11-07-2024
Das Ende von Rojava?
Eine türkisch-russisch-iranische Schurken-Allianz will die Autonomie Nord-Syriens zerschlagen.
Von Wolfgang Mayr
Hinter dem angeblich ach so harmlosen – das meinten manche Kommentatoren und Analysten – “Wolfsgruß” der “Grauen Wölfe” steckt viel: Auf alle Fälle Hass und Gewalt.
“Graue Wölfe” begrüßten mit ihrem Gruß die türkische Invasion in der kurdischen Enklave Afrin in Nord-Syrien. Seitdem rückt die türkische Armee immer öfters in die Autonomie-Region ein. Letzthin auch deshalb, weil die Autonomieregierung ihre Bürgerinnen und Bürger die Gemeindeverwaltungen wählen lassen möchte.
Davon hält der islamistische Präsident Erdogan nichts, genauso wenig der russische Partner des syrischen Diktators Assad. Die einstigen Feinde Erdogan und Assad nähern sich an. Für Erdogan ist die nordsyrische Autonomieregion das Herrschaftsgebiet der angeblichen terroristischen kurdischen PKK. Wahlen, die die PKK legitimieren, will Erdogan verhindern. Wie auch Putin-Russland, das sich der Türkei annähert.
Bekämpfung des Terrorismus
Bereits 2019 unterzeichneten die Türkei und Russland eine Absichtserklärung zur Bekämpfung des Terrorismus in Syrien, für die Gewährleistung der territorialen Integrität Syriens und die Rückkehr der Flüchtlinge aus der Türkei. Russland verweigert der überfallenen Ukraine die territoriale Integrität. Mit Terrorismus meint die Türkei die PKK.
Außerdem sollten sich die kurdischen Milizen von der türkischen Grenze zurückziehen, das türkische Militär will eine Pufferzone einrichten, entlang der türkisch-syrischen Grenze, 30 km weit ins Landesinnere hinein. Kolonialistischer Landraub mit russischem Segen. Gemeinsame türkisch-russische Patrouillen sollten für die Sicherheit in Nord-Syrien sorgen.
Der türkische Staat will verhindern, dass aus der nordsyrischen Autonomieregion ein kurdischer Teilstaat wird. Eine kurdisch dominierte Region gilt in Ankara, bei allen großen Parteien zwischen links und rechts sowie religiös, im Sicherheitsapparat und beim Militär als nationale Bedrohung.
Während die Türkei nicht nur verbal der klerikal-faschistischen Hamas in Gaza den Rücken stärkt, die Hamas als “Befreiungsbewegung” sponsert, wird in Türkisch-Kurdistan die kurdische Bevölkerung von der Polizei, vom Militär, von der Justiz und den türkischen Nationalisten terrorisiert.
Türkei gegen Rojava
Die Türkei war Vorreiter bei der Eliminierung und Assimilierung des kurdischen Volkes, schreibt die PKK nahe Seite anf-deutsch. Dieses Modell übernahmen später auch der Iran, Irak und Syrien. Im Irak konnte sich nach dem ersten Golfkrieg die kurdische Autonomieregion etablieren, die sich letzthin freiwillig der Türkei auslieferte. In Syrien setzte sich Nord-Syrien im Schatten des Bürgerkrieges, forciert von Russland, vom Staat ab. Im Iran kontrollieren die “Revolutionären Garden” das östliche Kurdistan. Mit Gewalt.
Die Türkei empfindet die kurdische Autonomieregion im Irak nicht als Bedrohung, hängt sie doch inzwischen am Tropf von Ankara. In Rojava hingegen dominieren linke kurdische Organisationen und Parteien, allesamt PKK-Anhängsel, heißt es in Ankara.
Solange Rojava und das restliche multinationale Autonomiegebiet den Staat Syrien nicht in Frage stellten, scherte sich Diktator Assad wenig um die Aufständischen im Norden. Inzwischen scheint Assad umzudenken, den einstigen Feind Erdogan als Verbündeten zu sehen, besonders auch gegen die kurdischen Bestrebungen. Auch Assad liebäugelt mit der Zerschlagung der Autonomie.
Trump macht es möglich
Die Chancen, in Nord-Syrien durchzugreifen, wachsen. Als nächster Präsident will Donald Trump US-Soldaten aus Rojava zurückziehen. Sie kooperieren dort mit kurdischen Milizen gegen den “Islamischen Staat”. Die Ironie der Geschichte, der NATO-Verbündete Türkei gilt in dieser Region als Pate des Islamischen Staates und anderer islamistischer Terrororganisationen.
Die Türkei forderte letzthin die USA immer wieder auf, die Partnerschaft mit den kurdischen Streitkräften aufzukündigen. Erst dann sieht Präsident Erdogan die Möglichkeit, seine hochgerüstete Armee auf die kurdischen Organisationen YPG und QSD loslassen zu können. Erdogans Ziel ist es, die kurdische Autonomieregion zu zerschlagen und die demografische Struktur im Grenzgebiet – durch Ansiedlung syrischer Flüchtlinge aus der Türkei – grundlegend zu verändern.
Erdogan spielt Baschar al-Assad zu. Der Protege´ Russlands möchte sich die Ölfelder in Nordsyrien zurückholen, das Autonomiegebiet wieder seinem Staat unterordnen und zu einem Auskommen mit der Türkei kommen.
Es scheint, dass die bisher verfeindeten Staaten zusammenfinden. Der gemeinsame Feind, die Kurden, stehen zum Abschuss frei. Die “Grauen Wölfe” werden dies begrüßen, mit ihrem “Wolfsgruß”.
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