13-05-2024
Katalanisches Desaster
Wieder sind die „separatischen“ Wähler:innen zuhause geblieben.

Von Wolfgang Mayr
Nur knapp mehr als die Hälfte der Bürger:innen wählten am vergangenen Wochenende. Mutmaßlich viele Anhänger:innen der Unabhängigkeitsparteien boykottierten die Parlamentswahl. Ein schon seit langer Zeit anhaltender Trend. Weil die „Separatisten“ nicht wissen, wie es weitergeht? Sie wurden dafür auch abgestraft.
Treu blieben die Wähler:innen der Puigedemont-Partei „Junts“, die sogar noch zulegen konnten (35 Sitze, 21 Prozent). Die sozialdemokratisch-republikanische katalanische Linke ECR (nur mehr 20 Sitze, 13 Prozent) verlor stark, genauso die linksradikale Unabhängigkeitspartei Cup (ebenfalls nur mehr 4 Sitze, 4 Prozent).
Erstmals nach zehn Jahren haben die Unabhängigkeitsparteien keine Mehrheit mehr. Die katalanische Welle scheint gebrochen zu sein. Bei den Wahlen 2021 stimmten noch 1,9 Millionen Katalan:innen für die Separatisten, sie erhielten dafür 74 Sitze (2017 waren es noch mehr als zwei Millionen). Jetzt sind es nur mehr 1,2 Millionen Stimmen und 59 auf insgesamt 135 Sitze.
Wahlsieger ist die katalanische Filiale der spanischen Sozialisten PSC mit 42 Sitzen (27 Prozent). In Katalonien konnten sich die Sozialisten, im Gegensatz zum restlichen Staatsgebiet, immer schon behaupten. Trotzdem wird sich Wahlsieger Salvador Illa schwertun, eine Regierung zu bilden. Die ECR kündigte nach der Wahlschlappe an, in die Opposition zu gehen.
Gewinner PSC
Zu den Gewinnern zählt auch die nationalkonservative Volkspartei PP (15 Sitze, 10 Prozent), mit satten Zuwächsen, die Neofrankisten von der Vox behaupteten sich (11 Mandate, 8 Prozent), auch der rechtsradikale Neuling katalanische Allianz AC zieht mit zwei Mandataren ins Regionalparlament ein. Im Parlament nicht mehr vertreten sind die spanisch-nationalistischen Ciutadans.
Die PSC-Sozialisten konnten ihre Erfolge bei den Gemeindewahlen weiterführen und sich in allen größeren Zentren durchsetzen. Wahlsieger Illa kündigte an, für die Präsidentschaft der Generalitat de Catalunya zur Verfügung zu stehen.
Carles Puigdemont forderte die ECR auf, die inner-separatistischen Streitigkeiten beizulegen. Er regte an, eine Regierung aus Junts und ECR zu bilden. Im Geiste der Unterstützung der Junts für Ministerpäsident Sanchez im spanischen Parlament in Madrid sollte die PSC im Gegenzug eine Minderheitsregierung in Barcelona unterstützen. Die ECR winkte bereits beleidigt ab. PSC und Junts seien jetzt am Zug. Auch die sozialistischen Wahlsieger denken gar nicht dran, Puigedemont zu unterstützen.
Die internationalen Medien reagierten nachgerade begeistert auf den sozialistischen Wahlsieg und auf die schallende Ohrfeige für die Separatisten. Laut den Kommentatoren wählten die Katalan:innen ein pro-spanische Partei. Tatsächlich positionierte PSC-Spitzenkandidat Illa seine Partei anti-separatistisch. Nicht von ungefähr befand der abgewählte ECR-Regionalpräsident Pere Aragoners, dass unter Illa die Sozialisten strikt gesamtstaatliche Positionen einnehmen.
Zerstrittene Separatisten
Es ist erstaunlich, dass die separatistischen Parteien nach einer Serie von Wahlniederlagen es nicht schafften, zusammenzuschauen. Die drei Parteien, Junts, ECR und Cup, standen sich erschreckend feindlich gegenüber. Der ECR biederte sich immer wieder als die katalanische Alternative den Sozialisten an. Polit-Projekt geht anders.
Die zwischen Ministerpräsident Sanchez und der Junts ausgehandelte Amnestie für eine ganze Reihe katalanischer Politiker:innen und Aktivist:innen ist noch nicht in Kraft. Auch deshalb konnte Puigdemont in Katalonien nicht wahlkämpfen. Er wäre dort aufgrund des noch immer aufrechten Haftbefehls verhaftet worden. Deshalb lud Puigdemont seine Anhänger in die katalanischsprachigen Departements Frankreichs ein, nach Nordkatalonien. Zweifelsohne galten für Puigdemont andere Vorausetzungen, diskriminierende, als für die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten. Auch Demokratie geht anders.
Neuwahlen im Herbst?
Laut dem katalanischen Online-Magazin VilaWeb führen diesen Wahlen in die Stagnation. VilaWeb geht davon aus, dass die PSC-Sozialisten keine Minderheitsregierung aus Junts und ECR per Stimmenthaltung stützen werden. Die beiden Parteien werden ihrerseits nicht mit dem PSC zusammenarbeiten. Trotz des Amnestie-Pakts mit Ministerpräsident Sanchez.
Wird Illa also ein anti-katalanisches Bündnis anstreben mit der PP, mit der Vox und der „katalanischen Allianz“? Unvorstellbar, findet VilaWeb und geht davon aus, dass es nur eine geschäftsführende Regierung geben wird und Neuwahlen im Herbst.
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