07-07-2024
Weggesperrt
Die Erdogan-Türkei und ihr starker Arm
Von Wolfgang Mayr
Nach ihrem siegreichen aber unschönen EM-Spiel gegen Österreich zeigte der türkische Totschütze Merih Demirel den „Wolfsgruß“. Die türkische Variante des Hitler-Grußes. Demirel versteht sich als stolzer Türke. Mit dem „Wolfsgruß“ begrüßen sich die Mitglieder der „Grauen Wölfe“, eine faschistische Organisation.
Während die kurdische PKK in Deutschland verboten ist, weil angeblich terroristisch, dürfen sich die „Grauen Wölfe“ und ihre 18.000 Mitglieder frei bewegen. Sie vertreten eine antidemokratische, antisemitische und rassistische Ideologie. Die “Grauen Wölfe” werben für ein großtürkisches Reich und sehen Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele an, meist gerichtet gegen Kurd:innen und andere Minderheiten-Angehörige. Auf ihr Konto gehen unzählige tödliche Angriffe gegen türkische Oppositionelle.
Die “Grauen Wölfe” sind Bündnispartner des islamistischen Präsidenten Erdogan, der auch an einem großtürkischen Reich bastelt, Aserbaidschan mit Waffen gegen Armenien versorgte, die klerikal-faschistische Hamas in Gaza unterstützt und in Deutschland versuchte, bei den Europawahlen mit der Liste “Dava” – Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch – mitzumischen. Der Grüne Max Lucks nannte die Erdogan-Liste eine türkische Version der AfD.
Deutschland ist eine Art türkischer Vorhof, die Partei “Dava”, die “Grauen Wölfe”, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion “Ditip”, die die Moscheen der türkischen Community im Auftrag Ankaras koordiniert und kontrolliert, Clans, die türkische Stadtviertel und deren Menschen beherrschen. Eine Parallelgesellschaft, an der kurzen Leine Erdogans, die Dissens nicht erlaubt, die gegen angebliche Feinde der Türkei rabiat vorgeht. Vor den Augen des liberalen Deutschlands.
Weil Erdogan angeblich gebraucht wird. Als NATO-Partner, der aber ungeniert mit Russland als “Vermittler” paktelt, genauso mit der Volksrepublik China, inzwischen mit dem mörderischen Assad-Regime gegen die Kurden in Rojava, ein Teil Zyperns noch immer besetzt hält und in Bosnien islamistische Extremisten unterstützt.
Krieg gegen Rojava
Die Luftwaffe des NATO-Staates Türkei attackiert immer wieder Ziele in Nord-Syrien, in der “Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien“ AANES. Anlässlich der Kommunalwahlen vom 11. Juni 2024 bombardierten türkische Drohnen Stellungen der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), zivile Einrichtungen und Fahrzeuge von Rettungsorganisationen. Putin lässt grüßen.
Die GfbV wirft Erdogan vor, islamistische Gruppierungen wie die Hamas, die Taliban, den IS oder die Muslimbrüder zu fördern. Deren Opfer sind Kurden, aber auch Angehörige der yezidischen, alevitischen und christlichen Religionsgemeinschaften. Hunderttausende wurden vertrieben. In den besetzten Gebieten Nordsyriens installierte Ankara eine türkische Besatzungsmacht, die sich auf radikal-islamistische Strukturen stützt. Diese sind für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich, erinnert GfbV-Nahost-Experte Kamal Sido.
Im eigenen Land lässt das Erdogan-Regime Kurden verfolgen, nicht nur die “PKK-Terroristen”, sondern auch demokratisch gewählte Bürgermeister. Sie werden kurzerhand abgesetzt, weil – so der konstruierte Vorwurf – PKK-Sympathisanten. Das Regime stellt mehrheitlich kurdische Gemeinden unter staatliche Zwangsverwaltung. Dieser NATO-Staat soll “westliche” Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen? Gegen wen?
Erschreckend sind auch die letzten Urteile gegen demokratische prokurdische Politiker. Der türkische Präsident Erdoğan schaltet laut GfbV gezielt politischen Gegner aus. Mit diesen Urteilen soll besonders die kurdische Bevölkerung eingeschüchtert werden.
Demirtas muss büßen
Der seit 2016 verhaftete Ex-Vorsitzende der prokurdischen HDP, Selahattin Demirtaş, wurde zu 42 Jahren Haft verurteilt. Die frühere Ko-Vorsitzende der HDP, Figen Yüksekdag, wurde zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt. Selahattin Demirtaş war vor seiner Verhaftung einer der stärksten politischen Konkurrenten des amtierenden türkischen Präsidenten.
Schon 2020 wurde vom Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Freilassung von Demirtaş angeordnet. Die türkische Regierung scherte sich nicht darum und manifestierte einmal mehr, dass für sie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit keine Option sind.
Die sogenannten Kobane-Prozesse sind eine politisch motivierte juristische Reaktion auf Proteste von 2014, zu denen die HDP aufgerufen hatte. Bei den Protesten wurde die türkische Armee dafür kritisiert bei der Belagerung der syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane durch Daesh (der Islamische Staat) tatenlos zuzuschauen. Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara legt den Twitter-Beitrag als Aufruf zu Gewalt aus.
Und dieser Staat ist Mitglied der NATO.
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