10-01-2025
Trump und Quebec
Die francophone kanadische Provinz möchte nicht von den USA annektiert werden.
Von Wolfgang Mayr
Make America Great Again, die Maga-Ideologie von Donald Trump, nimmt konkrete Formen an. Trump will sich nicht nur das autonome Grönland – wenn notwendig militärisch – einverleiben, sondern auch Panama – genauer den Kanal – und das nördliche Nachbar-Land Kanada.
Entrüstete Reaktionen waren die Folge, die “offiziellen” Grönländer winkten ab, auch Panama hält vom neuen Gringo-Imperialismus nichts. In Kanada ist die Verwunderung nicht weniger groß. Das große Kanada, 51. Bundesstaat der USA? Trump-Berater Elon Musk, neben dem Präsidenten der mächtigste Mann der USA, ohne Wahl, kanzelte der kanadischen Premier Trudeau und seinen Annexions-Widerspruch ab. Hey Mädchen, “textete” Musk auf seinem “X”.
Ob die kanadische Einheitsfront hält? Möglicherweise laufen die kanadischen Konservativen und Reaktionäre mit wehenden Fahnen zu Trump über. Wie die US-Internet-Kapitalisten, lange – verbal – Alliierte der Demokraten.
Im möglichen kanadischen MAGA-Chor fehlt Quebec, die auf Eigensinn setzende französischsprachige Provinz. Seit 2006 gilt Quebec als “Nation in einem vereinten Kanada“ mit Französisch als offizielle Amtssprache. Fast 80 Prozent der Bevölkerung sind französischsprachig.
Unabhängiges Quebec
Seit den frühen 1960er Jahren werben Separatisten für eine Loslösung von Kanada, für einen eigenen Staat Quebec. Beim ersten Unabhängigkeits-Referendum 1980 votierten fast 60 Prozent der Quebecer für den Verbleib bei Kanada, beim zweiten Referendum 1995 konnten sich die Loyalisten nur mehr äußerst knapp durchsetzen. Die kanadische Bundesregierung versuchte über eine “liberal” gehandhabte großzügige Einbürgerung in Quebec das loyalistische Lager zu stärken.
1998 legte der Oberste Gerichtshof unmissverständlich fest, dass Provinzen sich nicht einseitig unabhängig erklären dürfen. Eine hohe Hürde.
Das Höchstgericht von Quebec hingegen bestätigte das landeseigene Gesetz zur Selbstbestimmung. Die Richter klärten auf, dass es sich nicht um eine einseitige Erklärung der Unabhängigkeit handelt, sondern um die Einleitung von Verhandlungen zwischen der Bundes- und der Provinzregierung.
Im Parlament von Quebec vertritt der Parti Québécois von René Lévesque den Separatismus, derzeit nur eine kleine Fraktion, in der Hochphase des Separatismus kreuzten mehr als 40 Prozent der Quebecois den sozialdemokratischen PQ an. Trotz der “Volatilität” des Parti Quebecois bockt die Provinz gegen die Vereinnahmung. So wurde die Verfassung von 1982 noch immer nicht ratifiziert, genausowenig das Meech Lake Abkommen von 1987, Verfassung und Abkommen kamen Quebec weit entgegen, zu wenig weit, deshalb die Ablehnung. Auch die First Nations opponierten dagegen.
Quebec gegen Trump
Die Provinz Quebec reagierte deshalb auch harsch ablehnend auf die Trump-Pläne. So schreibt Michel David, in der Tageszeitung “Le Devoir”, dass die Legault-Regierung verpflichtet ist, die Grenze zu den Vereinigten Staaten zu sichern. Tatsächlich patroulliert die Sûreté du Québec – die eigene autonome Polizei – an der Grenze zu den USA.
Ministerpräsident Legault formulierte seine Erwartung an die kanadische Bundesregierung: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Visavergabe deutlich verschärft und ihrerseits alle notwendigen Maßnahmen ergreift.”
Legault appellierte an die Quebecer, sind nicht am Trump-Spiel zu beteiligen. Ein kühler Kopf ist notwendig, ergänzte der ehemalige Separatist und erinnerte die USA daran, dass sie auf Aluminium-Importe aus Quebec angewiesen sind. Darauf Zölle zu erheben, wie Trump angekündigt hatte, verteuert das von der US-Industrie dringend benötigte AIuminium.
