18-09-2023
Lumbee-Country ist Trump-Land
Die um ihre Anerkennung kämpfenden Lumbee wählten gleich drei Mal den Populisten.
Von Wolfgang Mayr
Das Land der Lumbee im südöstlichen Teil von North Carolina ist fest in republikanischer Hand. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2022 stimmten die Angehörigen des Lumbee Tribe of North Carolina mit übergroßer Mehrheit für Donald Trump. Der weiße Suprematist aus New York kommt bei dieser Volksgruppe offensichtlich gut an.
Das Lumbee-Land wurde zu einer republikanischen Hochburg, zu einer Festung der harten rechten Trump-Republikaner. Das Polit-Magazin Politico widmete nach den Präsidentschaftswahlen 2020 eine breite Analyse diesem Phänomen. Das zwei Jahre später nochmals bestätigt wurde.
Bei den midterms 2022 wählten die Lumbees in vier Counties mit deutlichem Vorsprung wieder republikanische Kandidaten, in nur zwei Counties kreuzten die Lumbee die Demokraten ein.
Die Lumbee wechselten Seite, von den Demokraten zu den Republikanern. Warum? Das Polit-Magazin Politico versuchte Antworten zu finden. Die Lumbee, die outsiders, die auch von den demokratischen Bundesregierungen im Stich gelassen wurden, aber auch von ihren westlichen Nachbarn in den Blue Ridge-Mountains, von den Cherokees.
Mit mehr als 55.000 Angehörigen zählen die Lumbee zur größten indigenen Volksgruppe östlich des Mississippi. Sie sind die Nachfahren der von den Engländern und Schotten überrannten First Peoples, die entlaufenen Sklaven und verarmte Weißen bei sich aufgenommen haben. Die Lumbee sind die Überlebenden der europäischen Invasion im 16. Jahrhundert. Sie behaupteten sich als „distinct group“, beharren darauf, die Erben der Ureinwohner zu sein und drängen seit bald zwei Jahrhunderten auf die bundesstaatliche Anerkennung als „federal tribe“.
Seit 1885 sind die Lumbee vom Staat North Carolina als Ethnie anerkannt, nicht aber vom Bund. Seitdem versuchen sie hartnäckig, von Washington als indigene Volksgruppe anerkannt zu werden. Für US-weite Schlagzeilen sorgten die Lumbees in den 1950er Jahren. Der rechtsradikale Ku Klux Clan beschimpfte die Lumbee als „Mischlinge“, ein „Produkt der Rassenmischung“.
Ende Januar 1958 rief der KKK in den Lumbee-Counties zum Protest gegen die angebliche „Rassenmischung“ auf. 500 bewaffnete Lumbee vertrieben die rassistischen Klan-Anhänger. Eine deutliche Positionierung, eine klare Ansage gegen den Clan. Die Lumbee wählten deshalb auch demokratisch, gegen die Rassisten.
Eine demokratische Hochburg wird republikanisch
Seitdem scheint viel passiert zu sein, gab es offensichtlich viele Brüche. Im Lumbee Tribal Council engagieren sich republikanische Aktivisten des rechten Flügels. Sind sie der Ausdruck des Protests gegen die angebliche, gefühlte oder tatsächliche Benachteiligung der ländlichen Gebiete durch die städtische Elite?
In seiner Reportage verweist das Magazin Politico auf großflächig brachliegende Sojabohnen- und Maisfelder, auf verrostende Silos, auf auch verwahrloste Wohnwägen und Ziegelblockhäusern. Das Robeson-County verarmt, ein ländliches Ghetto, das das Herz der Lumbee-Region ist. Das südöstlich gelegene Binnenland der Lumbee scheint vergessen worden zu sein, wie viele andere ländliche Regionen auch.
Das Lumbee-Country steht stellvertretend für das ländliche Amerika, einst zutiefst demokratisch, inzwischen republikanisch, sehr weit rechts. Politico spricht von einem Loyalitätswechsel, die Pro-Trump-Stimmen der Lumbee verhalfen 2016 Trump in North Carolina zum Wahlsieg.
Robeson ist der größte County in North Carolina, er entspricht flächenmäßig Rhode Island. Es ist einer der ärmsten Bezirke dieses Staates, der Bildungsstand ist erschreckend niedrig. Der County ist bevölkerungsmäßig sehr divers, von den 130.000 Einwohnerinnen und Einwohnern stellen die Lumbee mehr als 42 Prozent, die Weißen 30 Prozent, 24 Prozent sind Schwarze. Gleichzeitig wächst der „hispanische“ Bevölkerungsanteil, Mittel-Amerikaner, inzwischen meist indigen.
