Termination 2.0?

„Project 2025“ empfiehlt das entgrenzte Plündern der letzten „Indianer“-Territorien. Was erwartet Indian Country Today?

Von Wolfgang Mayr

Auf seinem letzten „Indianer“-Gipfel sprach der scheidende Joe Biden von der Ehre, eine neue Ära der Souveränität und Selbstbestimmung der Stammes-Nationen eingeläutet zu haben. Eine neue Ära, die auf Würde und Respekt basiert, ergänzte Biden. Danke Joe, hieß es aus der Runde der Versammelten. 

Joe Biden setzte die Treffen mit dem Reservats-Verwaltern und Politikern fort, die einst Bill Clinton und nach ihm Barack Obama initiiert hatten. Der Versuch, auf Augenhöhe zwischen der Bundesregierung und den Stammes-Nationen zu verhandeln.

Pauly Denetclaw von Indian Country Today wagte einen Blick in die Zukunft, was können Angehörige der Stammes-Nationen von Präsident Trump erwarten. Die Blaupause für das Programm der Trump-Regierung, “Project 2025” der reaktionären Heritage-Stiftung, ist unmissverständlich. Es droht eine neue Termination der zusammengeschrumpften indianischen Welt in den USA. 

Denetclaw schaute zurück auf die ablaufende Biden-Ära, die zu vielen Errungenschaften für die indigene Nationen geführt hatte. Mit Deb Haaland leitete erstmals eine Angehörige der Pueblo das Innenministerium, ein indigene Spitzenbeamte – Marilynn “Lynn” Malerba – wurde Schatzmeister, mehr als 80 indigene Bürger:innen kamen an die Spitze mehrerer Bundesbehörden. Die Erfolge blieben nicht aus, die Reservate erhielten gestohlenes Land zurück, indigenes Land in Bundesverwaltung – in Treuhand – wird von Reservatsverwaltungen betreut, Fortschritte gab es bei den Steuerregelungen für Reservate, die Konsultationen zwischen Bund und Stammesnationen fanden kontinuierlich statt. Insgesamt flossen mehr als 45 Milliarden Dollar in indigene Angelegenheiten.

Das Ende der indianischen Welt?

Die ICT-Journalistin Denetclaw kann sich nicht vorstellen, dass diese Geschichte fortgeschrieben wird. Es herrscht große Unsicherheit darüber, wie die Trump-Regierung in den nächsten vier Jahren mit den Stammesnationen umgehen wird. Was wird wohl bis zum 20. Januar 2029 gewonnen oder verloren sein, fragt sich Indian Country Today. Schon die erste Trump-Ära war wenig erbaulich.

Das “Project 2025”, an dem viele ehemalige Mitarbeiter der ersten Trump-Regierung mitgewirkt haben, spricht eine klare Sprache. Die künftige intensive sowie grenzenlose Förderung von fossiler Energie, die Auflösung des Bildungsministeriums und die Förderung der “patriotischen Erziehung” – Putin lässt grüßen – werden sich tiefgreifend auf das Indian Country auswirken.

Trump wird zweifelsohne jene Reservats-Verwaltungen sponsern, die die Rohstoffe “abbauen” wollen, also die Förderung von Gas und Öl sowie den forcierten Abbau von Uran. Trump wird es den Stammens-Nationen “erlauben”, das eigene Schicksal zu bestimmen, kommentiert ICT-Mitarbeiter Michael Stopp. Umweltauflagen und sonstige andere Hürden werden fallen.

Weg mit dem Bildungsministerium

Im Wahlkampf versprach Trump, das Bildungsministerium abzuschaffen. Seit seiner Gründung ist das Ministerium in politische Kontroversen verwickelt, beschreibt 2015 die Zeitschrift Politico den Kampf um die Bildung. Die Auseinandersetzungen begannen 1867, unter der Präsidentschaft des Demokraten Andrew Johnson. Der Kern des Streits, ist der Bund für die Bildung zuständig oder die Bundesstaaten?

Laut Verfassung spielt die Bundesregierung keine definierte Rolle im Bildungsbereich. Der Zusatzartikel 10 besagt, dass alles, was nicht in der Verfassung aufgeführt ist, den Bundesstaaten überlassen wird. Republikanische Präsidentschaftskandidaten kritisierten seit den 1970er Jahren, dass deshalb das Bildungsministerium verfassungswidrig ist und abgeschafft werden muß. Auch ICT-Journalist Stopp unterstützt diese These. Die Verfassung räumt der Bundesregierung diese Art von Autorität nicht ein, schreibt Stopp.

Das Bureau of Indian Education untersteht dem Innenministerium. Das BIE ist nur für einen überschaubare Anzahl indigener Student:innen verantwortlich. Mehr als 90 Prozent der indigenen Schüler:innen besuchen öffentlichen Schulen, im ländlichen und auch in städtischen Gemeinden, zitiert ICT Rob Maxim vom Brookings Institute.
Die angedachten Änderungen können sich laut Maxim drastisch auf indigene Schüler:innen auswirken.  

