10-07-2023
Der Landraub geht weiter
Die weiß dominierten Mehrheitsgesellschaften in Argentinien und in Chile setzen auf Enteignung der Indigenen (Teil 1).
Von Wolfgang Mayr
Zurecht erinnerte der linke brasilianische Präsident Luiz Lula da Silva die Industrieländer an ihre „historische Schuld“. Die Industrienationen in Nordamerika und in Europa tragen laut da Silva die Verantwortung für die Umweltmisere und den Klimawandel.
Der Propaganda-Lautsprecher des Kremls, Russia Today, lancierte gewichtig diese Kritik an den „Globalen Norden“, gemeint sind damit die USA, Kanada, die Europäische Union. Da Silva geißelte den neuen Kolonialismus und seinen Hunger auf natürliche Ressourcen wie Süßwasser für Wasserstoff, Lithium und Nickel für Elektroautos. Begehrt im „Globalen Norden“. Die linke bolivianische Regierung vergab kürzlich Abbau-Konzessionen für Lithium an chinesische und russische Konzerne.
Umweltmisere und Klimawandel, in den Weiten Sibiriens, Leidtragende die Angehörigen der vielen kleinen, inzwischen fast vollständig assimilierten, indigenen Völker. Dieses Leid blendete Russia Today gekonnt aus. Wie auch die lateinamerikanische Elite, meist weiß, egal ob rechts oder links.
Auch die südamerikanischen Staaten entstanden aus Siedlergemeinschaften, die den indigenen Völkern ihre Staaten samt trennenden Grenzen aufoktroyierten. Landraub, Vertreibung, Assimilierung, das anti-indigene Arsenal der Siedler-Staaten ähnelt dem Instrumentarium der Eroberung der USA und Kanada.
Trotzdem gelang und gelingt es der lateinamerikanischen Elite, sich als Opfer – obwohl selbst Täter – der Yankees darzustellen. Ihre Verbrechen, die historischen und die aktuellen, werden gekonnt verdrängt. Auch der linke brasilianische Präsident bekennt sich in linken Sonntagsreden zu indigenen Rechten, die angekündigten Taten lassen noch auf sich warten.
Die Hasser der Indigenas von Jujuy
Ein klassisches Beispiel für eine rassistisch definierte anti-indianische Politik ist Argentinien. Exemplarisch für die indigenenfeindliche argentinische Politik steht der Gouverneur der Provinz Jujuy. Er drückte eine Verfassungsreform durch, trotz des Widerstandes der Bevölkerung, um indigenes Land zu privatisieren. Auf indigenem Land entdeckten die Explorateure Lithium, das der Gouverneur zu einer „strategischen Ressource“ erklärte. Mit der Verfassungsreform räumte sich die Provinzregierung das Recht ein, kollektives indigenes Land zu privatisieren und Proteste dagegen als Straftaten einzustufen. Die Provinz missachtet damit immerhin geltende Grundrechte der argentinischen Republik.
Die indigenen Gemeinden lehnen diese „Reform“ ab, kündigten Widerstand an, wie sie es schon 1946 und 2006 praktiziert hatten, um ihr Recht auf Land einzufordern. So wehrt sich die Gemeinschaft „Pozo Colorado“ zusammen mit anderen Gemeinden im Gebiet der Salinas Grandes und der Laguna Guayatayoc gegen den geplanten Abbau von Lithium.
Die indigene Gemeinschaft der Omaguaca verweist auf die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zum Schutz indigener Völker. Die Konvention 169,die Verfassungsrang hat, verlangt eine vorherige freie und umfassende Information und Anhörung. All das fand vor der erwähnten Verfassungsreform nicht statt. Die Folgen der Reform sind dramatisch, befürchten die indigenen Gemeinden: „Jujuy ist eine Bergbauregion und dies könnte bedeuten, dass die gesamte Produktion und die Lebensweise der Bevölkerung verändert wird. Das Schlimmste ist, dass wir unser Wasser verlieren werden, wir alle werden es verlieren“. Auch das Land, das Leben bedeutet.
Die Eroberung geht weiter
Fakt ist, dass in vielen Gemeinden bereits Land enteignet, privatisiert wird. Beispielsweise in der Schlucht-Landschaft Quebrada de Humahuaca. Dort gelang es zwar Angehörigen indigener Gemeinden, Erbrechte auf Grund und Boden zurückzuerlangen. Mehr als 100 Familien schlossen sich in einer Kooperative zusammen und sind in der weltweit bekannten Tourismusgemeinde Purmamarca aktiv. Die stark angestiegenen Immobilien- und Tourismusspekulationen treiben aber die Grundstückpreise in astronomische Höhen. Keine Chance für die finanzschwachen Gemeinden, gestohlenes Land wieder zu erlangen.
Und, die Provinz-Verwaltung verweigert oft die Anerkennung der kommunalen Eigentumsrechte, die erwähnte Verfassungsreform verschärft die rechtliche Lage, sie bleibt prekär.
Fakt ist auch, die Eroberung, die Kolonialisierung geht weiter, indigene Landrechte werden nicht zur Kenntnis genommen. Die indigenen Völker werden aus privatwirtschaftlichen Gründen kurzerhand enteignet. Der „globale Süden“ und sein Kolonialismus.
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