01-07-2022
Putinismus
„Wohin treibt Russland?“
Von Wolfgang Mayr
Vor sieben Jahren schon analysierte der Historiker Walter Laqueur das Regime des heutigen Kriegspräsidenten Putin. Der Mitarbeiter des Center of Strategic and international Studiesbeschreibt in seinem Buch „Putinismus – Wohin treibt Russland?“ den Umbau der zusammengebrochenen Sowjetunion in einen staatskapitalistischen autoritären Staat, anstelle des Marxismus-Leninismus wurde der russische antiwestliche Nationalismus zur Staatsideologie.
Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch die Annektion der ukrainischen Krim, durch die militärische Unterstützung pro-russischer Milizen in der Ostukraine – inzwischen militärisch besetzt und defacto an Russland angeschlossen – und durch den ungestraft gebliebenen Abschuss des malaysischen Flugzeugs mit mehr als 300 Opfern durch pro-russische Milizionäre im Donbas.
Zitat aus dem Klappentext: „Der Russland-Experte Walter Laqueur beleuchtet Putins neue Großmachtpolitik. Er zeigt, wie sich nach dem Ende der Sowjetunion ein neuer gesellschaftlicher Konsens gebildet hat, antiwestlich, antiliberal und staatshörig, der an tief verwurzelte Traditionen Russlands anknüpft. Putin, Vorreiter dieser fatalen Entwicklung, findet breite Zustimmung im Lande. Sein Kurs, durch die Destabilisierung Osteuropas verlorenen Einfluss zurückzugewinnen, führt unweigerlich in eine gefährliche Konfrontation mit dem Westen“.
Ein luzides Buch, das den heutigen russischen Eroberungskrieg in der Ukraine vorwegnimmt. Die Erklärungen von Walter Laqueuer lassen diesen Schluss zu. Der aus Breslau stammende deutsch-jüdische Historiker warnte den Westen ausdrücklich davor, gegenüber Russland eine Appeasement-Politik zu betreiben: „Selbst wenn seine Haltung gegenüber Russland von beispielloser Freundlichkeit und Hochachtung geprägt wäre und er auf sämtliche russische Forderungen einginge, wäre nicht sicher, dass er damit die gewünschte Wirkung erzielen würde,“ schrieb Laqueur 2015.
Fakt ist, der Westen sekundierte an der diplomatischen Seitenlinie die russischen Eroberungen der Krim und der östlichen Ukraine. Sanktionierte diese mit den Minsker-Verträgen, federführend dabei die damalige deutsche Bundesregierung von Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier.
Die Warnungen von Laqueur kamen nicht sonderlich gut an. So warf stellvertretend für die Putin-Versteher und Verharmloser der Osteuropa-Historiker Manfred Hildermeier Laqueur vor, billige Kreml-Astrologie zu betreiben. Denn, niemand weiß, was in Moskau wirklich vor sich geht. Hildermeier unterstellt Laqueur, ein Kalter Krieger zu sein.
Walter Laqueur skizziert auf mehr als 300 Seiten den Weg Russlands in die Diktatur der Marke Putin. Und damit in den Krieg. Dieser Krieg fand und findet in der russischen Föderation statt. „Ist der chauvinistische Geist erst einmal aus der Flasche, sucht er sich seine Ziele womöglich nicht nur im Westen, sondern auch im Inneren, etwas in Gestalt der ethnischen Minderheiten oder der Millionen von ´Gastarbeitern`in Russland.“ Warum las 2015 kein/e Verantwortliche/r dieses Buch von Walter Laqueuer?
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