Lange Zeit widerspiegelte die Demokratische Partei das Einwanderungsland USA, die multiethnische Zusammensetzung der Bevölkerung in den Metropolen plus Umland. Divers sind inzwischen auch die ländliche USA, wie eben der Robeson-County in North Carolina. Die Trump-Republikaner punkteten und punkten ausgerechnet auf dem divers gewordenen Land, das bevölkerungsmäßig keineswegs schrumpft. Außer die Wirtschaft.
Im Robeson-County wählte die übergroße Mehrheit der Weißen Trump, auch in den schwarzen Bezirken legten die Republikaner zu. Völlig überraschend für die Demokraten auch der Trump-Siegeszug im Lumbee-County. Seine Themen kamen an: für Waffen, für das Militär, gegen Abtreibung, gegen das Freihandelsabkommen NAFTA. Warum? NAFTA führte zu geschlossenen Fabriken und zu einem sinkenden Lebensstandard, antworteten die Republikaner. Die republikanischen Hyper-Nationalisten kündigten an, sich für die bundesstaatliche Anerkennung der Lumbee einzusetzen. Das kam bei den Lumbee gut an. Trump versprach dies 2020 auf einer Kundgebung in der Kreisstadt Lumberton. Ein Großereignis, noch nie hatte sich ein amtierender Präsident zu den Lumbees verirrt.
Trump für Lumbee-Anerkennung
Und deshalb stimmten sie für Trump, schreibt Politikwissenschaftler Tom Eamon von der East Carolina University über die politische Geschichte des Staates. Sie, die Lumbee, waren wahlentscheidend. „Die Lumbee verhalten sich jetzt bei den Wahlen wie weiße Wähler auf dem Land, ohne College-Abschluss“, sagte der Demokrat Morgan Jackson. Offensichtlich passen sich die ethnischen Minderheiten der weißen Mehrheit an.
Das ländliche Amerika und seine konservativen Werte scheinen zu einem Bindemittel für die multiethnische Bevölkerung geworden zu sein, zitiert Politico den Politikwissenschaftler Steve Greene von der North Carolina State University. Das belegen auch die Wahlergebnisse von Texas bis nach Florida. Die ethnische Blockbildung zugunsten der Demokraten bröckelt. Die Lumbee sind das Beispiel schlechthin. Sie sind Christen, sehr konservativ, obwohl Angehörige der Arbeiterklasse. Diese Zugehörigkeit war lange prägend, deshalb zählten die Lumbee-Wählerinnen und Wähler jahrzehntelang als demokratisches Wählerreservoir.
George W. Bush brach in den 2000er Jahren die demokratische Dominanz bei den Lumbee. Bush war gegen Abtreibung, ein wiedergeborener Christ. Mit seinem Wahlsieg bei den Lumbee legte er den Grundstein für den späteren Triumph von Trump. Der wirtschaftliche Abschwung verstärkte den Trend hin zu den Republikanern. Im gesamten Lumbee-Landkreis machten Fabriken dicht. Hunderte Arbeitnehmende wurden entlassen, die schon geringen Löhne schrumpften, ebenso die Sozialleistungen, wirtschaftliche Alternativen gab es kaum. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis liegt bei weniger als 19.000 Dollar pro Jahr. Der County verarmte rapide.
2010 übernahmen die Republikaner zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert die Macht im Bundesstaat North Carolina. 2016 konnte Trump dann ernten, mehr als 51 Prozent. „Der Grund, warum Robeson County republikanisch gewählt hat, ist, dass die indianische Bevölkerung republikanisch gewählt hat“, sagte ein Lumbee-Republikaner zu Daniel Allott, der in seinem Buch On the Road in Trump´s America Robeson-County als einen der entscheidenden Bezirke für den republikanischen Wahlsieg beschrieb. Seitdem hält die republikanische Welle an. Die Ursache dafür, die Menschen im County wurden vergessen, erklärte der Demokrat Dan McCready dem Magazin Politco.
Abgehängtes Lumbee-Country
„Die Menschen kämpfen nicht nur mit steigenden Gesundheits- und Bildungskosten, mit prekären Arbeitsplätzen, von denen viele aufgrund von NAFTA und anderen Handelsabkommen verloren gegangen sind – sie erhalten nicht die Katastrophenhilfe, die ihnen von Politikern in Washington und Raleigh versprochen wurden. Und dann sind die Lumbee mit einer unerträglichen Ungerechtigkeit konfrontiert, nämlich mit der fehlenden bundesstaatlichen Anerkennung,“ führte McCready aus.
„Die Lumbee sind kulturell konservativ, religiös und unternehmerisch. Und immer mehr von uns sind beunruhigt über den Linksruck der Demokratischen Partei“, analysierte Jarrod Lowery, Mitglied im Stammesrat und Republikaner die politische Entwicklung bei den Lumbee.
