Südtirol-Bozen: Die Rückkehr der Autokraten und die Minderheiten

Immer mehr EU-Länder rücken nach rechts. Die Spielräume für Minderheiten werden zusehends enger

Logo Annual Minority Rights Lecture: Minderheitenpolitik in der Krise? Europas Minderheiten in den 2020er-Jahren – Einblicke aus Südtirol, Katalonien, Baskenland und Kärnten/Koroška

Logo Annual Minority Rights Lecture: Minderheitenpolitik in der Krise? Europas Minderheiten in den 2020er-Jahren – Einblicke aus Südtirol, Katalonien, Baskenland und Kärnten/Koroška

Von Wolfgang Mayr

 

In den Nationalstaaten Europas trotzen 340 autochthone Minderheiten der Homogenisierung und Zentralisierung. Immerhin hundert Millionen Menschen zählen zu diesen minoritären Bevölkerungsgruppen.

In der Europäischen Union werden abseits der 24 Amtssprachen mehr als 60 – auch anerkannte – Regional- und Minderheitensprachen gesprochen. 40 Millionen Angehörige der verschiedenen sprachlichen und nationalen Minderheiten verwenden noch die eigenen Sprachen.

Doch die politischen Vorzeichen der “goldenen” 1990er Jahre, die von Fortschritten im Bereich der Minderheitenrechte geprägt waren, scheinen sich inzwischen umgekehrt zu haben. Thema der morgigen Tagung an der Eurac in Bozen:

“Wirtschaftliche Unsicherheit, soziale Spannungen, Migrationsbewegungen und geopolitische Konflikte haben nationalistische und zentralstaatliche Kräfte wieder erstarken lassen. Dies führt auch dazu, dass die Sensibilität für Minderheiten – ob ethnisch, gesellschaftlich oder sexuell – schwindet. Sowohl “alte”, autochthone Minderheiten als auch “neue” minoritäre Gruppen geraten zunehmend unter Druck.

Zugleich zeigt sich, dass Errungenschaften der Minderheitenpolitik, wie etwa der Schutz der kulturellen und sprachlichen Identität, neu verhandelt werden müssen. Anhand von vier europäischen Beispielen – Südtirol, Katalonien, Baskenland und die Kärntner Slowenen – wollen wir die Situation von Minderheiten- und Autonomiegebieten unter die Lupe nehmen.

 

Programm „Minderheitenpolitik in der Krise?“

18.00 – 18.05
Begrüßung: Günther Rautz (Institut für Minderheitenrecht, Eurac Research)

18.05-18.45
Impulsreferate geben Einblicke aus Südtirol, Katalonien, dem Baskenland, und Kärnten:

  • Oskar Peterlini (Vertragsprofessor, Universität Bozen, und Senator): Südtirols Autonomie und die geplanten Änderungen des Staatsaufbaus und der Regierungsform in Italien
  • Peter A. Kraus (Professor, Universität Augsburg): Katalonien nach dem Scheitern der Unabhängigkeit: Von der Sackgasse zur Chance?
  • Matthias Scantamburlo (Assistenzprofessor, Universidad de Deusto, Bilbao): Das ruhige Jahrzehnt? Politische und soziale Transformation im Baskenland
  • Ana Grilc (Aktivistin, Klagenfurt/Celovec und Wien/Dunaj): 5 nach 12 – Die Kärntner Sloweninnen und Slowenen zwischen Jubiläen und Existenzkampf

18.45 – 19.15
Diskussion und Fragen aus dem Publikum. Moderation: Katharina Crepaz

 

Diskussionspunkte:

Die weltpolitische Situation hat sich stark verändert bzw. verändert sich in diesen Zeiten stark. Was ist der Einfluss dieser Veränderungen auf regionale Kontexte? Was passiert in diesen Zeiten mit Minderheiten und Minderheitenpolitik – fallen Minderheitenthemen angesichts der weltpolitischen Lage unter den Tisch?

