09-07-2024
Rechts geblinkt, links abgebogen
In den meisten Minderheitenregionen Frankreichs setzten sich Liberale und Linke durch.
Von Wolfgang Mayr
Der erste Durchgang zur französischen Parlamentswahl ließ nicht gutes erwarten. Das rechtsradikale Rassemblement National schien “durchzumarschieren”. Auch in den Regionen der sprachlichen und nationalen Minderheiten. Ausgerechnet dort.
So punktete das RN in den vier Pyrenäen-Departements, die Nord-Katalonien bilden, auf Korsika, im Elsass und in Lothringen sowie im gesamten Okzitanien, also im südlichen Frankreich.
Gegen den republikweiten Trend stimmten die Wählenden der baskischen Departements Lapurdi/Labourd, Nafarroa Beherea/Basse-Navarre und Zuberoa/Soule. In Ipparalde, im französischen Baskenland, setzte sich die linke Volksfront klar durch.
Auch die Bretagne wicht vom RN-Trend ab. Noch bei den Europawahlen triumphierten die Rechtsradikalen, beim ersten Parlamentswahlgang wandten sich die Wählenden von der Le Pen-Partei offensichtlich erschrocken ab.
Corsica
Bei den verschiedenen Wahlgängen, Präsidentschafts- , Parlaments- und Europawahlen dominierte das RN, mit deutlichem Vorsprung. Bei den Regionalwahlen hingegen die Autonomisten und Regionalisten.
Beim zweiten Durchgang zu den Parlamentswahlen stoppten die korsischen Wählenden den bisher unaufhaltsamen Siegeszug des RN. Zwei Wahlkreise holten sich die Autonomisten, ein Sitz ging an die Macron-Partei, die RN-Sympathisanten verhalfen einem moderaten Rechten von der “Republikanischen Partei” zum Sieg. Auf Korsika herrscht ein Gleichgewicht zwischen Autonomisten und gemäßigten Zentralisten. Ob Präsident Macron sein Versprechen einlöst und Korsika die angekündigte Autonomie konzediert?
Catalunya del Nord
Die vier katalanischen Wahlkreise eroberten die Kandidat:innen des RN. Das Departement Pyrenees-Orientales (oder Catalunya del Nord) mit seinen Comarques (Kreisen) Rossello, Vallespir, Conflent, Capcir und Alta Cerdanya ist fest in der Hand der französischen Rechtsradikalen.
Nur in Perpinya (Perpignan), mit einem RN-Bürgermeister, siegte die Volksfront mit Nathalie Cullell.
Ein erstaunliches Ergebnis, steht doch der RN für französische Einsprachigkeit und für strikte Zentralstaatlichkeit.
Ipparalde
Die baskischen Wählenden sorgen immer für Überraschungen. Sie haben mehrheitlich für die neue Volksfront gestimmt. In einem der Wahlkreise siegte mit Peio Dufau ein Vertreter der linksnationalistischen EHBai, so etwas wie die nördliche Filiale von EH Bildu in der autonomen Region Euzkadi in Spanien. Dufau engagiert sich für die Förderung der baskischen Sprache, drängt auf eine bürgernahe Sozial- und Wirtschaftspolitik als künftigen Damm gegen den RN.
In den zwei anderen baskischen Wahlkreisen siegten Kandidat:innen der Sozialistischen Partei.
Die Volksfront von Ipparalde steht für ethnische und politische Diversität, unterscheidet sich von der francophonen Linie des Volksfront-Idols Melenchon. Er ist ein Sympathisant der klerikal-faschistischen Hamas, ein Gegner der EU und der NATO, kein Freund der um ihr Überleben kämpfenden Ukraine, ein politischer Bruder von Sahra Wagenknecht.
Breizh
Die Ergebnisse der Europawahlen, fast ein Volks-Votum für das RN, schockte die bretonischen Wählenden. Die Europa-Kandidat:innen des RN setzten sich in den vier Departments Alodou-an-Arvor (Cotes-a`Armor), Penn-ar-Bed (Finistere), Il-ha-Gwilen (Ille-et-Viliane) und Mor-bihan (Morbihan) durch.
Nur eine Protest-Wahl, wie politische Verharmloser und publizistische Weichspüler rechtswählen immer wieder kleinschreiben?
Bei den zwei Durchgängen zur Parlamentswahl konnte das RN seinen Erfolg nicht mehr wiederholen. Im Gegenteil, das Zusammenschauen in der “republikanischen Front” der RN-Gegner, verhalf den Macron-Liberalen und der linken Volksfront zur Mehrheit.
In Mor-bihan (Morbihan) entschied Paul Molac, einst Parteigänger von Präsident Macron, als Regionalist die Wahlen für sich. Der erklärte “Bretonist”, er steht der Partei Unvaniezh Demokratel Breizh (Demokratische Union der Bretagne) nahe, wirbt für den Erhalt der sterbenden bretonische Sprache und ist der “Vater” des Minderheitengesetzes. Vom Verfassungsrat aber wegen angeblicher “Verfassungsfeindlichkeit” abgelehnt. Die “Justiz” als verlängerter Arm der ethnischen Zentralisten.
Neun Regionalisten sind im links gerückten Parlament vertreten. Ob die doch recht nationalistische Linke auf Forderungen nach Mehrsprachigkeit und regionaler Selbstverwaltung der Regionalisten eingehen wird?
Elsass
Das alte Elsass gibt es schon lange nicht mehr. Es ist inzwischen Teil der großen Verwaltungsregion Grande Est, zu der auch Lothringen/Lorraine und Champagne-Ardenne gehören. Das Elsass war in den vergangenen Jahrzehnten eine Hochburg der gemäßigten konservativen Parteien, die aber immer stärker und öfter an das RN Stimmen verloren. Der Trend ließ die Le Pen-Partei hoffen, im Elsass die Mitte als bestimmende Kraft abzulösen.
Satt waren die Zugewinne bei den Europawahlen, aber auch beim ersten Wahldurchgang für die Nationalversammlung. In den meisten Stimmbezirken lagen die Kandidat:innen des RN vorne.
Die “Republikanische Front” wurde wiederbelebt, als Damm gegen Rechts. Es funktionierte wieder, wie bei der letzten Präsidentenwahl, wenn manchmal auch nur knapp. Dank der “Front” schaffte nur ein Kandidat des RN die Wahl. Von den insgesamt im Elsass – Bas-Rhin und Haut-Rhin – gewählten 15 Mandatar:innen gingen 9 an die Macron-Partei, drei an die Volksfront, zwei an die rechtskonservativen Republikaner und ein Mandat an das RN. Straßburg wurde zur Hochburg der neuen Volksfront.
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