Kalaallit Nunaat-Grønland: Unabhängig, aber mit Dänemark

Die Grönländer:innen wählten nur mehr Parteien ins Parlament, die die Unabhängigkeit anstreben. Kein Wunder

Wird Wahlsieger Jens-Frederik Nielsen von der Demokraatit-Partei Grönland in die Unabhängigkeit führen? Foto: Demokraatit

Wird Wahlsieger Jens-Frederik Nielsen von der Demokraatit-Partei Grönland in die Unabhängigkeit führen? Foto: Demokraatit

Von Wolfgang Mayr

 

US-Präsident Trump, ein “Mann der Tat” und “kreativer Lösungen”, befeuerte mit seinen Annexionsplänen die grönländische Lust auf Unabhängigkeit. Bei den Parlamentswahlen schickten die Wählenden nur mehr Unabhängigkeitsparteien ins Parlament.

Trotzdem, die Wahl ist eine Überraschung. Stärkste Partei wurden die Demokraatit, sie wird als unionistisch bis sozialliberal beschrieben, internationale Medien stufen die grönländischen Wahlgewinner als mitterechts ein. Ein Drittel der Wählenden kreuzten die Demokraatit an, bei den letzten Wahlen war es dürftige neun Prozent und drei Parlamentssitze auf insgesamt 31.

 

Sieg der Demokraatit

Die Demokraten sind eine wirtschaftsfreundliche Partei, zwar auch für die Unabhängigkeit, aber in einem Prozeß des Dialogs und der Verständigung mit Dänemark. In ihrer politischen Frühphase lehnten die Demokraten nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Autonomie ab. Bisherige politische Ziele waren Bildung und Wohnbau.

 

Platz zwei für Naleraq

Die Eroberungsgelüste des US-Präsidenten halfen der linksnationalistischen Naleraq, mit fast 25 Prozent zweitstärkste Partei zu werden. Sie befürwortet eine rasche Unabhängigkeit, sie gilt als strikt separatistisch.

Die Rechnung der vorgezogenen Neuwahlen ging für den nun abgewählten linken Ministerpräsidenten Múte B. Egede nicht auf. Das Wüten Trumps heizte zwar die Umfragen an, die den beiden linken Regierungs-Parteien Inuit-Ataqatigiit (Gemeinschaft des Volkes) und der sozialdemokratischen Siumut Chancen versprach, die absolute Mehrheit zu erzielen.

Daraus wurde aber nichts, Inuit-Ataqatigiit und Siumut, beide für die Unabhängigkeit über den Weg von langwierigen Verhandlungen, erhielten zusammen nur mehr 36 Prozent der Stimmen. 2021 waren es noch 66 Prozent.

 

Votum für Eigenstaatlichkeit

Egede hatte die Parlamentswahlen als ein Votum für die Eigenstaatlichkeit angekündigt. Stehen die Parteien zu ihren Unabhängigkeits-Aussagen, trifft die Ankündigung zu.

Jens-Frederik Nielsen, Vorsitzender der Demokraatit, sagte Reuters, “die Menschen wollen Veränderungen … Wir wollen mehr Unternehmen, um unseren Wohlstand zu finanzieren.” Das lässt viele Interpretationen zu. Wird Nielsen die Nähe zu den USA und den US-amerikanischen Investoren suchen? Investoren, die die begehrten Rohstoffe unter dem grönländischen Eis fördern möchten.

 

Insel als Großstadtghetto

Es geht nicht nur um die Förderung des Wohlstandes. Die grönländische Gesellschaft ist zerrüttet, auch eine der Folgen des dänischen Kolonialismus. Aber nicht nur. Weltweit höchste Suizid-Rate, Alkoholismus, Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch, Grönland so etwas wie ein Großstadt-Ghetto im geographischen Abseits mit gravierenden sozialen Problemen.

Nielsen setzt auf eine wirtschaftliche Entwicklung seiner Insel, die nicht nur im Visier der USA sind, sondern auch Russlands und Chinas. Wegen der reichhaltigen Rohstoffe, wegen der möglichen neuen Schiffrouten durch das schmelzende Eis, wegen der Sicherheit am Pol. Eine prosperierende Wirtschaft soll die Grundlage schaffen, sagte Nielsen, und “wir wollen nicht morgen die Unabhängigkeit.”

Passen die Wahlsieger Demokraatit und Naleraq in eine Koalitionsregierung? Qupanuk Olsen von Naleraq sagte im Wahlkampf: “Ich glaube fest daran, dass wir sehr bald anfangen werden, ein Leben zu führen, das mehr darauf basiert, wer wir sind, auf unserer Kultur, auf unserer eigenen Sprache, und dass wir anfangen werden, Vorschriften zu erlassen, die auf uns basieren, nicht auf Dänemark.” Naleraq plädiert für eine rasche Loslösung vom dänischen Staat.

 

Und die USA?

Die US-Interventionen, Grönland kaufen, Grönland annektieren, Grönland militärisch erobern, stärken Grönlands Position in möglichen Sezessionsgesprächen mit Dänemark, die Position von Naleraq. Die Partei will ein Abkommen mit Kopenhagen in vier Jahren der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegen.

Die moderatere linke Unabhängigkeitspartei Inuit-Ataqatigiit, mit 21 Prozent drittstärkste Fraktion im Parlament, bietet sich den Demokraten als Partner an. Die Aussage von Inge Olsvig Brandt von Inuit-Ataqatigiit weist in diese Richtung Koalition: “Wir brauchen die Unabhängigkeit jetzt nicht. Wir haben zu viele Dinge, an denen wir arbeiten müssen. Ich denke, wir müssen mit uns selbst und unserer Geschichte arbeiten, und wir werden viel Heilungsarbeit mit uns haben, bevor wir den nächsten Schritt machen können.”

So ähnlich formulieren es auch die Wahlsieger, die Demokraten. Zuerst die Hausgaben erledigen, derer gibt es unzählige und im Dialog bleiben mit Dänemark. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ meint deshalb auch, “dieses Wahlergebnis ist kein Sieg für Trump.” Trump kündigte in seiner ersten Rede im US-Kongress aber an: “wir bekommen Grönland so oder so”. Lautes Lachen und begeistertes Klatschen im Kongress lassen nicht Gutes erwarten.

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