16-05-2025
Syrien-Drusen: Die südliche Provinz Suwaida widersetzt sich dem islamistischen Regime
Der Konflikt zwischen der drusischen Gemeinschaft und den regierenden Islamisten verschärft sich

Die Drusen leben im südwestlichen und südöstlichen Teil Syriens, zwischen ihren Regionen liegen die von Israel annektierten ehemals syrischen Golan-Höhen
Von Wolfgang Mayr
Was ist vom “neuen Syrien” zu halten? Bei einer der letzten Demonstrationen in Damaskus wurden Parolen für die Umayyaden skandiert, für die islamistischen Machthaber und die “Erklärung des Dshihad”.
Die Demonstration endete in der Umayyaden-Moschee, der Gebetsort der Sieger des Bürgerkriegs. Eine Moment-Aufnahme von Jordi Llaonart, der im online-Magazin “Nationalia” der katalanischen NGO Ciemen das schwierige Verhältnis zwischen den Drusen und den regierenden Islamisten beschreibt.
Das Verhältnis zwischen Islamisten und Nicht-Islamisten ist hasserfüllt, führte im März zu Massakern in den Küstendörfern der Alawiten. 1.000 Menschen wurden dabei getötet. Die Täter waren dem neuen Regime nahestehende Islamisten.
Inzwischen verlagerte sich die Gewalt südwärts, zu den Drusen. Genauer, in die Provinz Suwayda, die hauptsächlich von Drusen bewohnt wird. 90% der Bevölkerung bekennen sich zur drusischen Religion, die restlichen 10% sind Christen.
Alawiten, Drusen und Christen sind für die siegreichen Islamisten erklärte Feinde. Die drei Bevölkerungsgruppen standen – wenn auch distanziert – dem Assad-Regime nahe.
Besonders die Drusen galten als eine der Säulen der Baath-Partei. Sie stellten sich hinter Assad, weil er sie vor den islamistischen Bürgerkriegern schützte. Drusen und Christen fürchteten sich vor dem Sturz der Assad-Diktatur, weil danach die Islamisten an die Macht kommen. Genau das ist passiert.
Die Befürchtungen der Minderheiten sind berechtigt, Al-Qaida und IS nahestehende Organisationen übernahmen im Dezember 2024 die Macht. Ihr Kampf geht nach dem Sieg über Assad weiter, gegen Alawiten, Drusen und Christen, im Norden auch gegen die Kurden.
Ein besonderes “Ärgernis” für die Islamisten ist der drusische Glaube, entstanden aus dem Islam, inzwischen davon weit entfernt und eigenständig.
Für die Drusen von Suwaida sind die Berge Südsyriens bis heute ihr Zufluchtsort, die Siwaida-Drusen gelten als eine fast homogene Nation.
Tote in Suwaundda
Nach Auseinandersetzungen zwischen der neuen syrischen Armee und Drusen-Milizen im April wurde ein Abkommen angestrebt. Die regierenden Islamisten regten an, drusische Milizionäre in die Armee zu integrieren (ein ähnlicher Vorschlag ging auch an die Kurden in Rojava). Außerdem drängt der Staat auf eine ständige Präsenz muslimischer Soldaten in Suwayda. Drusenführer Laith al-Balus, ein Assad-Gegner, unterstützt das Abkommen. Die Bevölkerung nicht.
Auch nicht bekanntesten religiösen Führer: Scheich Hikmat al-Hijri, und Prinz Abu Yahya Hassan al-Atrash lehnen die Präsenz “ausländischer Truppen” auf ihrem Territorium ab. Sie misstrauen den Islamisten und verweisen auf die islamistischen Hassreden und Angriffe bewaffneter islamistischer Gruppen auf die drusische Zivilbevölkerung. Hijri bezeichnete den islamistischen Krieg gegen die Drusen als Völkermord. Al-Atrash kündigte an, bei weiteren Angriffen Israel um Hilfe zu bitten.
