14-07-2025
Mauritius-Chagos: Aktivist:innen beklagen die verweigerte Selbstbestimmung
Das Vereinigte Königreich hat als einstige Kolonialmacht den Archipel an Mauritius “übertragen”

In London protestierten Chagos-Bürger gegen das Abkommen Großbritanniens mit Mauritius. Die Chagos-Inseln werden nicht selbständig, sondern Teil von Mauritius. Foto: thenation.com
Von Wolfgang Mayr
Mit einer Eingabe an den UN-Menschenrechtsausschuss wehren sich Chagos-Aktivist:innen gegen den Vertrag zwischen Großbritannien und Mauritius.
Laut dem online-Magazin “Nationalia” der katalanischen NGO Ciemen stellen sie den am 22. Mai 2025 unterzeichneten Vertrag, seine Rechtmäßigkeit und Legitimität in Frage.
Bertrice Pompé und Bernadette Dugasse beklagen in ihrer Eingabe, dass die Bewohner der Chagos-Inseln vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen wurden. Die UNO sollte deshalb den Fall prüfen und Mauritius auffordern, die Ratifizierung des Vertrags auszusetzen.
Frankie Bontemps von Chagossian Voices, Claudette Lefade (Chagos Asylum Group) und Cynthia Othello (Association Chagossiens de France) wandten sich an den UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD). Ihr Vorwurf und ihre Kritik, das Abkommen sei “rassistischer Natur”, da es weder die Beteiligung noch die Zustimmung der Inselbewohner vorsieht.
Die drei Chagos-Organisationen fordern das Recht auf Selbstbestimmung, die garantierte Beteiligung an Entscheidungen, klare Garantien für die Rückkehr nach Chagos sowie den Schutz der kulturellen Rechte des Chagos-Volkes.
Nicht alle Chagos lehnen den erwähnten Vertrag ab. Chagos Refugees Group und das Chagossian Committee Seychelles begrüßten das Abkommen, wird damit doch die britische Kolonialherrschaft beendet. Die beiden Organisationen rufen die Vertriebenen auf, nach Chagos zurückzukehren. Sie stimmen mit den Kritikern überein, dass die Betroffenen über grundlegende Aspekte des Umsiedlungsprozesses entscheiden müssen. Außerdem müsse Chagos innerhalb Mauritius autonom sein und über politische, wirtschaftliche, rechtliche, ökologische und kulturelle Selbstverwaltung verfügen.
Briten und US-Amerikaner weiterhin auf Chagos
Bereits 2024 einigten sich Großbritannien und Mauritius auf das Abkommen. Die Hoffnungen der Chagos-Bewohner wurden enttäuscht, sie wurden nicht selbständig, sondern Teil von Mauritius. Das Abkommen sieht außerdem vor, dass Großbritannien und die USA für weitere 99 Jahre den Militärstützpunkt Diego Garcia nutzen können. Dies war eine wesentliche Bedingung Londons für die Aushandlung eines Abkommens mit Mauritius.
Der Vertrag beendet einen jahrzehntelangen diplomatischen Streit und erfüllt die Forderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) nach britischer Aufgabe von Chagos. 1965, drei Jahre bevor Mauritius die Unabhängigkeit gewährte, trennte London die Chagos-Inseln ab und behielt sie als Britisches Territorium im Indischen Ozean. Der IGH entschied, dass diese Gebietstrennung rechtswidrig war.
Zwischen 1966 und 1973 zwang das Vereinigte Königreich die 2.000 Einwohner zum Verlassen von Chagos. Nur so konnte die Militärbasis errichtet werden. Eine Rückkehr der Vertriebenen und ihrer Nachkommen auf die Hauptinsel Diego Garcia ist weiterhin nicht möglich. Im Gegenzug zahlt Großbritannien 25 Jahre lang jährlich 40 Millionen Pfund an die Bewohner der Chagos-Inseln.
Die Exilorganisationen der Chagos-Insulaner, die hauptsächlich im Vereinigten Königreich, auf Mauritius und auf den Seychellen ansässig sind, kritisieren das Verbot auf Rückkehr. In dem Vertrag bekennen sich die beiden Regierungen aber zur Rückkehr auf den restlichen Archipel.
Siehe auch:
– Großbritannien-Chagos Archipel: Das Ende der letzten britischen Kolonialie in Afrika
– Wem steht das Selbstbestimmungsrecht zu?
– Philipps Sands, die letzte Kolonie
– Am Beispiel Chagos
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