Nicht von ungefähr schickte Trump enge Mitarbeiter zum Wahlkampf 2020 nach North Carolina, zu den Lumbee. Seinen Auftritt bei den Lumbee nutzte Trump für sein angeblich pro-indianisches Image, er warb für die bundesstaatliche Anerkennung der Lumbee. Trump war nicht der erste Politiker, der sich dafür aussprach. Republikanische Senatoren aus North Carolina unterstützen seit Jahren das Anliegen, genauso Mitglieder des Repräsentantenhauses beider Parteien, die die Lumbee-Counties vertreten. Den Lumbee Tribe of North Carolina Recognition Act brachte der Demokratie G.K. Butterfield ins Repräsentantenhaus von North Carolina ein. Trump war nicht einmal der erste Präsidentschaftskandidat 2020, der sich dafür aussprach. Demokrat Biden hatte es zwei Wochen zuvorgetan. Aber Trump tat es in der Öffentlichkeit am lautesten.
„Die Lumbee kämpfen seit mehr als einem Jahrhundert für die Anerkennung durch den Bund“, tönte Präsident Trump am 21. Oktober bei einer Kundgebung in Gastonia. „Werde ich wiedergewählt, werde ich den Lumbee Recognition Act genehmigen“, versprach er, „und wir werden es schaffen.“
Drei Tage später war Trump in Lumberton und der Lumbee-Republikaner Lowery bedankte sich in seiner Eröffnungsredner auf der Kundgebung bei Trump. Der Präsident wiederholte publikumsgerecht sein Versprechen, für die bundesstaatliche Anerkennung zu sorgen. Die Fotos der Unterstützer mit „Lumbees for Trump“-Plakaten überraschten auch das Indian Country. Das schlug sich dann auch in den Wahlergebnissen im Lumbee-Country für die Republikaner nieder.
In den überwiegend von Schwarzen bewohnten Bezirken war die Wahlbeteiligung fast ausnahmslos deutlich gestiegen. Zugunsten von Trump, Stimmen gegen die „Sozialisten“, gemeint sind damit die Demokraten. In den mehrheitlich von Lumbee bewohnten Gebieten kletterte die Zustimmung für Trump auf Rekordprozentsätze, bis zu 70 Prozent.
In diesen Bezirken mit sehr hohen Anteilen an Minderheiten stimmte eine Mehrheit für einen Mann, der vom halben Land als Rassist wahrgenommen wird, kommentierte die Tageszeitung „Robesonian“ die republikanischen Wahlergebnisse. Das ländliche Amerika entscheidet über die US-Zukunft?
Ländlich und divers
Das urbane Amerika ist bevölkerungsreicher und vielfältiger als das ländliche Amerika, dieses „ländliche Amerika“ gibt es aber in vielen Variationen. Jede/r fünfte US-BürgerIn lebt in einer ländlichen Gegend, und jeder fünfte Landbewohner ist nicht weiß.
„Die Demokratische Partei hat einen großen Teil des ländlichen Amerikas verloren und dazu gehört auch das ländliche Amerika der Minderheiten“, analysierte Sarah Treul, Politikwissenschaftlerin an der University of North Carolina in Chapel Hill.
„Wir wurden von verschiedenen Regierungen im Stich gelassen“, sagte Harvey Godwin, der ehemalige Vorsitzende des Lumbee-Rates. Seit mehr als 130 Jahren warten die Lumbee auf die geforderte und erhoffte bundesstaatliche Anerkennung. Trump bekannte sich überlaut in aller Öffentlichkeit zu diesem Wunsch. Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete ganz in diesem Sinne im November 2020 den Anerkennungs-Akt. Seitdem ist es um diesen Akt still geworden, er erreichte nicht den Senat.
„Politico“ wirft den Republikanern vor, ihr Versprechen gebrochen zu haben. Wie auch die gegebenen Versprechen zugunsten der Bergleute in West Virginia oder der Autobauer in Ohio. Trotzdem, in West-Virginia und in Ohio legten die Republikaner bei den letzten Wahlen abermals zu, auch in den Lumbee-Bezirken bei den Wahlen für den zu besetzenden offenen Senatssitz 2022.
Die Lumbee sind keine Ausnahme. In Oklahoma wählen die Cherokee traditionell republikanisch, es war ein Demokrat, der sie 1838 aus ihrer Heimat in den Appalachen vertrieb. Aber auch in den Reservaten der Rocky Mountain-Staaten wächst die Zustimmung für die Republikaner. Die Demokraten, einst auch die Partei der Minderheiten, scheint die Minderheiten zu verlieren. Aus dem Indian Country wird zusehends ein Trump-Country.
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