Ein Teil der 160 Milizen unterstützt das erwähnte Abkommen mit der Regierung. Die Milizen des drusischen Militärrats von Suwaida lehnen das Abkommen ab. Der Militärrat unterstützt die Forderungen der Demokratischen Kräfte Syriens der kurdisch dominierten autonomen Region, die die Schaffung eines Bundesstaates Syrien fordern.
Scheich Marwan Kiwan plädierte für eine internationale Intervention zugunsten seiner Gemeinschaft. Er wies den islamistischen Vorwurf zurückwies, einen eigenen Staat schaffen zu wollen: “Wenn wir die Sezession wollten, hätten wir unser Blut nicht vergossen, um Syrien zu vereinen”, sagte Kiwan. Er bezog sich auf den von den Drusen angeführten Unabhängigkeitsaufstand 1925.
Israels Rolle
Und Israel eilte den Drusen tatsächlich zur Hilfe. Seine Luftwaffe bombardierte am 2. Mai Gebäude in der Nähe des Präsidentenpalastes in Damaskus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Angriffe als eine “klare Botschaft an das syrische Regime”. Israel wird “nicht zulassen, dass Damaskus Truppen im Süden stationiert oder die drusische Gemeinschaft bedroht“.
Jordi Llaonart vermutet auf “nationalia”, dass Israel die Bildung einer drusischen Entität in Südsyrien unterstützt. Eine eigenständige Region als Pufferzone zwischen den sunnitischen Arabern und der israelischen Grenze. Israel schuf mit der Besetzung eines Teils der Golan-Höhen bereits eine Sicherheitszone. Inzwischen kontrolliert Israel den gesamten Golan und den Berg Hermon, der nur mehr 50 Kilometer von Damaskus entfernt ist.
Israel hilft auch medizinisch verwundeten drusischen Milizionären. Vor Jahren bot Israel medizinische Hilfe auch islamistischen Bürgerkriegern gegen das Assad-Regime an.
Ein möglicher israelischer Plan, im Süden Syriens eine autonome drusische Region zu schaffen, bleibt fraglich. Die Drusen leben im Grenzbereich zu Jordanien, im westlichen Teile Südsyriens leben mehr als eine Million sunnitischer Araber.
Ein gespaltenes Land
Bisher hat der israelische Druck samt Bomben Wirkung gezeigt. Die religiösen Drusen-Führer Scheichja Hikmat al-Hijri, Jussuf Jabur und Hamud al-Hanwi erreichten, dass in Suwaida ausschließlich Drusen für die Sicherheit zuständig sind und nicht Regierungssoldaten.
Nicht nur die Drusen drängen auf föderalistische Lösungen, allen vorn die Kurden und auch die Alawiten. Regionale Autonomien gelten in Damaskus aber als eine Gefahr.
Besonders bei jenen, die Ahmed al-Sharaa zum Präsidenten gemacht haben. Jene sind die militärischen und ideologischen Ableger von Al-Qaida. Diese lehnen den Föderalismus konsequent ab. Die wissen die Drusen, die Alawiten, die Kurden.
So wächst auch der islamistische Druck auf die Drusen, die außerhalb von Suwayda leben. Polizisten und Angehörige anderer “Sicherheitskräfte” schikanieren Drusen auf offener Straße, nur weil sie Drusen sind.
“Nationalia”-Journalist Jordi Llaonart findet, dass sich die Drusen von Suwaida in einer Position der Stärke befinden. Sie können Damaskus widerstehen, weil Israel sie unterstützt. Sich aber allein auf Israel zu verlassen, warnt Llaonart, könnte in die Sackgasse führen. Wenn für Israel eine Abkopplung der Drusen von Damaskus nicht mehr seinen Interessen entspricht, sind sie den Islamisten ausgeliefert.
Es ist mehr als fraglich, ob tatsächlich ein neues Syrien entsteht.
Zusätzliche Informationen:
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