Demontage mit Folgen

“Die Demontage des Bildungsministeriums wäre katastrophal für das Indianerland”, ist Maxim, Angehöriger der Mashpee Wampanoag, überzeugt. „Allein die Kürzung der Mittel für Bildung und des gesamten Budgets wird enorme Auswirkungen auf das indianische Land haben. Die Bildung ist bereits unterfinanziert und weitere Kürzungen wären für indigene Schüler:innen fatal,” warnt Rob Maxim.

Der Kongress verabschiedete 1965 das Grund- und Sekundarschulgesetz, um Bildungseinrichtungen zu stärken und zu verbessern, zugunsten einkommensschwacher Familien. Durch dieses Gesetz wurde die Rolle der Bundesregierung im Bildungsbereich drastisch ausgeweitet.

Gemäß diesem Gesetz müssen in einkommensschwachen Gemeinden Schulen garantiert werden, über die Bereitstellung von Bundesmitteln. Nur dadurch kann die Ungleichheit des Bildungsstandards zwischen indianischen und weißen Kindern ausgeglichen werden. Jedes dritte Kind auf den Reservaten und in den städtischen Ghettos lebt in Armut, berichtete das National Institute of Health 2021.

Gemäß den Republikanern sollen die Bildungsstandards von den Bundesstaaten festgelegt werden. Dagegen verstieß Präsident Trump 2020 mit einer bundesweiten Verordnung zur Schaffung der 1776-Kommission beim Bildungsministerium, um die “patriotische Erziehung“ zu fördern. 

Gegen Wokeness und indianische Geschichte

Trumps Vision für Bildung dreht sich um ein einziges Ziel: Amerikas Schulen von vermeintlicher “Wokeness“ und „linker Indoktrination“ zu befreien. So soll künftig der Unterricht über Geschlechtsidentität und strukturellen Rassismus verboten werden. Diversity- und Inklusionsbüros sollen geschlossen, Transgender-Athleten aus dem Mädchensport ausgeschlossen werden.

Trump wird, wiederholt hat er dies gesagt, das Geld für “jede Schule kürzen, die kritische Rassentheorie, Transgender-Wahnsinn und andere unangemessene rassistische, sexuelle oder politische Inhalte auf unsere Kinder ausübt“.

Damit kommt auch die – meist nur spärlich unterrichtete – Geschichte der indigenen Völker unter die Räder des Backlashs. “Laut Studien unterrichtet die überwiegende Mehrheit der Schulen keine Geschichte der amerikanischen Ureinwohner ab 1900”, sagte Maxim. „Wirklich grundlegende Aspekte der Existenz der Ureinwohner in den Vereinigten Staaten heute und im 20. Jahrhundert werden nicht erwähnt. Dazu gehören Dinge wie die (bundesstaatlichen) Internatsschulen. Als ich aufwuchs, wusste ich alles darüber, weil ich Vorfahren hatte, die sie besucht hatten und die meisten Ureinwohner wussten das.“

Ob die Trump-Administration sich über indigene Schulbelange hinwegsetzen kann? Gemäß Verfassung sind die Verträge zwischen den USA und den Stammes-Nationen „oberstes Gesetz des Landes“. Es wurden über 300 Verträge zwischen Stammesnationen und der Bundesregierung unterzeichnet, viele davon enthalten Bestimmungen über Bildung. Daher ist Bildung ein Vertragsrecht.

Drill, Baby, Drill die Reservate

Ein weiteres Ziel der Trump-Regierung, das sich auf die Stammesnationen auswirken könnte, lautet: „Drill, Baby, Drill“. Trump setzt auf die massive Förderung von Öl und Gas, ohne Einschränkung durch Umweltauflagen.

ICT-Journalist Michael Stopp, ein Cherokee aus Oklahoma, begrüßt die angekündigte “Drill, Baby, Drill”-Politik der Deregulierung. Die Bevölkerung vor Ort soll entscheiden können, ob Rohstoffe abgebaut werden und nicht eine Bundesbehörde in Washington.

Der Bundesstaat Oklahoma kann über weite Bereiche selber entscheiden, ohne Bundes-Veto, lobt Stopp die republikanische Führung des einstigen “Indianer-Territoriums”. “Die dortige Cherokee Nation kann das auch tun. Wir brauchen dafür nicht die Bundesregierung und sich in uns den Weg stellt”, verteidigt Stopp die Pläne der Trump-Regierung.

