02-05-2023
Kumpanei mit den Militärs
Die EU ließ im Sudan die Demokratiebewegung im Stich
Von Wolfgang Mayr
Im 2011 unabhängig gewordenen Süd-Sudan tobte lange ein Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Ethnien. Die auch von der GfbV unterstützte südsudanesische Befreiungsbewegung zerfiel und überzog die Zivilbevölkerung mit Gewalt und Terror. Befreiung, Fehlanzeige.
Der Südsudan folgte dem Beispiel Eritrea, einst auch von der GfbV im Kampf um Selbstbestimmung publizistisch begleitet. Eritrea, seit 1993 von Äthiopien unabhängig, zählt heute zu den autoritärsten Staaten Afrikas. Unterdrückung statt Befreiung. Soldaten aus Eritrea kämpften mit äthiopischen Truppen gegen die Provinz Tigray.
Die moslemisch-arabische Mehrheit im Nord-Sudan drangsalierte lange die meist christliche schwarzafrikanische Bevölkerung des Süd-Sudans. In der einst britischen Kolonie mit seinen Kolonial-Grenzen zählte Militärdiktator Umar al_Bschir zu den Schlächtern der südsudanischen Bevölkerung.
Al-Baschir ließ seine marodierenden Militärs 2003 auch gegen Aufständische in Darfur im Westen des Sudans „vorgehen“. Als besonders extreme Gewalttäter outeten sich die arabische Milizen Dschandschawid. Sie gingen äußerst brutal gegen die nicht arabisch stämmigen Volksgruppen in Darfur vor. Mehr als 300.000 Menschen wurde ermordet. Tausende vertrieben, das Land verwüstet. Diese Gewalt endete nie in Darfur.
Die Dschandschawid wurden militärisch aus dem Ausland unterstützt, von Russland und China, recherchierten mehrere Menschenrechtsorganisationen. China plünderte zudem die Ölreserven in Darfur.
Die Dschandschawid heißen heute „Rapid Support Forces“, Paramilitärs, die den Machtanspruch des sudanesischen Militärs in Frage stellen. Die RSP, der Name ist zweifelsohne Programm, wollen die Macht über das Land. Sie wollen die Macht nicht mehr teilen.
Linke zauberten daraus schnell einen angeblichen Stellvertreterkrieg zwischen den USA auf der einen und Russland sowie China auf der anderen Seite. Billige Schwarz-Weiß-Malerei, im Fall Sudan sind Russland und China die treibenden Kräfte von Gewalt und Krieg, von zügelloser Ausbeutung.
Warnungen vor Eskalation ignoriert
Die Gesellschaft für bedrohte Völker erhob nach dem Ausbruch der Gewalt zwischen Militärs und Paramilitärs schwere Vorwürfe. Die internationale Gemeinschaft habe Warnungen demokratischer Aktivistinnen und Aktivisten sowie internationaler Beobachter ignoriert. Lange schon gab es Spannung zwischen den beiden Machthabern, Staatschef Abdelfattah al-Burhan und seinem Vize Mohamend Hamdan Dagalo, genannt General Hemedti.
Die Leiterin der Menschenrechtsarbeit der GfbV, Sarah Reinke schreibt: „Es war bekannt, dass Hemedti ein hochgefährlicher Milizenführer ist, der eine Truppe von 70.000 Mann befehligt. Sein Name ist untrennbar mit dem Völkermord in Darfur verbunden. Niemand konnte überrascht sein, dass er zum Machterhalt Gewalt einsetzen würde.“
Die Bevölkerung des Sudan war lange brutalen Militärs ausgeliefertworden, mahnte die GfbV. 2019 sorgten Demonstrationen für ein Ende der Regierungszeit des Langzeitdiktators Omar Al Bashir. Die Hoffnung auf eine friedliche und demokratische Zukunft wurde bitter enttäuscht, die Nachfolger des Diktators hielten sich nicht an ihr Versprechen, Demokratie und Freiheit war nie ihr Ziel. Das hätten die Verbündeten nicht zugelassen, Russland und China.
Die GfbV formulierte in einem Schreiben an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine internationale Initiative unter Einbeziehung der demokratischen Zivilgesellschaft. Der Westen, die EU aber auch die UNO kümmerten sich wenig um diese Zivilgesellschaft, sie wurde gar nicht zur Kenntnis genommen. Wie schon bei den Auseinandersetzungen zwischen Militärs und Islamisten in Algerien 1992 nahm Europa kaum Notiz von der interethnischen Demokratiebewegung und schlug sich auf die Seite der Militärputschisten.
#SudanUprising
Dieses im Stich lassen der demokratischen Bewegung durch die EU problematisierte bereits 2019 Eman Noreen von der Initiative #SudanUprising auf adopt a revolution. In der Kampagne #EndJandjaweed warf die Initiative der EU vor, die aus den Jandjaweed-Milizen hervorgegangenen RSF zu unterstützen. Im Gespräch mit adopta revolution sagte Noreen (Name wurde aus Sicherheitsgründen geändert):
„Die RSF (Rapid Support Forces, die ehemaligen Dschandschawid-Milizen) agiert unter anderem als eine Art Grenzschutztruppe. Und die EU versucht unter anderem im Rahmen des „Karthoum Process“ alles, um Geflüchtete auf dem Weg nach Europa aufzuhalten. Viele Geflüchtete, etwa aus Eritrea und Äthiopien, müssen durch den Sudan, um nach Libyen zu gelangen, von wo aus sie die Flucht über das Meer versuchen. Wir beobachten, dass die RSF, die eigentlich im Westen des Sudans stationiert sind, mittlerweile auch im Osten an der Grenze zu Eritrea stark präsent sind. Das ist kein Zufall. Wir müssen zeigen, dass die Politik der „Externalisierung“ der EU-Grenzen dazu führt, dass Milizen wie die RSF gestärkt und unterstützt werden. Dabei sind diese für schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit bis hin zu Völkermord verantwortlich. Darauf machen wir mit der Kampagne #Endjanjaweed aufmerksam.“
Wie haben es Leute wie General al-Burhan oder der RSF-Befehlshaber Hemedti geschafft, sich an der Regierung zu halten?
„Die Revolution hatte mehrere Phasen: Erst dachten die Militärs, wenn sie Omar al Bashir absetzen, gäbe es Ruhe, aber dem war nicht so – die Proteste gingen weiter. Dann ereignetet sich am 3. Juni 2019 das Massaker in Karthoum: Die RSF schossen auf Protestierende und töteten über 100 unbewaffnete Demonstrant*innen. Die Militär-Übergangsregierung brach die Verhandlungen einfach ab. Ein Generalstreik zwang die Generäle schließlich wieder an den Verhandlungstisch. Aber es ist nicht einfach. Die Militärs erhalten beispielsweise aus Ägypten oder Saudi-Arabien Unterstützung. Dadurch verfügen sie über sehr viel Geld und können teure PR-Agenturen beauftragen und sehr effektiv Propaganda verbreiten.“
Trotz der frühen Warnungen über die wahre Natur der Machthaber änderte sich nichts an der Haltung der EU gegenüber den sudanesischen Militärs und RSF-Milizen. Die EU sponserte letztendlich eine Terrorgruppe, die von den Söldnern der Wagner-Gruppe mit Waffen und sonstigem Know-How beliefert werden.
Mit der Kampagne #EndJanjaweed wollte die Initiative #SudanUprising auf Verstrickungen der EU in Verbrechen im Sudan aufmerksam. Eine gescheiterte Kampagne, die tödlichen Folgen muss die Zivilbevölkerung erleiden.
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