösen Angst und Frustration aus. Doch Rückzug ins Private oder der alleinige Fokus auf lokale Themen sind keine Antwort. Dieser Sturm zieht nicht einfach vorbei. Wir stehen an einem Epochenbruch, der aktives Handeln und klare Positionierung verlangt.

Die Münchner Sicherheitskonferenz machte deutlich: Die vom Westen dominierte Weltordnung wankt. Die USA wollen nicht länger Europas uneingeschränkter Schutzpatron sein. Dass diese Botschaft ausgerechnet in München verkündet wurde – jener Stadt, in der 1938 das Appeasement gegenüber Hitler scheiterte –, ist bittere Ironie. Donald Trump sucht offen den Bruch mit Europa. Seine Rückkehr ins Weiße Haus gefährdet nicht nur die NATO, sondern auch Europas geopolitische Position. Die Vorstellung, dass Washington und Moskau über die Ukraine verhandeln, während Europa und die Ukraine selbst am Rand stehen, ist erschreckend – und dennoch realistisch.

Der Historiker Herfried Münkler beschreibt in seinem Buch „Welt in Aufruhr“, wie die alte Weltordnung zerfällt. An ihre Stelle treten regionale Einflusszonen, dominiert von fünf Großmächten. Europa muss wählen: Entweder es verteidigt seine Interessen eigenständig – notfalls mit nuklearer Abschreckung – oder es droht, zwischen den Rivalen USA, China und Russland zerrieben zu werden. Putins Konzept von Russki Mir zeigt klar: Sein Expansionsdrang endet nicht an der ukrainischen Grenze. Er strebt ein Europa in Einflusszonen an – mit allen Folgen für Freiheit und Sicherheit.

Doch die Gefahr lauert nicht nur von außen. Innerhalb Europas untergraben Regierungen in Ungarn und der Slowakei demokratische Werte. Gleichzeitig kämpfen die Menschen in Georgien für Freiheit und Annäherung an Europa – doch ihre Proteste finden hier kaum Beachtung. Hunderttausende riskieren ihre Freiheit und manchmal ihr Leben, während Europa weitgehend schweigt. Das gefährdet die Einheit Europas ebenso wie externe Bedrohungen.

Die Historikerin Anne Applebaum zeigt in „Autocracy, Inc.“, wie autoritäre Regime – auch jene aus Europa – weltweit kooperieren, um Demokratien zu destabilisieren. Nicht Ideologie verbindet sie, sondern der Wille zur Macht und persönlichem Profit. Sie nutzen globale Finanzsysteme, um ihre Herrschaft zu sichern und Opposition zu unterdrücken. Applebaum warnt: Diese Netzwerke bedrohen die liberale Demokratie – und verlangen eine koordinierte Antwort der freien Staaten.

Die Lösung liegt nicht im Rückzug. Demokratische Werte müssen aktiv verteidigt werden – politisch, militärisch und durch das Engagement jedes Einzelnen. Unser Vorteil: Meinungsfreiheit und die Möglichkeit, Politik mitzugestalten – nicht zuletzt durch eine kritische Presse. Doch diese Freiheiten sind nur so stark wie unser Wille, sie zu nutzen.

Die kommende Zeit entscheidet darüber, ob Europa seine Souveränität und Freiheit bewahrt. Es liegt an uns, die Zeichen der Zeit zu erkennen – und zu handeln.

Wer glaubt, Minderheitenpolitik ohne demokratische Freiheitsrechte in Europa bewahren zu können, irrt. In diesen epochenmachenden Zeiten ist Weltpolitik auch Minderheitenpolitik.

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