Berlin-Caserta: Unterwegs für Putin

Anna Netrebko singt und Valery Gergiev dirigiert für den russischen Kriegspräsidenten

Für die Vereinigung „russi liberi“ in Italien ist der russische Dirigent Valeri Gergiev ein „Sprachrohr“ des russischen Kriegspräsidenten Putin. Foto: Associazione Russi liberi

Für die Vereinigung „russi liberi“ in Italien ist der russische Dirigent Valeri Gergiev ein „Sprachrohr“ des russischen Kriegspräsidenten Putin. Foto: Associazione Russi liberi

Von Wolfgang Mayr

 

Netrebko tritt am 21. Juli mit Yusif Eyvazov beim Classic Open Air auf dem Berliner Gendarmenmarkt auf, Gergiev am 27. Juli in Caserta, nördlich von Neapel, auf Einladung der italienischen Region Kampanien.

Beide sind nicht nur Künstler, beide – so lautet die Kritik – sind auch Botschafter des russischen Kriegspräsidenten Putin. Deshalb fordert der Berliner ukrainische Verein „Vitsche“ die Absage des Konzerts: „Die Entscheidung, einer Künstlerin eine Plattform zu bieten, die seit Jahren als Unterstützerin des russischen Regimes bekannt ist, zeugt aus unserer Sicht von moralischer Verantwortungslosigkeit.“

Netrebko distanzierte sich zwar nach mehrmaliger Aufforderung vom russischen Krieg gegen die Ukraine. Eine Distanzierung aber, meinen ihre Kritiker, die halbherzig ausfiel.

In einem offenen Brief appelliert die Vereinigung der “freien Russen” in Italien an die Regionalregierung von Kampanien, das Konzert mit Valery Gergiev abzusagen. Laut der Vereinigung steht der Dirigent Putin sehr nahe. So verteidigte er die Annexion der Krym und erklärte immer wieder – auch nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine – seine Putin-Loyalität. Die “freien Russen” werfen dem Dirigenten vor, im Dienst des russischen Krieges zu stehen. Den Aufruf unterstützt auch die Witwe des in Haft “verstorbenen” Alexej Nawalny, Julija Nawalnaja.

Die Kritik an den Auftritten der beiden russischen Künstler, es ist nicht nur Kunst, sondern auch Politik. Die Auftritte sind Affronts gegenüber der ukrainischen Bevölkerung, die täglich den tödlichen russischen Angriffen ausgesetzt ist und auch ein Affront gegenüber jenen Russinnen und Russen, die Putin und seinen Eroberungskrieg ablehnen und massenhaft ins Exil gingen. Netrebko und Gergiev sollen boykottiert werden, weil sie das Putin-Regime vertreten, nicht weil sie Russen sind. Es geht also nicht darum, russische Künstlerinnen und Künstler kollektiv zu boykottieren, stellt die Vereinigung “freie Russen” klar.

Die Frage ist eine andere, warum werden nicht russische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die im europäischen Exil leben? Derer gibt es mehr als genug.

Der Präsident der italienischen Region Kampanien, der Linkspolitiker Vincenzo de Luca, verteidigte die Einladung. Auch in Kriegszeiten sollte ein Kulturaustausch stattfinden, Zensur von Künstlern lehnt de Luca ab. Die Vereinigung der “freien Russen” widerspricht, Dirigent Gergiev ist kein neutraler Künstler, sondern ein kühler Propagandist Putins. Ihn einzuladen ist ein moralischer Bankrott findet die Vereinigung.

In diesem Zusammenhang agieren dann immer wieder die Verharmloser des russischen Eroberungskrieges und die Freunde der islamistischen Terrororganisation Hamas. Es werden doch auch israelische Künstler trotz des Krieges in Gaza und trotz des Siedler-Terrors im Westjordanland eingeladen, so ihre Gegenrede.

Vor einem Jahr zogen es die israelische Künstlerin Ruth Patir und ihre Kurator:innen vor, den Israel-Pavillon auf der Biennale in Venedig geschlossen zu halten. Die Video-Künstlerin Patir verhüllte aus Protest gegen den Gaza-Krieg der israelischen Armee ihr Kunstwerk, “(M)otherland”.

Tausende Künstler, Architekten und Kuratoren die Biennale-Organisatoren verstiegen sich in einer Petition auf die Forderung, Israel wegen seines Militäreinsatzes im Gazastreifen von der internationalen Kunstschau auszuschließen: also Israel zu boykottieren. Künstlerinnen und Künstler, die großteils Gegner der rechts-rechten israelischen Regierung sind.

Während die Solidaritätsbewegung für die überfallene Ukraine dazu aufruft, Putin-nahe Künstler nicht einzuladen, drängen Pro-Hamas-Sympathisanten auf einen kollektiven Künstler-Boykott Israels. Im Sinne des strikten antisemitischen BDS. Ein Bankrott des Denkens, befand Dirk Peitz in der Wochenzeitung “Die Zeit”.

Die Musik von Gergiev, heißt es im offenen Brief der “freien Russen” in Italien, diene nur dazu, den Lärm der russischen Bombardements zu “überspielen”.

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