Militärs für Staatsstreich

Die spanische Rechte schwafelt vom Staatsstreich der Linken, Offiziere im Ruhestand rufen zum Putsch auf.

Von Wolfgang Mayr

Hunderttausende Spanierinnen und Spanier demonstrieren gegen die geplante Amnestie katalanischer Unabhängigkeitsaktivistinnen und Aktivisten. Das geeinte Vaterland sehen sie in Gefahr, den Rechtsstaat und die Demokratie. Auch deshalb, weil der sozialistische Ministerpräsident Sanchez angeblich eine Diktatur plane.

Eine aufgeheizte nationalistische Stimmung, befeuert von der rechten spanischen Volkspartei PP und den Verbündeten von der neofaschistischen Vox. Unterstützt werden die um das Wohl des Vaterlandes protestierenden Parteien vom Verband des spanischen Militärs (AME), der im tiefsten Franquismus wurzelt. 50 Offiziere im Ruhestand appellierten an das Militär, Sanchez abzusetzen.

Spanische Medien wie „Infolibre „ und „El País „ berichteten über das Manifest der AME, unterzeichnet von ehemaligen Generalmajoren, Brigadegenerälen und zahlreiche Obersten. Die Tageszeitung „El País“ wusste zu berichten, dass das Manifest auch Soldaten unterschrieben haben, die 2020 in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe mit mehr als 200 Mitgliedern über die Erschießung von 26 Millionen linken Spaniern – „Hurensöhne“, Zitat aus dem Chat – schwadronierten. Weil es sich um eine private Kommunikation gehandelt habe, stellte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein. Ein doch seltsames Rechtsempfinden der spanischen Justiz. 

Die Militärs im Ruhestand betonen im Manifest, dass sie „besorgt über die Zukunft Spaniens“ seien, prangern die „Schikanierung der Rechtsstaatlichkeit“ durch die Regierung an, die sich über die Justiz hinwegsetze und damit „die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung“ aufhebe. 

Sozialistische Justiz?

Die Ruheständler stellen fest, dass die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts nicht die Neutralität garantieren könne. Es gebe Richter, die den Sozialisten nahe stünden. Dieses Gericht überschreite seine Kompetenzen, es „korrigiere“ Urteile des Obersten Gerichtshofs. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Cándido Conde-Pumpido, habe einen politischen Hintergrund, „der die Neutralität seines Handelns nicht zulässt“. Conde-Pumpido ist Mitglied des demokratischen Richterbundes und Gründer der Vereinigung für Menschenrechte im Baskenland. Dort ermittelte er in den 1980er Jahren als Richter auch gegen Polizisten und Militärs, die einen „schmutzigen Krieg“ gegen die baskische Terrororganisation ETA führten.

Auch die Generalstaatsanwaltschaft neige dazu, die „Diktate“ der Regierung widerspruchslos zu übernehmen.  Das sei ein Widerspruch, warnen die Militärs, die Justiz müsse die Legalität, die Rechte der Bürger und des öffentlichen Interesses verteidigen und die Unabhängigkeit der Gerichte gewährleisten. Warum diese „legalistische“ Breitseite der Uniformierten? 

Sie scheinen die ideologische Speerspitze der spanischen Nationalisten zu sein, die in der Amnestie eine „unerträgliche Begnadigung für die Verbrecher des Staatsstreichs vom Oktober 2017“ befürchten. Die Offiziere schreiben von „Volksverhetzung und Veruntreuung“, für die  katalanischen „Kriminelle“ zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Ihre Tat, das Referendum, sei „ausschließlich aus politischen Interessen“ erfolgt. Was auch immer das heißen mag. 

Die Militärs geifern, das Referendum gefährdet die Einheit der Nation, führe zum Bruch der Nation, die einzigartig und unteilbar sei. Für sie ist es unerträglich, dass Katalonien als „historische Nationalität“ bezeichnet werde. 

Der Verband des Militärs AME ist bekannt für seine rechtsextremen Positionen. Er verharmloste den Putsch von General Franco 1936 gegen die demokratisch gewählte Regierung, der zum Bürgerkrieg und zur Franco-Diktatur führte. Wahrscheinlich trauern sie auch dem Putsch-Versuch der Guardia Civil von 1981 gegen die Demokratisierung nach. 

Die pensionierten Militärs behaupteten zudem fälschlicherweise, Ministerpräsident Sánchez habe einem neuen Referendum über die katalanische Unabhängigkeit zugestimmt. Für die Franco-Anhänger in Uniform sei dies ein Bruch der Verfassung, die die „Einheit der spanischen Nation“ festschreibt.

Zur Erinnerung, diesen Passus fügten Vertreter des frankistischen Staates in die Verfassung des demokratischen Spaniens ein. Ansonsten hätten sie den Übergang von der Diktatur in die Demokratie verhindert. Sollte das Amnestie-Gesetz vom Parlament genehmigt werden, könnte auch Carles Puigdemont – Architekt des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums von 2017 – nach Spanien zurückkehren. 

Nationalistische antikatalanische Volksfront

Die Opposition will den Gesetz-Entwurf anfechten und organisierte sich auch Hilfe in Brüssel. So mokierte sich die EU-Kommission über die angebliche Unrechtmäßigkeit der Amnestie, CSUler Manfred Weber als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei agiert als Sprachrohr der spanischen Rechten im Europaparlament.

Letztendlich entscheidet das Verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Amnestie-Vorhabens. Die spanische Verfassung sieht zwar keine Amnestie vor, verbietet sie aber auch nicht ausdrücklich, wie hochrangige Juristen sachlich hinweisen. 

Die Pensionisten von der AME wettern zudem in ihrem Manifest gegen die Entmilitarisierung Spaniens. Sie schreiben von einem „Angriff auf die Streitkräfte“, weil Kasernen aufgelöst und Militärparaden nicht mehr abgehalten werden. Sie bedauerten auch die „Verachtung des Staatssicherheitskorps und der Staatssicherheitskräfte“, weil in der Provinz Navarra die Guardia Civil abgezogen, in Katalonien Polizeistationen der Guardia Civil an die dortige Polizei übergeben wurden. 

Nicht akzeptabel sei auch die „fortgesetzte Verletzung der Grenzen durch illegale Einwanderer“, geduldet von der sozialistischen Regierung. AME kritisierte auch heftig, dass Spanien Westsahara – einst spanische Kolonie – als eine autonome Provinz Marokkos anerkenne. 

Die Möchtegern-Putschisten berufen sich auf die Verfassung, laut der die Streitkräfte nicht nur die Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens und die Verteidigung seiner territorialen Einheit garantieren, sondern auch die „Pflicht haben, die verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen“. Diese Ordnung sei nicht mehr gewährleistet, die Regierung fördere die Ungleichheit der spanischen Bürger vor dem Gesetz und damit den möglichen Bruch der Einheit der spanischen Nation. Deshalb, so die Schlussfolgerung der AME, müssten „diejenigen, die für die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung verantwortlich sind“, den Ministerpräsidenten absetzen und Neuwahlen auszurufen.

Das entspricht exakt den Forderungen der PP und Vox. Und was sagen EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und EVP-Vorsitzender Manfred Weber dazu? Ist dieser neue Frankismus mit den europäischen Werten kompatibel?

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