Sprachencharta für Québec

Die francophone kanadische Provinz erweitert

Von Wolfgang Mayr

Die Nationalversammlung in Quebec stimmt für eine stärkere „Französisierung“ der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Dafür wurde die französische Sprachencharta aus dem Jahr 1977 aktualisiert und beträchtlich erweitert.

Die Reform wird von der regierenden Coalition avenir Québec (CAQ) und von der linken Québec solidaire (QS) getragen. Die Unabhängigkeitspartei Parti québécois (PQ) lehnt die Maßnahmen als zu schwach ab, um den „sprachlichen Niedergang“ zu stoppen. Dem Parti libéral du Québec (PLQ) gehen die geplanten Sprachmaßnahmen zu weit.

Die Aktualisierung und Erweiterung der Sprachencharta betrifft viele und unterschiedliche Bereiche. Ziel ist, die Position der französischen Sprache insgesamt zu stärken. Der Versuch, ein Bollwerk gegen das Englische zu errichten.

Der Brennerbasisblog listete die erwähnten Maßnahmen auf:

  • Kanadische Verfassung: Einbeziehung der Besonderheit von Quebec als französischsprachige Provinz, die die Kompetenz hat, die Bundesverfassung in den Bereichen, die sie betreffen, zu ändern.
  • Beschäftigung: Ab 2025 müssen Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten (und nicht mehr nur solche mit mehr als 50) auch auf Französisch mit ihnen kommunizieren, wenn sie dies wünschen, und dem Office québecois de la langue française (OQLF) nachweisen können, dass das Französische auf Unternehmensebene „in allgemeiner Weise“ verwendet wird. Darüber hinaus ist es nicht erlaubt, bei der Einstellung neuer Mitarbeiter um Englischkenntnisse zu bitten, wenn nicht nachgewiesen wird, dass diese Sprache für die auszuführenden Aufgaben unerlässlich ist.
  • Affichage: Im öffentlichen Raum müssen die „Werbetafeln“ (Werbung und nicht) ab 2025 für ein „deutlich vorherrschendes“ Erscheinungsbild des Französischen im Vergleich zum Englischen  sorgen.
  • Justiz: Das Justizministerium von Quebec wird die Befugnis haben, die Anforderungen an die Englischkenntnisse für Richter des Cour du Québec und der unteren Gerichte zu begrenzen.
  • Einwanderung: Ab Mai 2023 können diejenigen, die sich länger als 6 Monate in Quebec aufgehalten haben, mit dem Staat ausschließlich auf Französisch kommunizieren. Die Regel gilt nicht für Gesundheitsdienste, Justiz und Sicherheit.
  • Bildung: Der Unterricht in Französisch und Französisch im französischen und englischen Cégeps (voruniversitäre Bildung) wird erhöht und die Gesamtzahl der Plätze im englischsprachigen Cegeps wird auf 17,5% der Gesamtzahl begrenzt. Dies geschieht, während die Schulpflicht ausschließlich in der Sprache Französisch für alle ist und bleibt, mit wenigen Ausnahmen für Mitglieder der historischen englischsprachigen Gemeinschaft. Um das Abschlussdiplom zu erhalten, wird ein Mindestniveau an Französischkenntnissen festgelegt, das wahllos für diejenigen gilt, die ein Cégep-Französisch oder Englisch besuchen.
  • Zweisprachige Gemeinden: Zweisprachige Gemeinden werden automatisch einsprachig französisch, wenn sie das (bereits 1977 eingeführte) Kriterium einer überwiegend (50%+1) englischsprachigen Wohnbevölkerung nicht erfüllen. Sie werden jedoch in der Lage sein, dem Verlust des zweisprachigen Status mit einem Antrag entgegenzuwirken, der von einer Mehrheit des Stadtrats genehmigt wurde.
  • Neue Institutionen: Ein Ministerium für die französische Sprache, das Gremium Francisation Québec und das Commissariat à la langue française werden geschaffen.

Trotz der mit großer Mehrheit verabschiedeten Erweiterung der Sprachencharta zugunsten des Französischen in der Provinz Quebec durch die Nationalversammlung wird sich auch das kanadische Verfassungsgericht mit dem Maßnahmenpaket befassen. Die genehmigten Maßnahmen greifen nämlich in gesamtstaatliche Gesetze ein und sehen auch eine Änderung der Verfassung vor.

Nicht nur eine Herausforderung für Kanada, sondern auch für die „Schutzmacht“ Frankreich. Das französischsprachige Quebec fordert Sprachenrechte ein, die der französische Zentralstaat seinen sprachlichen Minderheiten konsequent vorenthält.

Die Sprachenpolitik der Provinzregierung ist aber auch für die Frist Nations oft eine Provokation. Schätzungsweise 100.000 Angehörige zählen die verschiedenen tribe nations, das entspricht zwei Prozent der Provinz-Bevölkerung. Laut der Assembly of First Nations ist die autonomistische Quebec-Regierung wenig „minderheitenfreundlich“, verschiedene Autoren wie Michel Jean kritisieren den „französischen Kolonialismus“ in Quebec.

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