Deutsche Arroganz

Fast die Hälfte der Deutschen plädiert für ukrainischen Gebietsverzicht

Von Wolfgang Mayr

Die Deutschen mussten nach der Shoah und dem Zweiten Weltkrieg ein Viertel ihres Landes abtreten. Ähnliches empfiehlt fast die Hälfte der Deutschen den Ukrainer:innen. Die Ukraine soll auf die von Russland eroberten Gebiete, von der Krym bis zum Donbas, verzichten. 

Die Deutschen traten 1939 den Zweiten Weltkrieg los und in vernichteten in seinem Schatten die europäischen Juden. Dafür mussten sie im Sinne einer Kollektivstrafe Ostpreußen, Pommern, Danzig und Schlesien “abtreten”, die Ostdeutschen wurden vertrieben.

Die Ukraine ist dazu das glatte Gegenstück. Es war die russische Armee, die vor zwei Jahren über die Ukraine herfiel. Russland verschob militärisch seine Westgrenze an der Ukraine, vertrieb aus den besetzten Gebiete Ukrainer:innen, meist russischsprachig. 

Die ethnischen Säuberungen, die Massenvergewaltigungen, die Deportationen von Kindern, die Zerstörung ukrainischer Kultur, all das steht auf der Agenda der russischen Marodeure. Die Hälfte der Deutschen scheint das mit ihrer Haltung gutzuheißen. Sie stehen offensichtlich in der Tradition ihrer Vorfahren, die im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes über das östliche Mitteleuropa hergefallen sind, nicht nur in Polen, sondern auch in der Ukraine mörderisch wüteten.

Deutsche für ukrainische Kapitulation 

Deutsche empfehlen also Nachfahren von Nazi-Opfern, auf ihr Land zu verzichten, zu kapitulieren, sich dem russischen Aggressor zu unterwerfen. Damit endlich “Friede” herrscht, die Sanktionen aufgehoben werden, wieder Billig-Gas und Billig-Öl nach Deutschland strömen können. In den berühmt-berüchtigten Ostsee-Pipelines, Polen und die Ukraine “umgehend”.

Es ist zum Schämen. Diese deutsche Solidarität mit dem russischen Kriegspräsidenten Putin, seinem hochkriminellen Russland – in diesem Netzwerk mit dabei sind Ungarns Orban, der Slowake Fico, der künftige österreichische “Volkskanzler” Kickl und andere europäische Rechtsradikale bis hin zu Donald Trump – ist eine Absage an die EU, an die NATO, an die USA. Der von der AfD und dem BSW befeuerte “deutsche Sonderweg” führt nach Moskau. Nicht zum Frieden und nicht zur Freiheit.

Angesichts der rechtsradikalen Wahlerfolge in Sachsen warb “Die Partei” für eine Abtretung Sachsens an Russland. AfD und BSW (die “Ost-CDU” ist davon nicht weit entfernt), die Mehrheitsparteien in den “neuen Bundesländern”, in der Ex-DDR, könnten doch einen Big Deal a´ la Trump anregen. Berlin samt Ostdeutschland wird ein russischer Oblast, dafür zieht sich Russland vollständig aus der Ukraine ab. Auch dann würde Frieden herrschen. 

Militärische Grenzänderungen

Seit Jahren schon verändert das Putin-Regime gewaltsam Grenzen. Siehe Georgien, die Annexion der Krym und der eroberten ostukrainischen Regionen. Das wird von EU und NATO hingenommen, wie einst die Niederschlagung der antistalinistischen Aufstände in der DDR 1953, in Ungarn 1956, in Polen 1956, 1968, 1970, 1976, 1980, 1981 und 1968 in der Tschechoslowakei. Weil unantastbarer sowjetischer Machtbereich. In diesem Sinn drängt der “Westen” die Ukraine, aufzugeben, die territorialen russischen Eroberungen anzuerkennen, letztendlich zu einem Vorhof des autoritären Russlands zu werden.

Die Unantastbarkeit der Grenzen galt lange als westliche Orthodoxie, auch deshalb die rabiate Ablehnung des illegalen katalanischen Unabhängigkeitsreferendums. Demokratische Grenzänderungen in der EU sind ein no go. Mit seiner militärischen Macht demonstriert Putin mörderisch, dass Grenzen geändert werden können. Ob das nicht Schule machen wird? Polen könnte den “Anschluss” von Teilen Nordrhein-Westfalens fordern, weil dort Menschen leben, die ihre Wurzeln in Polen hatten. Vielleicht kommt der türkische Putin, Präsident Erdogan, auf die Idee, in Österreich und Deutschland “türkische Exklaven” auszurufen, also dort, wo türkische Auswanderer und deren Nachfahren leben. Absurd, zweifelsohne, aber genau das praktiziert Putin. 

Große russische Bevölkerungsgruppen leben in Litauen, Estland und Lettland, die Nachfahren stalinistischer “Bevölkerungstransfers”. Human formuliert, “Umsiedlungen”. Genauso in der Republik Moldau und in den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken. 

Blaupause Ukraine

Der russische Ukraine-Krieg gilt dem Regime in China – die deutsche Wirtschaft biedert sich den chinesischen Kommunisten an – als zielführende Blaupause. Die Kommunisten formulieren die “Heimholung” der “abtrünnigen chinesischen Provinz” – Taiwan ist damit gemeint – als außenpolitische Priorität. Immerhin ein prosperierender unabhängiger demokratischer Staat. Mit den jüngsten Manövern demonstriert das hochgerüstete China, dass es jederzeit in Taiwan einfallen kann. Außer wohlfeilen westlichen Protesten darf sich Taiwan nicht viel erwarten.

Die möglichen Folgen, die Türkei annektiert das kurdische Nord-Syrien und Teile des kurdischen Nord-Iraks, die Türkei hilft Aserbaidschan, Rest-Armenien mit einem Korridor zu teilen, Pakistan holt sich Kaschmir, Venezuela das guyanische Essequibo, Bolivien den 1879 im sogenannten Salpeterkrieg an Chile verlorenen Zugang zur Pazifik-Küste, Mexiko seine ehemaligen Gebiete zwischen Texas und Kalifornien. Und Russland vielleicht Alaska, einst immerhin Teil des Zarenreiches. Düstere Aussichten.

 

,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

Zurück zur Home-Seite