07-03-2025
Frankreich-Occitania: Ein Wettlauf gegen die Zeit
Ist die okzitanische Sprache in Süd-Frankreich noch zu retten?

Angehörige der okzitanischen und katalanischen Minderheiten in Süd-Frankreich demonstrieren für eine föderale Republik. Foto: partitoccitan.org
Von Wolfgang Mayr
In der Occitania, im südlichen Frankreich, ist das Okzitanische eingebrochen. Die Zahl der Okzitanischsprachigen schrumpft kontinuierlich, ergab die Recherche der armenischstämmigen Politikwissenschaftlerin Hakobyan Ghazaryan Seide und des katalanischen Zeitgeschichtlers Alexandre Solano Bude´.
Die beiden Forschenden kommen im online-Magazin “Nationalia” der katalanischen NGO Ciemen zum Schluß, dass es fünf vor zwölf ist: Es findet ein Wettlauf gegen die Zeit statt, um das Okzitanische zu retten.
Sterbende Sprache
Einige Auszüge und Feststellungen aus dieser Recherche. Vor hundert Jahren, 1920, sprachen von den 14 Millionen Süd-Franzosen noch zehn Millionen Okzitanisch. 1980 waren es nur mehr 1,5 Millionen Menschen, 13 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl der Okzitanischsprechenden brach in den letzten Jahren völlig ein, auf höchstens 790.000 Menschen. Eine Minderheit in Süd-Frankreich, zwischen drei und fünf Prozent.
Seide und Bude´ sprechen deshalb von einer extremen sprachlichen Fragilität. Belegt und bestätigt auch von einer Studie, erstellt 2020 im Auftrag der Departements Nouvelle-Aquitaine und Okzitanien. Fast nur mehr Senioren über 60 Jahren auf dem Land verwenden noch das Okzitanische, zudem meist beschränkt auf den privaten Bereich: Freunde, Familie und Bekannte.
Insgesamt können in beiden Regionen nur sieben Prozent der Bevölkerung ein einfaches Gespräch auf Okzitanisch führen, was einem Rückgang um vier Prozentpunkte in zehn Jahren entspricht. In vielen Orten können sich Okzitanischsprachige mit niemandem mehr in ihrer Muttersprache sprechen.
Unterlassene Weitergabe
Der Grund für diese Entwicklung? Eltern geben die okzitanische Sprache nicht mehr an ihre Kinder weiter. 90 Prozent der Befragte gaben an, nicht mehr regelmäßig Okzitanisch mit ihren Kindern gesprochen zu haben. Laut der Studie lernte die Mehrheit der Okzitanischsprechenden die Sprache ausschließlich in den Familien.
Es ginge, es geht auch anders. Das Beispiel dafür ist das auch okzitanischsprachige Val d’Aran jenseits der französisch-spanischen Grenzen in der autonomen Region Katalonien. Dort sorgt die Schule für die okzitanische Spracherlernung, für die Erneuerung der Sprache und für die Weitergabe.
In den französischen Departements Nouvelle-Aquitaine und Okzitanien gibt es keine okzitanische Schule, keine institutionelle Weitergabe des Okzitanischen. Das Schrumpfen geht weiter.
Kulturvereine und Parteien für Okzitanien
Die kulturellen Netzwerke und politische Organisationen stemmen sich gegen den Verlust der Sprache. Beide haben es aber schwer, sich zu etablieren, einerseits. Andererseits schaffen sie es immer wieder, Menschen für das okzitanische Anliegen zu mobilisieren.
2012 demonstrierten 30.000 Okzitanier:innen in Toulouse für Minderheitenrechte und für ein Gesetz zum Schutz und zur Förderung ihrer Sprache. 2015 versammelten sich in Montpellier 15.000 Demonstranten und forderten ähnliches.
Die Kleinst-Partei Partit Occitan appelliert an Parteien und Abgeordnete aus den Departements, endlich einen Schulterschluß zu wagen. Gemeinsam soll um die okzitanische Autonomie “gekämpft” werden: „Ohne politische Autonomie gibt es keine kulturelle Autonomie”, wirbt die Partei um einen Zusammenschluß. Die linke pro-europäische okzitanische Partei sieht einen Ausweg in einer föderalen Republik, mit starken Regionen und weitreichenden Befugnissen. Auch die Bewegung Occitanie Pays Nòtre teilt dieses Ziel.
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