Guatemala-Mexiko: Der „Tren Maya“ überrollt die indigenen Regionen

Mexiko will über Chiapas den „Interozeanischen Korridor“ schaffen

Die beiden Erschließungsprojekte "Tren Maya" und "Interozeanischer Korridor" sorgen in Mexiko und in Guatemala für Proteste. Foto: dialogue.earth

Die beiden Erschließungsprojekte "Tren Maya" und "Interozeanischer Korridor" sorgen in Mexiko und in Guatemala für Proteste. Foto: dialogue.earth

Von Wolfgang Mayr

 

Ein Projekt des Fortschritts, schwärmte einst der linke mexikanische Ex-Präsident Andrés Manuel López Obrador.  Seine linke Nachfolgerin Claudia Sheinbaum hält daran begeistert fest: Am Projekt des 1.500 km langen „Tren Maya“ und dem damit verbundenen „Interozeanischen Korridor“ von Südmexiko nach Guatemala.

Der „Interozeanische Korridor“ soll Güter über den mexikanischen Bundesstaat Chiapas in das mittelamerikanische Nachbarland führen und in Guatemala den Pazifikhafen Puerto Quetzal mit Puerto Barrios am Atlantik verbinden. Die Alternative zum Panama-Kanal.

Ein umstrittenes Projekt, an dem auch die Deutsche Bahn – in Deutschland berüchtigt für ihre Unpünktlichkeit und Kundenunfreundlichkeit – beteiligt war. Ein Projekt, an dem sich auch angebliche Linke begeistern können. Linke, die indigene Kritik gegen dieses „fortschrittliche“ Projekt zurückweisen.

 

Indigene Regionen bedroht

In den südmexikanischen Bundesstaaten Oaxaca, Veracruz, Chiapas und Tabasco sorgte das historische „Korridor-Projekt“ seit Jahrzehnten für Proteste und Widerstand: Denn Schienen-, Straßen und Hafeninfrastruktur sowie Energie- und Industrieparks bedrohen unzählige indigene und kleinbäuerliche Gemeinden sowie einige der artenreichsten Ökosysteme des amerikanischen Kontinents.

Das Projekt wird „flankiert“ von einer Militarisierung der betroffenen Regionen und einer Zunahme der Gewalt der organisierten Kriminalität.

 

Zerstörung der Tropenwälder

Das Projekt forciert auch die Ausdehnung der Monokulturen (z.B Palmöl) in der „Selva Maya“ im guatemaltekischen Petén. Das größte zusammenhängende tropische Waldgebiet Mesoamerikas ist auf der mexikanischen Seite bereits durch Bau und Betrieb des „Tren Maya“-Projektes beeinträchtigt. Damit kommt eine bisher abseitsgelegene Region an die Kandare der Zentrale.

 

Biokultureller Korridor?

Um künftiger Kritik und Proteste zuvorzukommen, unterzeichneten Mexiko und Guatemala Mitte August in Calakmul ein Abkommen zur Schaffung eines neuen „biokulturellen Korridors“ der Maya-Regenwaldregion (Corredor Biocultural de la Gran Selva Maya).

Dieser „Bio-Korridor“ soll 5,7 Millionen Hektar Regenwald schützen – wie der gleichzeitig in ebendieser Region ausgebaute touristische „Maya-Zug“ zu diesem „Schutz“ beitragen soll, bleibt indes vage: „Wir begreifen den Maya-Zug als eine Entwicklungslösung, die ein nachhaltiges Modell unterstützt und gleichzeitig das biologische, natürliche und kulturelle Erbe des Landes schützt“, erklärte der guatemaltekische Präsident Arévalo. Greenwashing, um das Projekt weiter voranzubringen.

 

Schutzgebiet soll nicht durchquert werden

Im Departamento „Petén“, welches vom Ausbau des „Tren Maya“ betroffen wäre, zeigen sich NGOs, Basisorganisationen und lokale Anwohner:innen alarmiert. Am See in Flores, den die spanischen Eroberer erst im 18. Jahrhundert unter ihre Kontrolle bringen konnten, hörte man bereits im vergangenen Jahr von den Plänen, den „Tren Maya“ nach Petén in Guartemala auszuweiten.

Die NGO „Asociación de Comunidades Forestales de Petén“ („Verband der Gemeinden des Waldes von Petén”, ACOFOP) verwaltet einen großen Teil des Schutzgebietes. Ihr vorrangiges Ziel, der „Tren Maya“ soll nicht durch das Biosphärenreservat führen – eine Zusage dafür haben sie inzwischen erhalten. Der Zug (wünscht die guatemaltekische Regierung) soll über Belize nach Guatemala geleitet werden.

 

Eine Wiederholung der Geschichte?

Warum wurde in Calakmul ein länderübergreifendes Schutzgebiet des Maya-Regenwaldes ausgerufen und gleichzeitig der länderübergreifende Ausbau des „Tren Maya“? 1989 wurde Calakmul zum Biosphärenreservat, die indigene Bevölkerung musste ihr Territorium verlassen – Menschen dürften nicht leben im „Reservat“. Heute steht in Calakmul, mitten im Schutzgebiet, neben der Zugstrecke des „Tren Maya“ und einer neuen Straße ein vom Militär verwaltetes Luxushotel.

 

Zerstörung auf allen Ebenen

Im mexikanischen Calakmul kritisiert der regionale Indigene Rat von Xpujil, dass mit dem Bau des „Tren Maya“ und des Militärhotels viel Umwelt zerstört wurde, Wassermangel herrscht, archäologische Artefakte zerstört oder gestohlen wurden, die organisierte Kriminalität eingedrungen ist und die stationierten Militärs die lokale Gesellschaft einschüchtern.

Die Aussage von Präsidentin Sheinbaum klingt da wie Hohn: „Wir arbeiten Seite an Seite, um eine Region zu schaffen, die ein Beispiel für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz ist, die Projekte bedeuten saubere und nachhaltige Lösungen.“

Dieses Projekt steht für einen grenzenlosen Güter-Transport der Erzeugnisse der Palmölplantagen sowie der Erdölvorkommen unterhalb des Maya-Reservats in Petén. Deshalb soll die infrastrukturelle Erschließung der Region hochgefahren werden.

Die mexikanische Regierung „begleitet“ mit ihrem Programm „Sembrando Vida“ die Giga-Projekte „Tren Maya“ und „Interozeanischen Korridor“ und stülpt den raumgreifenden Erschließungen ein öko-soziales Mäntelchen darüber. NGO verweisen auf die bereits gemachten Erfahrungen im guatemaltekischen Petén. Die touristische Erschließung bedeutet dort oft Umsiedlung der Einheimischen, die Zerstörung ihrer Dörfer.

 

Der neue Kolonialismus

Die Projekte „Tren Maya“ und „Interozeanischer Korridor“ forcieren einen umweltschädlichen Tourismus in der Selva Maya, befürchten guatemaltekische Basisorganisationen. Für die indigene Bewegung der Zapatistas im mexikanischen Bundesstaat Chiapas sind die Megaprojekte die Vorboten des „Sturms“, auf dem sie sich auf ihrem internationalen Treffen eingestimmt hatten.

 

Lokale Perspektiven

Laut den indigenen Zapatisten stärken die beiden Mega-Projekte Konzerne, die Nationalstaaten und die organisierte grenzüberschreitende Kriminalität. Zum Schaden der Natur, ihrer Gemeinden und ihrer Lebensweisen.

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