Eines erreichte Trump bereits, die Provinzen sind sich uneins darüber, wie sie auf die angekündigte feindliche Übernahme reagieren sollten. Diplomatisch oder widerständisch? Der Premierminister von Ontario, Doug Ford, ein konservativer Unternehmer, verfolgt eine harte Linie: Kanada soll den US-Amerikanern den Strom abdrehen. Jean-Francoise Lisse vom “Le Devoir” findet, dass die Expansionsgelüste des neuen US-Präsidenten die Existenz Kanadas bedrohen. Lisse fordert zum Widerstand gegen den US-Despoten auf.
Ein drittes Unabhängigkeitsreferendum?
Der neue Vorsitzende des Parti Quebecois, Paul St-Pierre Plamondon, kündigte vorbeugend gegen den Trump-Wahn ein drittes Unabhängigkeitsreferendum an. Die Separatisten können eine lange Tradition bürgerlichen Ungehorsams aufweisen. Dazu zählen die Referenden und der erneute Versuch, wieder in die Quebecer Regierung zu kommen.
In den separatistischen Kreisen fragt man sich, ob sich eine Trump-Regierung gegen ein unabhängiges Quebec wenden wird. Die bisherigen US-Regierungen hielten sich vordergründig zurück, mischten sich nicht offiziell in die inneren kanadischen Angelegenheiten ein.
Anlässlich des Referendums von 1995 konnte sich US-Botschafter James Blanchard mit einer Ansage nicht zurückhalten. Es gibt keine Garantie, warnte er die Separatisten, dass ein unabhängiges Quebec automatisch dem Freihandelsabkommen oder Organisationen wie NATO und NORAD beitreten können. So ähnlich tönte es im Vorfeld des schottischen und des katalanischen Unabhängigkeitsreferendum.
US-Außenminister Warren Christopher ließ zehn Tage vor der Abstimmung Quebec wissen, dass die Beziehungen der USA zu einer ehemaligen kanadischen Provinz nicht unbedingt dieselben sein würden wie zuvor.
Auf dem Forum der Föderationen 1999 stellte sich auch US-Präsident Bill Clinton hinter die kanadische Einheit. Er beschwor und würdigte den kanadischen Föderalismus als Gegenentwurf zum Quebecer Separatismus.
Quebec, Kuba des Nordens?
Eine Einmischung allemal, aber immerhin in ziviler Form. Donald Trump wird wohl völlig anders reagieren. Ein linkes Quebec wäre wohl ein nördliches Kuba hinter den Großen Seen. Trump versteht wahrscheinlich auch nicht die Beweggründe der Quebecer, ihre nationale Identität bewahren zu wollen.
Andererseits ist Quebecs Wirtschaft eng mit der US-Wirtschaft verflochten. Die US-Industrien sind auf den Strom aus Quebec angewiesen. Strom aus Wasserkraft, dafür wurde viel Land der Frist Nations überflutet, sie kurzerhand umgesiedelt. Übler Quebecer innerer Kolonialismus. Die autochthonen Völker werfen Quebec vor, ihnen die Selbstverwaltung vorzuenthalten, sie zu verweigern. Das Verhältnis zwischen den Nachfahren der Ureinwohner und der französischen Siedler ist stark belastet.
Das ökonomische Argument ist nach wie vor das mit Abstand wirksamste Argument des föderalistischen Lagers. Die einen Rückgang ihres Lebensstandards in einem unabhängigen Quebec befürchten, könnten zu dem Schluss kommen, dass es besser ist, in Kanada zu bleiben, wie unvollkommen es auch sein mag, als sich dem Zorn von Trump auszusetzen.
Schutzschild Kanada?
In Quebec wird aber auch die MAGA-Strahlkraft gefürchtet. Nicht nur die Separatisten befürchten, dass der Trump-Wahlsieg Pierre Poilievre und seine Konservativen befeuern wird. Die Wähler in Kanada könnten versucht sein, der amerikanischen Wählerschaft nachzueifern.
Eine Umfrage ergab, dass 38 Prozent der Kanadier Poilievre geeigneter finden, mit Trump zu verhandeln. Das macht deutlich, kommentierte das Journal de Montreal, wie sehr Kanada und Quebec für US-Ideen empfänglich sind. “Wir werden daher einem mächtigen ultrakonservativen und sogar faschistischen Druck ausgesetzt sein,” warnt das Journal de Montreal.
Kanadische Exporteure werden auch von der neuen US-Wirtschaftspolitik erheblich benachteiligt sein, warnt das Journal. Einige von Trumps Beratern betrachten die kanadischen und die Quebecer sozialen Sicherheitsnetze als unfairen Wettbewerb.
Siehe auch: Regierung von Quebec, Bremer Institut für Kanada und Quebec-Studien, Le journal de Montreal, Quebec-Studien Universität Augsburg, First Nations & Meech Lake Agreement, EFA for Quebec,
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