Palästina-USA: Vom Frieden zur Eigenstaatlichkeit?

Die katalanische NGO Ciemen hat sich den Trump-Plan genauer angeschaut

Palästinensische Intellektuelle und die Hamas scheinen sich einig zu sein, Israel muss Palästina "weichen". Die Vernichtung Israels als politische Option. Foto: jweekly.com

Palästinensische Intellektuelle und die Hamas scheinen sich einig zu sein, Israel muss Palästina "weichen". Die Vernichtung Israels als politische Option. Foto: jweekly.com

Von Wolfgang Mayr

 

Ergebnis: Der angebliche Friedensplan ist keiner. Und schon gar kein Fahrplan für die palästinensische Eigenstaatlichkeit.

Die Wissenschaftlerin Pamela Urrutia Arestizábal an der Schule für Friedenskultur (ECP) der Autonomen Universität Barcelona verwendet in ihrer Analyse leider allzu oft einen ideologischen Holzhammer.

So wirft sie der israelischen Armee Genozid vor, dem israelischen Staat Apartheid und „Judaisierung“ der Palästinensergebiete sowie der EU umfassende Unfähigkeit gegenüber Israel.

Abseits dieses ideologischen Kerzennebels trifft ihre Analyse teilweise zu. Der Plan von US-Präsident Trump, von Israel und seinen arabischen Nachbarn sowie vom UN-Sicherheitsrat angenommen, eignet sich nicht als langfristige Lösung.

Der Plan ermöglicht – immerhin – einen Mindestfrieden, einen Frieden mit Gerechtigkeit aber nicht. Der Plan sieht keine Garantie für die Verwirklichung der kollektiven Rechte der Palästinenser vor, also einen eigenen Staat. Politisch gesehen gibt es in Trumps Plan keinen Platz für die Verwirklichung palästinensischer Kollektivrechte.

 

Übergangene Palästinenser:innen

Seinen Plan stimmte Trump mit seinem israelischen Freund Netanyahu sowie mit den benachbarten arabischen Potentaten ab. Nicht gefragt wurden „die Palästinenser“. Sie wurden übergangen.

Dieser Plan scheint die Blaupause für den inzwischen obsolet gewordenen „Friedensplan“ für die Ukraine gewesen zu sein. Ein Plan auf Kosten der Opfer.

Immerhin, schreibt Arestizabel, verzichtet Trump auf die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza, um dort die „Riviera des Nahen Ostens“ hochzuziehen.

Arestizabel disqualifiziert die Vorgaben des Trumps-Plan, wie den Ausschluss der Hamas, eine Übergangs-Regierung mit Beteiligung palästinensischer Technokraten und ein internationales Kontrollgremium als ein Konstrukt kolonialer Verwaltung.

Arestizabal bedauert auch, dass der US-Präsident nicht auch das Westjordanland in seinen Plan aufnahm. Dort eskaliert – unter dem Schutzschirm der israelischen Armee – die Gewalt der Siedler, aber auch des israelischen Staates mit seinen Plänen für die Erweiterung der illegalen Siedlungen mit dem Ziel, das Westjordanland zu annektieren. Israel versucht offensichtlich, wirft Arestizabal der rechtsrechten Regierung von Netanyahu vor, einen palästinensischen Staat verhindern zu wollen.

 

Palästinensische Fragmentierung

Trumps Plan ändert nichts an der palästinensischen Fragmentierung, also an der strikten Trennung zwischen dem Westjordanland und Gaza. Gewalt und Unterdrückung bleiben aufrecht, kommentiert Arestizabal und nennt den von Trump angestoßenen Prozess einen „negativen Friedenshorizont“. Trump geht es um die „relative Reduzierung der direkten Gewalt“.

