Struktureller Rassismus: Landraub in Mauretanien – Unruhen und wachsende Verzweiflung. GfbV-Vorstandsmitglied Abidine Ould-Merzough warnt vor Konflikt und Instabilität

Von Jan Diedrichsen

Im Süden Mauretaniens sind die Bewohner der Ortschaft Ngawlé erneut gegen die Enteignung ihres Landes durch die mauretanische Regierung auf die Straße gegangen.

Bereits Anfang 2021 gab es eine „Welle des Landraubs“ in Mauretanien, insbesondere in den Dörfern Mbagne und Ferala.

Der über Jahrzehnte vollzogene perfide staatlich sanktionierte Diebstahl ist einer der vielen Verbrechen an bedrohten Völkern weltweit, von denen in der Öffentlichkeit kaum jemand spricht. Die Folgen für die Menschen sind verheerend: Die betroffenen schwarzen Mauretanier verlieren ihren Zugang zur Landwirtschaft, ihrer einzigen Lebensgrundlage und das Land ihrer Vorfahren.

 

VOICES berichtete:

Podcast – Voices – Abidine Ould-Merzough berichtet über Sklaverei in Mauretanien

ANALYSE – Koalitionsvertrag – Teil 5: Strategielos in Afrika. Derweil töten Explosionen und Anschläge in Mali und Niger über 100 Menschen

 

Bei den Protesten in der Ortschaft Ngawlé in der Region Trarza kam es nun zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte und dabei auch Jugendliche und Frauen verletzte.

„Die Ereignisse in Ngawlé lassen ahnen, dass die Gerechtigkeit in Mauretanien weiterhin keinen Wert hat. Die alten Probleme – Landraub, Sklaverei und die willkürliche Verhaftung von Aktivisten – sind nicht gelöst. Die Zukunft Mauretaniens ist durch Konflikte und Instabilität bedroht“, so Abidine Ould-Merzough, Vorstandsmitglied der GfbV.

Der Landraub hat verheerende Folgen, ganze Bevölkerungen und Dörfer werden in Armut und Hunger getrieben.

Die Verhafteten, neben einigen Angehörigen der Peul auch einige Haratin, werden derzeit im Gefängnis von Rosso festgehalten. Einer der Inhaftierten befindet sich in einem kritischen Zustand und liegt auf der Krankenstation in Rosso, weiß die GfbV in einer Presseaussendung zu berichten.

Mauretanische Menschenrechtsaktivisten und lokale Menschenrechtsorganisationen berichten, dass die lokalen Behörden bis heute mauretanischen Bidhans oder Haratins erlauben, sich Land anzueignen, das von schwarzen Mauretaniern (Peul, Soninkes und Wolofs) bewohnt wird, und manchmal sogar deren Zugang zu Wasserquellen blockieren.

Im August 2020 demonstrierten Tausende Bewohner der Region Brakna in Dar el Barka im Süden Mauretaniens mehrere Tage lang gegen die Vergabe ihres Getreideanbaugebiets an einen arabischen Investor aus der Golfregion.

Schwarze Mauretanier wurden in der Vergangenheit immer wieder ihrer Landbesitzrechte beraubt, vor allem seit den 1980er Jahren, als ein neues Gesetz eine Rechtsgrundlage für die Beschlagnahmung ihres Landes schuf.

Dieses auf strukturellem Rassismus aufbauende System führt zu dem, was auf Französisch „l’esclavage foncier“ oder auf Englisch „land slavery“ genannt wird. Die Landsklaverei besteht darin, dass die Regierung den schwarzen Mauretaniern Land wegnimmt und es den Bidhan (arabisch-berberischstämmigen Volksgruppe) überlässt, die dann die schwarzen Mauretanier anstellen oder versklaven, um das Land zu bearbeiten, das ihnen zuvor gehörte. Trotz eines Programms zur Entschädigung derjenigen, die ihr Land durch die Entwicklungspolitik der Regierung verloren haben, wurde nur sehr wenig Land tatsächlich neu verteilt, und die mauretanische Regierung hat keine Schritte unternommen, um die schwarzen Mauretanier in diesen Prozess der Erschließung ihres Landes oder in die Gespräche über Landentwicklung und Entschädigung einzubeziehen.

 

Siehe auch:

John Mercer: Die Haratin: Mauretaniens Sklaven. Gesellschaft für bedrohte Völker, 1982

Sklaverei in Mauretanien: Kultur der Straflosigkeit – Menschenrechtsrapport 69 der GfbV, Dezember 2013

Enforcing Mauritania’s Anti-Slavery Legislation: The Continued Failure of the Justice System to Prevent, Protect and Punish

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