Russländische Föderation-Sibirien: Vom leisen Sterben indigener Sprachen

Die Kulturstiftung Sibirien engagiert sich den Erhalt von kultureller Vielfalt in Sibirien und bei Völkern des Nordens

Die Münchner Itilmenin Tjan Zaotschnaja von der GfbV-Regionalgruppe engagiert sich seit Jahrzehnten für die „kleinen Völker“ Russlands. Foto: gfbv.de

Die Münchner Itilmenin Tjan Zaotschnaja von der GfbV-Regionalgruppe engagiert sich seit Jahrzehnten für die „kleinen Völker“ Russlands. Foto: gfbv.de

Von Wolfgang Mayr

 

Seit 15 Jahren “kümmert” sich die Stiftung für die ständig schrumpfenden indigenen Sprachen Sibiriens. Die russische Kolonialisierung, die zaristische wie auch die bolschewistisch-kommunistische, war erfolgreich. Es gibt kaum verlässliche Zahlen über die “Größe” der indigenen sibirischen – kleinen – Völker. Zwischen 180.000 bis zu 200.000 Menschen gehören 30 kleinen Völkern an. Mehr als 20 Millionen Leben in Sibirien.

Per Sprachverbot forcierte die Sowjetunion die Assimilierung der sibirischen Ureinwohner, mit der Ansiedlung von Bürgerinnen und Bürgern aus den verschiedenen Teilrepubliken wurden die Indigenen an den Rand gedrängt, seit dem Zusammenbruch des Kommunismus bestimmen die Rohstoffkonzerne das Leben. Jean-Paul Sartre würde dazu wohl von einem Gangstersystem reden.

Die Folge, die alteingesessenen indigenen Sprachen werden kaum mehr gesprochen. Tjan Zaotschnaja beschreibt in dem Buch “A fractured north, maintaining connections” der “Kulturstiftung Sibirien” das Sterben der itilmenischen Sprache auf Kamtschatka, ihrer Sprache. Das Russische “schluckte” das Itilmenische.

Die autochthonen sibirischen Sprachen sind beim Aussterben, der russische Staat zeigt kein Interesse, die Rest-Sprachen zu retten. Die auf Kurs gebrachte indigene Organisation Raipon genausowenig.

 

Trotzdem Renaissance?

Tjan Zaotschnaja zitiert in ihrem Text “40 years after the Paris Colloquium Siberia 1532-1982” ihre Aussage von damals: Im Jahr 2000 wird es die itilmenische Sprache und Kultur nicht mehr geben. Der russische Staat tat alles, um die Itilmenen – und nicht nur sie – zu brechen. Russifizierung, Verbot der Subsistenz-Wirtschaft Jagen und Fischen.

Die ausgebürgerte Zaotschnaja gab nicht auf, trotz der geografischen und politischen Ferne im Exil. Zaotschnaja und weitere Itilmen:innen, unterstützt von der Kulturstiftung Sibirien und pro Sibiria e.V, engagierten sich für ein itilmenisches Wörterbuch und für ein itilmenisches Alfabeth auf kyrillischer Grundlage. In einigen itilmenischen Dörfern versuchten Engagierte ein itilmenisches Schulbuch zu verfassen.

Seit 2008 wird an der pädagogischen Oberschule Kamtschatka und an der Vitus Bering Kamchatka Universität Itilmenisch angeboten, 2012 fand im itilemenischen Dorf Malki eine itilmenische Sprachwoche statt.  Freudig schreibt sie, am itilmenischen Masterkurs der Kamchatka Universität nahmen 2024 zehn Interessierte teil. Ein Hoffnungsschimmer.

Ein Hoffnungsschimmer am verdunkelten Himmel, seit dem russischen Überfall auf die Ukraine verschickt der Putin-Staat Angehörige indigener Völker an die Front, Kanonenfutter. Und der Geheimdienst hält Kamtschatka fest in seiner eisernen Faust.

 

Kulturstiftung Sibirien

Die Stiftung wurde 2010 vom Ethnologen Erich Kasten gegründet. Anlass waren seine langjährigen Forschungen bei Völkern in Nordskandinavien, an der kanadischen Pazifikküste und in Sibirien.

Die Kulturstiftung Sibirien fördert den Erhalt von kultureller Vielfalt in Sibirien und bei Völkern des Nordens. Neben bedrohten Sprachen werden indigenes ökologisches Wissen und Kunst- und Handwerkstraditionen dokumentiert.

Unter Berücksichtigung politischer Entwicklungen und Nutzung zeitgemäßer Technologien entwickelt die Kulturstiftung Sibirien zusammen mit Einheimischen Lernmaterialien und Webportale für indigene Gemeinschaften. Damit unterstützt sie deren Bestreben, auf der Grundlage ihrer zu erhaltenden Eigenart neue vielschichtige kulturelle Ausdrucksformen und Identitäten zu entwickeln.

 

Fractured North

Die Bände der Reihe „Fractured North“ befassen sich mit Forschungskooperationen in Sibirien und dem russischen Norden. Diese sind derzeit wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine eingefroren.

Die ersten beiden Bände untersuchen ethische und moralische Dilemmata der Fortsetzung kollaborativer Studien im „zersplitterten“ Norden und die Auswirkungen der Beendigung solcher Kooperationen. Die Stiftung richtet ihren Forschungsfokus weiterhin auf den russischen Norden und bemüht sich, den zirkumpolaren Ansatz der letzten Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Leitmotiv, Verbindungen aufrecht erhalten.

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