Arestizabal zitiert Diana Buttu, eine Beraterin des palästinensischen Verhandlungsteams in Oslo in den 2000eer Jahren zur Autonomie. Bei den Verhandlungen in Oslo saßen sich israelische und palästinensische Vertreter:innen gegenüber. Palästinenser wurden bei den Verhandlungen zum Waffenstillstand nicht hinzugezogen, bedauert Buttu, „andere sprechen für uns“.

 

Staatlichkeit und Selbstbestimmung

Trumps Plan befeuerte aber das öffentliche Reden über die Zwei-Staaten-Formel als Mittel zur Lösung der palästinensisch-israelischen Frage. Arestizabal wirft Israel vor, den in Oslo angestoßenen Friedensprozess boykottiert zu haben. Israel, so ihr Vorwurf, untergrub mit seiner rabiaten Siedlungspolitik im Westjordanland die Grundlagen für diesen Prozess. Arestizabal blendet aber aus, dass auch auf palästinensischer Seite genügend Bremser und Verhinderer – auch mit unzähligen Anschlägen – aktiv waren.

Frankreich und Saudi-Arabien – das saudische Königreich ist ein enger Partner der USA und auch Israels – drängten auf eine diplomatische Initiative zugunsten eines palästinensischen Staates. Auch Großbritannien kündigte seine Anerkennung eines solchen Staates an.

Offensichtlich wird die palästinensische Staatlichkeit als Voraussetzung für einen Frieden im Nahen Osten empfunden. „Anerkennung ist Papier, Palästinenser sind eine blutende Wunde“, beschreibt der palästinensische Dichter Nour Elessy aus Gaza die Lage. Er plädiert für umfassende Hilfen und für einen schnellen Aufbau, diesen sollte Israel finanzieren.

 

Zwei-Staaten, ein bi-nationaler Staat, eine dritte Variante?

Der neue Fokus auf die palästinensische Staatlichkeit befeuert die inner-palästinensische Diskussion und die Forderung nach palästinensischer Selbstbestimmung. Als unrealistisch gelten die Zwei-Staaten-Formel wie auch die Schaffung eines einzigen bi-nationalen Staates mit gleichen Rechten für alle Bürger. Im aktuellen Kontext – nach den Massakern der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem folgenden völlig überzogenen Krieg der israelischen Armee in Gaza – noch schwerer vorstellbar.

Arestizabal lässt die palästinensische Wissenschaftlerin Sonia Bolos für einen dritten Weg plädieren. Gaza, Westjordanland, die Palästinenser in Israel und die Palästinenser in den israelischen Nachbarländern müssen gemeinsam gedacht werden, wirbt Bolos für ein neues Konzept palästinensischer Selbstbestimmung. Bolos sagt, Staatlichkeit macht nur Sinn, wenn sie der Selbstbestimmung dient.

 

Der dritte Weg bedeutet Vernichtung Israels

Mit anderen Worten, Bolos wirbt für die Rückkehr der während des israelischen Unabhängigkeitskrieges vertriebenen Palästinenser nach Israel. Damit würden die Araber die Mehrheit in Israel stellen, Israel als jüdische Staat aufhören zu existieren.

Arestizabal bringt noch die palästinensische Politikwissenschaftlerin Yara Hawari in ihre Analyse. Auch sie wirbt wie Bolos für den angeblich machbaren dritten Weg, für die Überwindung der palästinensischen „Fragmentierung“. Hawari verwirft die Zwei-Staaten-Lösung als „koloniale Teilung“ des alten Palästinas. Kern dieses dritten Weges scheint wohl die „Auflösung“ Israels zu sein, seine Zerstörung.

Arestizabal wirft der EU vor, sich hinter dem Trump-Plan zu verstecken. Der Plan als Vorwand, Verantwortung nicht zu übernehmen, bedauert sie. Die EU bleibt weiterhin untätig, so die Kritik von Arestizabal. Europa muss sicherstellen, ist die Ciemen-Analystin überzeugt, dass die Palästinenser über ihre Zukunft entscheiden können.

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