Bosnien und der russische Angriffskrieg

Die gefährlichen Pläne des russischen Präsidenten Putin auf dem Balkan. Von Belma Zulčić, Direktorin der GfbV-Bosnien

Von Belma Zulčić

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat verheerende Folgen für ganz Europa wie auch die ganze Welt, die Situation in Bosnien und Herzegowina ist jedoch sehr besorgniserregend.

Seit Jahren schon unterstützt Russland separatistische Kräfte in Bosnien und Herzegowina wie Milorad Dodik (SNSD) und Dragan Covic (HDZ) bei ihren Bestrebungen, den Staat zu blockieren und zu lähmen wie auch seinen EU- und NATO-Beitritt zu verhindern. In diesem Zusammenhang hat die russische Botschaft in Bosnien und Herzegowina vor wenigen Tagen die schon früher geäußerten Drohungen wiederholt: Die USA würden Bosnien und Herzegowina destabilisieren und ein „ukrainisches Szenario“ für das Land vorbereiten.

Serbische Abgeordnete im Staatsparlament haben in diesen Tagen ebenfalls neue Drohungen ausgesprochen, in denen z.B. gesagt wurde, Russland hätte auch Bosnien und Herzegowina wegen der NATO-Beitrittspläne gewarnt. Dieses ist eine direkte Anspielung auf die Invasion Russlands auf die Ukraine wegen ihrer NATO-Beitrittspolitik.

Zahlreiche Analytiker befürchten: Russland wird versuchen, eine neue Front in Europa zu eröffnen, um von ihrem Angriff auf die Ukraine abzulenken. Dazu würden sie die Separatisten in Bosnien und Herzegowina, vor allem die Entität Republika Srpska, dazu ausnutzen, die schon eingeleitete Krise zu verschärfen und einen neuen Krieg in diesem Lande zu entfachen. Unterstützung für diesen Krieg würde, nach Auftrag Russlands, Serbien geben, das den „bedrohten“ Serben in Bosnien und Herzegowina zu Hilfe eilen müsste. Bei all diesem hätten sie militärische und strategische Unterstützung von Russland. Verstärkt sind die Ängste auch durch für die in März geplanten Kampfübungen von Serbiens Reservisten im ganzen Lande, jedoch auch an der Grenze zu Bosnien und Herzegowina.

Serbien und die Entität der Republika Srpska gehören zu den einzigen Ländern bzw. Gebieten Europas, die die Invasion Russlands auf die Ukraine bisher nicht wirklich und eindeutig verurteilt haben.

Auch zahlreiche EU- und NATO-Vertreter wie Josep Borell, der Hohe Kommissar der EU für Außenpolitik und Sicherheit haben darauf hingewiesen, dass Russland sich nicht auf die Ukraine beschränken wird, sondern ähnliche Szenarien auch für Moldawien, Georgien und Bosnien und Herzegowina plant. Ähnlicher Meinung ist auch der Generalsekretär der NATO Jens Stoltenberg, der erklärt hat, dass NATO zusätzliche Hilfe für die Staaten Georgien, Moldawien und Bosnien und Herzegowina bereitstellen muss.

Zahlreiche Staatsleute, unter ihnen z.B. Boris Johnson haben Parallelen zwischen dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dem damaligen Angriffskrieg auf Bosnien und Herzegowina gezogen.

Es scheint, dass die EU und USA endlich erkannt haben, welche Gefahr von Russland und ihrem Verbündeten Serbien auf die Sicherheitssituation in Bosnien und Herzegowina und den Westbalkan ausgeht. Seit Jahren hat die Gesellschaft für bedrohte Völker zusammen mit zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, Think-Tanks und Fachleuten darauf hingewiesen und Warnungen ausgesendet.

In diesem Zusammenhang wurden bereits am 24.Februar weitere 500 EUFOR-Soldaten nach Bosnien und Herzegowina geschickt. Damit wurde die Zahl der für Bosnien zuständigen EUFOR-Soldaten auf mehr als 4.000 erhöht, davon etwa 1.100 in Bosnien und Herzegowina selbst. Ihr Mandat seit dem Jahre 2004 ist die Wahrung des Friedens in Bosnien und Herzegowina.  Neben den zusätzlichen Soldaten sind die Friedenseinheiten auch mit neuer Motorisierung ausgestattet worden, darunter mit Panzertransportern und US-Hamwees. Als Vorbeugemaßnahme sind in den nächsten Tagen Flüge von französischen Kampfflugzeugen über Bosnien und Herzegowina angekündigt.

Serbien hat am 2.März nach viel Hin- und Her für die UNO-Resolution zur Ukraine gestimmt. Die Erklärung, die der Präsident Serbiens in einer Medienansprache gegeben hat, ist, dass sie unter gewaltigem Druck des Westens standen und sich allein für die Unterzeichnung bereit erklärt haben, weil dort keine Rede von Sanktionen gegen Russland war. Gleichzeitig ist jedoch betont worden, dass Serbien nicht wirklich allen Formulierungen in der Resolution zustimmt. Zuvor kamen jedoch solch unsinnige Äußerungen vom Präsident Vucic wie die, dass Serbien erst dann die Invasion verurteilen wird, wenn die Ukraine die NATO-Angriffe auf Serbien im Jahre 1999 verurteilt.