Verhältnis Minderheiten Regierungen – soll man mit Rechtspopulisten kooperieren, wenn man sich dafür Vorteile für die Minderheitenanliegen verspricht? Gilt das auch, wenn das für andere Gleichstellungspolitiken Rückschritte bedeutet (z.B. Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion?)

Fallbeispiel Südtirol: Die SVP regiert in einer Koalition mit Rechtspopulisten, obwohl Linksparteien der Minderheit historisch mehr entgegengekommen sind. Ganz untypisch für Südtirol gab es sogar Proteste gegen diese Koalition. Kann man solche Kooperationen weiterhin durch eventuelle Vorteile für die Minderheit rechtfertigen, auch gegenüber der Bevölkerung?

Was sind die derzeitigen Entwicklungen im Verhältnis Minderheit und Zentralstaat in den unterschiedlichen Regionen? In Südtirol haben wir die Verhandlungen zur Autonomiereform, um welche Kompetenzen geht es, und gibt es ähnliche Prozesse in den anderen Fallstudien? (Spanien: Regierung macht viele Konzessionen an Minderheiten; Baskenland: wenig Polarisierung und Rechtspopulismus)

Minderheitenbegriff: In Südtirol hat man generell wenig Probleme mit dem Begriff Minderheit, in den anderen Fallstudien sieht es anders aus. Warum wird der Begriff verwendet, oder auch nicht? Was bedeutet Minderheit in der jeweiligen Fallstudie, welche Konnotation hat es?

Sehen sich Südtiroler*innen in ihrem Alltag wirklich als Minderheit, oder passiert das nur, wenn z.B. das Recht auf Muttersprache nicht anwendbar ist (Interaktionen mit Polizei, oder im Sanitätsbetrieb)?

Intersektionalität: Überschneidungen zwischen Minderheitenidentität und anderen Diversitätsdimensionen. Gibt es „minoritäre Allianzen“, also politische Zusammenarbeit unterschiedlicher Minderheiten (ethnisch, sprachlich, gesellschaftlich), gerade in einem zunehmend diversitätsfeindlichen politischen Klima? Welchen Minderheiten wird Raum gegeben, welche werden vielleicht nicht gehört?

Thema Migration: Wie geht man mit Migrant*innen um? Ist die Minderheitenidentität offen für Neuankömmlinge, oder besteht eine Abwehrhaltung? Was sind die Herausforderungen im Umgang mit Migration (z.B. Schulen in Südtirol). Welche anderen Diversitätskategorien sind in Minderheitengebieten präsent (Queerness z.B in Kärnten)

Wie wird die EU aus Minderheitensicht wahrgenommen? Ist sie eine Garantin für Minderheitenrechte bzw. bietet Optionen zum Ausbau eines „Europa der Regionen“ in föderalistischer Hinsicht? Oder kümmert sie sich zu wenig um das Thema, Stichwort Minority Safepack?

Sezessionistische Bewegungen: Je besser es den Minderheiten geht, desto weniger Wunsch nach Sezession (Oskar Peterlini) – lässt sich diese These auf anderen Minderheitengebiete übertragen? Wie sehen die Diskussionsteilnehmer*innen die Chance/Potenzial/Gefahr von Separatismus in Europa (Katalonien als „abschreckendes Beispiel“)? Was müsste passieren, damit Separatismus wieder zur dominierenden Ideologie wird?

Sprachliche Vitalität der Minderheitensprachen: Welche Sprachpolitiken gibt es in den jeweiligen Fallstudien? In Wales hat man beispielsweise das ambitionierte Ziel von einer Million Cymraeg-Sprecher*innen bis 2050. Welche Trends lassen sich in Bezug auf die Vitalität der Sprachen feststellen?

Was werden in den nächsten 5 Jahren die wichtigsten Herausforderungen für die jeweilige Minderheit/Region sein?

Siehe auch:
autonomyexperience.org
Fuen.org

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