No indigenous voice?

Das „weiße“ Australien stemmt sich gegen die indigene Emanzipation

Von Wolfgang Mayr

Eine Mehrheit der Australierinnen und Australier lehnt ein beratendes indigenes Gremium strikt ab? Australien, ein Hort des Rassismus?

Zwei Meinungsumfragen zum Referendum am 14. Oktober belegen es, eine Mehrheit der Befragten ist gegen eine verfassungsmäßig abgesicherte indigene politische Teilnahme. Die sozialdemokratische Regierung will damit den indigenen Völkern ein Recht auf Mitsprache sicherstellen. Mit einem Gremium, das nur eine beratende Funktion haben soll, bemängeln Aktivistinnen und Aktivisten.

Premierminister Anthony Albanese kritisierte während der Referendums-Kampagne die Gegner: „Ich weiß, dass sich eine gewisse Arroganz in die No-Kampagne eingeschlichen hat, aber es ist eine Kampagne, die auf Angst basiert.“

Indigene Australier machen 3,8 Prozent der australischen Bevölkerung aus. Die Statistik spricht eine nüchterne Sprache, die Angehörigen der indigenen Völker leiden, unter einer miserablen Gesundheitsversorgung, hoher Arbeitslosigkeit, dürftiger Bildung, unter Polizeigewalt und unter einer hohen Selbstmordrate. Statistisch gesehen sterben indigene Australier acht Jahre früher als weiße Australier.

Die Yes-Kampagne sieht im indigenen Beratungs-Rat ein Mindestmaß an Wiedergutmachung kolonialer Verbrechen. Die – wenn auch nur zaghafte – politische Integration sichert zudem die Teilnahme am politischen Leben.

Menschenrechtsanwalt Geoffrey Robertson bewertet das mögliche sich ankündigende Scheitern des Referendums als ein „Votum einer ignoranten und rassistischen Bevölkerung“. Robertson: „Wenn die Australier mit Nein stimmen, ist dies rassistisch, weil wir einer ethnischen Minderheit die Chance auf Aufstieg verweigern, auf die sie Anspruch hat“, schrieb Robertson in „The Sydney Morning Herald“.

Laut dem indigenen Aktivisten Noel Pearson, eine treibende Kraft des Referendums, stünden die Australier beim Referendum vor einer „moralischen Entscheidung“ und einer verfassungsrechtlichen Frage. Die Zustimmung „bringt uns Hoffnung und Glauben“, so Pearson, die Ablehnung hingen würde „uns zurückwerfen und Schande über das Land bringen“. Pearson ergänzte: „Nein wäre ein Hohn für das Land.“

Für einige Beobachter ist der Ausgang klar, das Referendum ist zum Scheitern verurteilt war, weil noch nie in der australischen Geschichte ein Referendum ohne die parteiübergreifende Zustimmung stattgefunden hat.“

Die konservativen Oppositionsparteien argumentieren, dass das Anliegen des Referendums die Australier entlang der Rassengrenzen spalten würde. Für Sussan Ley von der oppositionellen konservativen Liberalen Partei ist das Referendum negativ, genauso die Ergebnisse. Ley betonte im Sender Sky News, das Referendum hinterlässt nur Verlierer. Ein Nein sorgt für Frust und Hoffnungslosigkeit, ein Ja hingegen spaltet das Land. 

Die indigene Intellektuelle Marcia Langton, sie wirkte am Referendums-Inhalt mit, kritisierte die konservativen und ablehnenden Argumente als dumm und rassistisch.

Nach seinem Wahlsieg vor einem Jahr präsentierte der sozialdemokratische Premier Albanese erstmals das Referendum. Damals begrüßte eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger das Anliegen zugunsten der indigenen Völker. Kurz vor dem Referendum lag aber die Ablehnung bei satten 56 Prozent.

Eine Rekordzahl von australischen Bürgerinnen und Bürgern ließen sich für das Referendum registrieren. Und zwar 97 Prozent der wahlberechtigten Australierinnen und Australier.

Die sozialdemokratische Regierung will Unrecht und Verbrechen wieder gutmachen. Der angeblich weiße Kontinent Australien soll sich zu seinen indigenen Wurzeln bekennen, zu seiner inzwischen pluri-nationalen Ausgestaltung. Ein Versuch, die tatsächlich vorhandene Diversität anzuerkennen, besonders aber die indigenen Völker in die Mitte der australischen Gesellschaft zu holen, auch als institutionelles Element.

Vor einem Jahr scheiterte in Chile das ambitionierte Verfassungsreferendum, an dem federführend auch Angehörige der indigenen Völker beteiligt waren. Ihre Forderung war klar und unzweideutig, Chile anerkennt nicht nur die indigene Existenz, sondern auch indigene Landrechte und Autonomie. Eine übergroße weiße Mehrheit lehnte den Verfassungsentwurf ab. Indigene Rechte, nein Danke. Australien wird wohl sagen, no indigenous voice.

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