„Spanischer Rechtsruck gestoppt – katalanische Unabhängigkeitsbewegung hofft weiter“

In seiner aktuellen Kolumne zieht Jan Diedrichsen drei für Europa wichtige Lehren aus dem Ergebnis der Parlamentswahlen in Spanien.

Autonome Gemeinschaften und Regionen in Spanien (Quelle: Externer Link: TUBS via Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Erschienen als Kolumne VOICES – MINDERHEITEN WELTWEIT im „Der Nordschleswiger“

Von Jan Diedrichsen

Als ich Volontär beim „Nordschleswiger“ war (einige Jahre ist es her), hat mir der erfahrene Kollege Ulrich Küsel damals mit auf den Weg gegeben: „Mehr als eine wichtige Information im Artikel sollte man lassen. Der Leser schafft es nicht, mehr als eine Botschaft zu behalten.“

Nun sind die Leserinnen und Leser dieser Kolumne natürlich durchaus in der Lage, mehr als eine Information zu verarbeiten. Doch ich habe drei Botschaften, die ich loswerden will, und alles hat mit Spanien und Europa zu tun:

  1. 1. Die Wahlen in Spanien des vergangenen Wochenendes zeigen der Zusammenarbeit zwischen Konservativen und den Rechtsextremen Grenzen auf.
  2. 2. Die separatistischen Parteien Spaniens verloren zwar Mandate und Zuspruch, sind aber potenzielle Königsmacherinnen.
  3. 3. Dies alles bedeutet auch, dass den Regionen in Europa endlich echte Macht und Gestaltungsmöglichkeiten in der EU eingeräumt werden müssen.

Spanien drohte in die Hände der Rechtsextremen zu fallen

Brüssel ist bereits so gut wie komplett in die Sommerpause abgetaucht. Hotelzimmer sind erschwinglich, und Straßen sind frei – aber dennoch war die Anspannung in der europäischen Hauptstadt groß, als in der vergangenen Woche die Wahlen in Spanien anstanden. Alles sah nach einem Durchmarsch der „Nachfahren von Franco“ – der faschistischen Vox-Partei – aus. Der Spitzenkandidat Alberto Nuñez Feijóo von der konservativen PP hatte im Wahlkampf den Tabubruch gewagt und angekündigt, bei einer Mehrheit mit den Neo-Faschisten eine Regierung bilden zu wollen.

Nach Polen, Ungarn, Italien mit rechts-autoritären Regierungen drohte nach Schweden nun auch in Spanien die Regierung von einer rechtsextremen Partei abhängig zu werden. Das hat weitreichenden Einfluss auf die Arbeit der EU – denn alle diese Parteien sind EU-feindlich oder zumindest so lange, bis sie sich in der Regierungsverantwortung den Realitäten stellen müssen; was wiederum das bequeme EU-Bashing gemeinhin schnell relativiert.

Aufs falsche Pferd gesetzt

Doch zur Überraschung der meisten Beobachterinnen erhielt die Vox-Partei eine Ohrfeige von den spanischen Wählerinnen und Wählern. Von Franquisten wollte man sich in Spanien dann doch nicht regieren lassen. Dieses Ergebnis wurde in den Zentralen der anderen bürgerlich-christlich-konservativen Parteien Europas verfolgt.

Die Taktik, sich für Mehrheiten an den rechten Rand zu wenden – siehe die Diskussion in Deutschland wegen einer Zusammenarbeit der CDU mit der AfD – ist nicht nur gesellschaftlich brandgefährlich. Auch machttaktisch kann das, wie jetzt in Spanien, arg in die Hose gehen.

In Spanien wird man sich auf lange Regierungsverhandlungen einstellen müssen. Eine Neuwahl ist in dem emotional vergifteten Politik-Klima des Landes nicht ausgeschlossen. Für jegliche Regierungsbildung (Links und Rechts haben eine Große Koalition und Duldung ausgeschlossen) wird alles von der Zusammenarbeit mit regionalistischen und separatistischen Parteien aus Galicien, dem Baskenland und Katalonien abhängen.

Separatisten könnten Königsmacher werden

Die Ironie des politischen Schicksals: Dem zwischenzeitlich in Schleswig-Holstein inhaftierten EU-Abgeordneten und früheren katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont könnte mit seiner Partei die Rolle des Königsmachers in Spanien zukommen.

Doppelte Ironie: Die separatistischen Parteien der Katalanen haben bei der Wahl eine herbe Schlappe hinnehmen müssen, insbesondere die regierende ERC von Präsident Pere Aragones, die sich auf Verhandlungen mit der Regierung von Pedro Sánchez eingelassen hatte. Die linksradikale CUP, die bislang zwei Sitze innehatte, flog aus dem Parlament.

Erstarkte Separatisten im Baskenland und Galizien

Neben den Stimmen aus Katalonien wird eine neue Regierung auf die Mandate aus dem Baskenland angewiesen sein. Dort hat die linksradikale, separatistische EH Bildu von fünf auf sechs Sitze zugelegt und liegt damit erstmals vor der gemäßigt separatistischen oder regionalistischen EAJ.

Auch in Galicien wurde ein Sitz der Regionalisten bestätigt, der von der ebenfalls linksradikalen und separatistischen Bloque Nacionalista Galego (BNG) gehalten wird.

Die PP wird sich extrem ärgern: Ohne die Regionalisten in Galicien, dem Baskenland und Katalonien wären PP und Vox bereits unterwegs in die Regierungsgebäude. Sie hätten eine Mehrheit.

Zukunft der EU in den Regionen?

Nun zu meinem dritten und letzten Punkt: Falls die EU das Auseinanderdriften der Mitgliedsstaaten verhindern will, muss es eine Aufwertung der Regionen geben, oder es werden immer wieder Diskussion der Katalanen, Basken, Schotten, Nordiren, Wallonen, Flamen, Ungarn in Rumänien, Südtiroler etc. aufflammen, als „souveräne“ Nationalstaaten ihre Selbstständigkeit zu erringen.

Europa braucht Regionen, die mit Substanz in Brüssel mitentscheiden und dies nicht allein als Anhängsel der nationalstaatlichen Fundamente der EU-Macht. An der Entwicklung in Spanien/Katalonien werden wir beobachten können, wie sich die EU in dieser Zukunftsfrage positioniert.

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