Am 2.März wurde auch eine Sitzung des Präsidiums von Bosnien und Herzegowina abgehalten, bei der der serbische Vertreter im Präsidium, Milorad Dodik, gefordert hat, dass Bosnien neutral bleiben sollte. Dieses ist von den beiden anderen Vertretern im Präsidium, dem bosniakischen und dem kroatischen, abgelehnt worden und Milorad Dodik hat darauf die Sitzung aus Protest verlassen und sofort mit Sergej Lavrov, dem Außenminister Russlands telefoniert.

Zwei der ehemaligen Hohen Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling und Valentin Inzko, haben wegen der besorgniserregenden Situation auf dem Westbalkan gefordert, dass Bosnien und Herzegowina schnell und unbürokratisch in die EU aufgenommen wird, wie auch eine Zusicherung der NATO, dass sie im Falle eines Angriffs durch Serbien und die Republika Srpska auf Bosnien und Herzegowina die Menschen hier beschützen werden. Gefordert haben sie auch, dass Serbien der EU-Beitrittsstatus entzogen wird.

Es bleibt die Frage, wie sich die Führung Serbiens und der Republika Srpska in den nächsten Tagen und Wochen verhalten wird.

Milorad Dodik und seine Partei SNSD begründen ihre Position mittlerweile vollkommen auf der Unterstützung Russlands. Im Gegenzug hat Russland sie ständig bei der Blockade des Staates und allen ihren Forderungen im UNO-Sicherheitsrat wie auch im Peace Implementation Council (PIC) unterstützt. Gleichzeitig sind sie aber auch in einer Abhängigkeitsposition, da Russland sehr viele Investitionen in der Republika Srpska hat, darunter z.B. Zarubrezneft für die Verarbeitung von Erdöl, Ankündigungen von Investitionen von Gasprom. Russland ist nach Serbien der größte Investor in der Republika Srpska. Es wird angenommen, dass Milorad Dodik der erste Mann Russlands in Europa ist und alles unternehmen wird, um die Politik Russlands umzusetzen. Nach zahlreichen Berichten verfügt er in Russland über großes Eigentum.

In Serbien stehen im April außerordentliche Kommunal- und Parlamentswahlen an. Aleksandar Vucic hat eine großangelegte Kampagne begonnen und hofft auf die Wiederwahl bzw. einen neuen Triumph seiner Partei. Da der übergroße Teil der Bevölkerung enorm prorussisch ist, befürchtet er Verluste, sollte er den Anweisungen des Westens folgen und sich nun von Russland distanzieren. Die EU fordert nämlich, dass Länder, die der EU beitreten möchten, die Politik und Stellungnahmen der EU unterstützen.

Auch befürchtet Aleksandar Vucic, Kosovo auch endgültig zu verlieren, sollte er nicht länger auf  russische Unterstützung und russischen Einflusses zählen können. Dabei hat er seine gesamte Politik darauf gestützt, Kosovo im Rahmen Serbiens beizubehalten. Gerade deshalb sind für ihn diese letzten Tage, wie er permanent betont, so schwierig.

In all diesem liegt die große Gefahr für die Region: Wird auch Serbien zusammen mit der Republika Srpska einen Verzweiflungsakt wie Putin selbst wagen und einen neuen Krieg anzetteln? Seit der Milosevic-Ära und den blutigen Kriegen, die dieser im Ex-Jugoslawien begonnen hat, ist eigentlich die Politik Serbiens unverändert. Noch immer werden Gebiete beansprucht, die sie als ihr eigen ansehen: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro…

Während in der ganzen Welt große Proteste gegen die Invasion Putins auf die Ukraine abgehalten werden, wurden vergangenen Freitag, am 4.März, in Belgrad Proteste abgehalten, in denen Putin und sein Angriffskrieg begrüßt und unterstützt wurden. Etwa Tausend Demonstranten sind durch die Straßen Belgrads mit russischen Fahnen und Bildern von Putin marschiert, Parolen wie „Russland befreit die Ukraine von Nazisten“ ausgerufen und gegen die Politik des Westens protestiert. Seit Beginn der Invasion am 24.Februar haben beinahe alle der vielen regimenahen Zeitschriften und Zeitungen auf den Titelblättern den Angriff Russlands auf die Ukraine gerechtfertigt und relativiert wie auch russische Spins veröffentlicht. Ähnlich sieht es auch in der Republika Srpska aus.

Obwohl gestern zahlreiche Menschen auch in Belgrad gegen Putins Krieg demonstriert haben, ist es klar, dass dies nicht die allgemeine Meinung der Öffentlichkeit in Serbien ist.

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