12-03-2025
Syrien-Rojava: Die Kurden geben auf
Die nordsyrische Autonomieregion löst sich auf und unterstellt sich Damaskus

Auf diese Landkarte gibt es sie noch, die nord-ost-syrischen Autonomieregion. Sie soll aufgelöst und dem syrischen Zentralstaat eingegliedert werden. Foto: laffcharity.org.uk
Von Wolfgang Mayr
Hintergründe dafür wird es viele geben. PKK-Gründer Öcalan rief seine Parteigänger:innen auf, den “bewaffneten Kampf” aufzugeben. Die PKK kündigte einen einseitigen Waffenstillstand an.
Trotzdem lässt der türkische Staatspräsident Erdogan kurdische Regionen im Irak und in Syrien von seiner Luftwaffe weiterhin bombardieren. Er hält auch an seinem Ziel fest, das türkisch-syrische Grenzgebiet von “Kurden zu säubern”.
Die bisher verbündeten US-amerikanischen Truppen in Nord-Syrien, Partner der Kurden im Kampf gegen den IS, will Präsident Trump abziehen. Die Kurden sind dann der hochgerüsteten türkischen NATO-Armee ausgeliefert.
Schon unter Diktator Assad suchten die Kurden staatliche Hilfe gegen die türkischen Aggressoren. Erfolglos. Assad ließ es zu, dass die türkische Armee und ihre islamistischen Helfershelfer Afrin überfielen, besetzten, vergewaltigten, mordeten und “ethnisch säuberten”. Um diesem Schicksal zu entgehen, suchten die “Syrischen Demokratischen Kräfte” SDF der kurdisch-arabischen Allianz Nord-Syriens trotz aller Kritik ein Abkommen mit den regierenden Islamisten in Damaskus. Ganz im Sinne Öcalans.
Unter dem Schirm der neuen Machthaber schlachteten Islamisten aber in den vergangenen Tagen Angehörige der christlichen Minderheit und der Alawiten ab. Ihre übliche “Agenda”. Nach heftiger internationaler Kritik versprachen die sich moderat gebenden Islamisten eine Aufklärung der Massaker und eine Unterbindung künftiger islamistischer Gewalttaten.
Syrisch-kurdisches Abkommen
Die kurdischen Autonomisten wollen verhindern, dass die Türkei ihr Land besetzt und Islamisten über sie herfallen. Deshalb einigten sich Damaskus und Ar-Raqqa – Hauptstadt der autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien – auf ein weitreichendes Abkommen über die Zukunft Syriens.
Die Einigung sieht eine vollständige Eingliederung der SDF in die staatlichen Institutionen vor. Es garantiert die politische Teilhabe aller Syrerinnen und Syrer unabhängig von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, die Anerkennung der kurdischen Bevölkerungsgruppe mit uneingeschränkten Staatsbürgerrechten. Das soll in der neuen Verfassung festgeschrieben werden.
Zur Erinnerung: Das Baath-Regime “enteignete” in den 1960er Jahren zigtausende Kurden von ihrer syrischen Staatsbürgerschaft, sie wurden zu Staatenlosen in der eigenen Heimat.
Auflösung der Autonomieregion
Im Gegenzug lösen die “Syrischen Demokratischen Kräfte” ihre Autonomieregion auf und unterstellen sie der Zentrale in Damaskus. In die bisherige Autonomie-Region wird die syrische Armee einrücken und die gehaltenen Positionen der kurdisch-arabischen Milizen – Grenzposten und Flughafen – übernehmen. Außerdem gibt die sich auflösende Selbstverwaltungsregion die Öl- und Gasfelder an die Machthaber in Damaskus ab.
Die Hoffnungen der Kurden? Dass sich die Sieger des Bürgerkrieges aus der türkischen Umarmung befreien und bei möglichen türkischen “Übergriffen” ihre kurdischen Landsleute verteidigen.
Freilassung der IS-Terroristen
Das Abkommen sieht aber auch vor, dass die syrischen Zentralregierung die Kontrolle über die IS-Gefangenen der SDF übernimmt. 10.000 IS-Terroristen und weitere 46.000 IS-Angehörige hielten die Kurden in Camps wie al-Hol oder Roy.
Viele sind westliche Staatsbürger, kein westlicher Staat zeigte sich bereit, die eigenen Bürger:innen – vielfach Mörder:innen – zurückzunehmen. Terrorismus-Experten befürchten, dass die islamistische Regierung die IS-Mitglieder entlassen wird. Dann war wohl der Kampf gegen den IS der Kurden im Verbund mit westlichen Staaten umsonst gewesen.
Fraglich bleibt, ob das Abkommen die kurdischen Hoffnungen erfüllen wird. Kann und will Syrien das kurdische Rojava vor der Türkei schützen? In Damaskus und Ankara herrschen Islamisten, Al-Scharaa von der islamistischen Organisation Haiat Tahrir und Recep Erdogan und seiner islamistischen Adalet ve Kalkinma AKP. Haben in diesem Netzwerk die Kurden Platz?
Die Türkei betrachtet die “SDF” als Ableger der “kurdischen Arbeiterpartei” (PKK), die trotz ihres Waffenstillstandes von Ankara weiterhin – weil Terrororganisation – bekämpft wird.
Nahost-Expert:innen bewerten als erwähnte Abkommen als positiv, also auch die Auflösung der kurdischen Autonomieregion. Fakt ist, die Türkei ist ihrem Ziel ohne großen Krieg näher gekommen. Die Kurden in Syrien ergeben sich, lösen ihre autonome Region auf, verzichten auf territoriale Selbstverwaltung und die IS-Killer kommen frei.
Zum Nachlesen:
– Rojava Information Center
– Nationalkongress Kurdistans (KNK) für Abkommen
– Wie weiter?
– Syrien – Einigung für Einheit
– Für die Einheit des Landes
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