17-02-2025
„Wir müssen uns vor dem Vaterland schützen“
Historiker Hans Heiss hätte bei einem freiheitlichen österreichischen Bundeskanzler schwarzgesehen. Denn, Südtirols Freunde stehen nicht rechts
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Hans Heiss. Foto: Alexander Wallnöfer, CC BY 3.0
Von Wolfgang Mayr
Nicht zu Unrecht. Damit steht Heiss nicht alleine da. So kanzelte in seinem „Standard“-Kommentar Hans Rauscher eine ganze Reihe freiheitlicher Programm-Punkte für die – inzwischen gescheiterte, weil geplatzte – künftige österreichische Regierungskoalition ab. Er nannte sie „verrückte Forderungen“, besonders die Zurückholung Südtirols über die Anerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die echten Südtiroler.
Die Doppelstaatsbürgerschaft, in Südtirol nicht nur ein Thema der Südtiroler Rechtsparteien, sondern auch ein Anliegen der SVP und ihrer Bürgermeister. Sonderlich ernst betrieben wurde dieses Anliegen aber nicht.
Während die Zentrumsparteien zwischen ÖVP und Neos die Autonomie-Politik der SVP unterstützen, hielten und halten die Freiheitlichen immer am Recht auf Selbstbestimmung fest. Immerhin ist das Recht auf Selbstbestimmung auch im Statut der SVP verankert.
Die Austrofaschisten und Südtirol
Wie ernsthaft sind die freiheitlichen Südtirol-Forderungen? Die geistig-politischen Vorväter der Freiheitlichen, die Austro-Faschisten und die Nazis, waren allesamt keine Südtirol-Freunde.
Austrofaschistisch war die Ära von 1933 bis 1938, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß errichtete einen „Ständestaat“ und ging gewaltsam gegen die Sozialdemokratie, Kommunisten und die Gewerkschaften vor. Manche Historiker präzisieren und verwenden den Begriff Klerikalfaschismus, paktierten doch die katholische Kirche und die rechtskonservativen Parteien.
Dieser österreichische rechtsrechte und antisemitische Ständestaat stand im Bündnis mit dem faschistischen Italien. In den „Römischen Protokollen“ sicherte der faschistische Diktator Benito Mussolini Österreich wirtschaftliche Hilfe zu, um den Einfluss des nationalsozialistischen Deutschlands einzudämmen.
Zu den Partnern in diesem Fascho-Verbund zählt auch das Ungarn der Pfeilkreuzler. Eine doch überraschende Ähnlichkeit mit der heutigen Lage. In Ungarn und in Italien regieren rechtsrechte Parteien, Österreich stand kurz bevor, von den Freiheitlichen übernommen zu werden.
Das faschistische Italien der 1930er Jahre, seit 1922 verfolgte der Staat eine radikale Politik der „Entnationalisierung“ der Südtiroler:innen, agierte als Schutzmacht für das klerikalfaschistische Österreich. Im Gegenzug schwieg Kanzler Dollfuß, für ihn war das schikanierte Südtirol kein politisches Thema.
„Geben wir den Italienern das Land …“
Dollfuß warb kurz vor Kriegsende 1918 für einen Kompromissfrieden mit Italien. „Geben wir den Italienern das Land bis zur Salurner Klause. Es war ja der ewige Zankapfel zwischen Österreich und Italien,” eine Dollfuß-Aussage, belegt in einem Dokument des Österreichischen Staatsarchivs. Dollfuss meinte damit das italienischsprachige Trentino, das begehrte Objekt national-italienischer Begierde.
In seiner Amtszeit erhob Dollfuss seinen Land-Sager zu seinem Leitmotiv. Geben wir den Italienern das Land vom Brenner bis zur Salurner Klause, war wohl seine Überlegung und im Tausch erhielt Österreich den faschistischen Schutz gegen den nationalsozialistischen Nachbarn.
Ähnlich wie Dollfuss hielt es auch der deutsche “Volkskanzler” Adolf Hitler. Er und seine NSDAP proklamierten in ihren Anfängen die “Heimholung” “aller Deutschen”. Deutsche, die seit der Niederlage im Ersten Weltkrieg außerhalb der deutschen Staatsgrenzen lebten, in der neuen Tschechoslowakei, in Ungarn, in Rumänien, in Polen, in Italien, usw.
Für Südtirol galt diese NS-Maxime aber nur bis 1922, damals putschte sich Benito Mussolini an die Macht. Hitler suchte offensiv die Nähe zum Duce, kopierte erfolgreich sein Tun. Erst in den späten 1930er Jahren gelang es Hitler, auch weil die westeuropäischen Demokratien Front machten, mit dem faschistischen Italien einen Bund zu schließen. Den “Stahlpakt”.
Hitler gegen Südtirol
Für diesen Pakt opferte Hitler Südtirol. Schon 1924 formulierte im Auftrag Hitlers sein Beauftragter Hermann Görin in einem Memorandum den “Verzicht auf die Deutschen in alto adige”. Am 9. März 2006 berichtete die Tageszeitung “Dolomiten” über die Entdeckung dieses Memorandums. Dieses mündete in den Optionsvertrag von 1939, in die “Aussiedlung” der Südtiroler:innen ins “Großdeutsche Reich”. Hitler brandmarkte Südtirol-Freunde, besonders die Sozialdemokratie, als Agenten des “internationalen Judentums”, also als zu verfolgende Feinde Deutschlands.
Trotzdem hielten damals viele Südtiroler den Nazis die “Treue”, engagierten sich im nationalsozialistischen “Völkischen Kampfring”, jagten 1939 Dableiber, die sich gegen die “Aussiedlung” wehrten, beteiligten sich an der Verfolgung der Meraner Juden durch die 1943 entstandenen Nazi-Behörden in der Operationszone Alpenvorland. Der Rest der braunen Geschichte in Südtirol ist bekannt.
Was ist also, mit dieser Geschichte im Hintergrund, von den FPÖ-Forderungen nach Südtiroler Selbstbestimmung zu halten?
Als “Volkskanzler” hätte Kickl wahrscheinlich mit seinen Kumpanen paktieren, mit dem Serben Vucic, dem Ungarn Orban, dem Slowaken Fico und dem Russen Putin. Er wird wohl auch die Nähe zur politischen Enkelin von Benito Mussolini, Giorgia Meloni, suchen. Südtirol ist dabei nur im Weg.
Nicht von ungefähr sagte Hans Heiss, der ehemalige Landtagsabgeordnete und Historiker, im Grantler-Gespräch auf barfuss, dass sich dann Südtirol vor der österreichischen Schutzmacht schützen muss.
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