Ölreiche Stammesnationen setzen darauf. Laut einer Studie des Property&Environmental Research Centers von 2014 befinden sich auf Reservatsland ast 30 Prozent der Kohlereserven des Landes, die Hälfte des Uranvorkommens und 20 Prozent der Öl- und Gasfelder. Diese Ressourcen waren damals schon 1,5 Billionen Dollar oder 1,5 Millionen Dollar pro Stammesmitglied wert.

CERT für Trump

Nicht wenige Reservatsverwaltungen setzen auf die Förderung von Gas und Öl sowie auf den Abbau von Kohle und Uran. Krasse Beispiele dafür waren in der Vergangenheit die Dine´ und die Pueblos. Es gibt nicht nur die Standing Rock-Sioux, die sich vehement gegen eine landquerende Groß-Pipline wehrten. Seit 1975 versucht der Council of Energy Resource Tribes – dem 54 Stammes-Nationen in den USA und vier First Nations Treaty Tribes in Kanada angehören – das Geschäft mit der Energie in die eigene Hand zu bekommen. Der CERT steht für den selbstbestimmten Abbau der Rohstoffe. CERT setzt auf die Zusammenarbeit mit Trump.

Traditionalisten hingegen sehen in der verstärkten Öl- und Gasproduktion einige Gefahr für ihre Territorien und für ihre heilige Stätten. Der Abbau, ihre Kritik, erfolgt meist ohne angemessene Konsultation. Sie warnen auch vor den Auswirkungen auf Umwelt und Klima.

Judith LeBlanc von der Native Organizers Alliance fürchtet die neue Energiepolitik. Trump holte sich Leute in die Regierung, die den menschenverursachten Klimawandel leugnen, zählt LeBlanc auf, genauso seine Auswirkungen auf Land und Wasser. Sie erwartet sich deshalb eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Bund und den Stammesnationen. LeBlanc wirft Trump einen Mangel an Rücksichtnahme auf die Stammesnationen vor.

Eines der größten Probleme für indigene Völker sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels und der Schutz heiliger Stätten, beschreibt LeBlanc indigene Prioritären. Nicht von ungefähr stehen indigene Aktivist:innen an vorderster Front der Bewegung zum Schutz von Land und Wasser.

Die UNO erklärte das Null-Emissionen-Ziel, um eine lebenswerte Zukunft zu sichern und die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Das Ziel für 2030 ist es, die Emissionen um 45 Prozent zu reduzieren und bis 2050 die Null zu erreichen. Ein Eckpfeiler von Bidens Politik. Aber nicht für Trump.

Schlüsselpositionen

Dem Trump-Kabinett gehört der ehemalige Gouverneur von North Dakota, Doug Burgum, als Innenminister an. Der Unternehmer Burgum
Burgum setzte in seiner Zeit als Gouverneur auf die Zusammenarbeit mit Reservatsverwaltungen und führte regelmäßige Konsultationen mit den Reservatsverwaltern. Er unterzeichnete den Indian Child Welfare Act und verbesserte die Beziehung zwischen North Dakota und den Stammesregierungen.

Janet Alkire, Vorsitzende des Standing Rock-Sioux Tribe, hofft auf Burgum. Auch die Sisseton Wahpeton Oyate begrüßen Burgums Nominierung. Das Innenministerium verwaltet Bundesland und sorgt für den Schutz von Wildtieren, Nationalparks und Denkmälern. Das Innenministerium pflegt auch die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den staatlich anerkannten Stammesnationen. Das Bureau of Indian Affairs und das Bureau of Indian Education sind Teil des Innenministeriums.

Weniger Vertrauen die Stammesnationen dem Gesundheitsminister Robert F. Kenney. Trotzdem sieht Angelique W. EagleWoman vom Native American Law and Sovereignty Institute auch Spielräume. Die Reservatsverwaltungen legten bereits ein Reform-Paket für das Gesundheitswesen vor, mitgetragen auch von Republikaner nahen indianischen Politiker:innen. Da könnte die Trump-Regierung nur zugreifen, hofft EagleWoman, auch Kennedy.

Das U.S. Department of Health and Human Services kontrollieren den Indian Health Service, der Gesundheitsdienstleistungen für 2,8 Millionen Indianer und Ureinwohner Alaskas anbietet.

ICT-Mitarbeiter Stopp findet trotzdem die Entscheidung interessant, Kennedy das Gesundheitsministerium zu übertragen. Stopp geht davon aus, dass sich Kennedy auf die Reservate zubewegen wird.

Als Umwelt-Anwalt unterstützte Kennedy die Stammesnationen in Umweltfragen. Er unterstützte die Forderung nach Souveränität der Stämme. 2016 demonstrierte er in North Dakota mit indigenen Aktivist:innen gegen das umstrittene DAPL-Projekt, das von Trump hingegen gefördert wird. Als Präsidentschaftskandidat warb Kennedy für die buchstabengetreue Einhaltung von Vertragsrechten. “Sowohl der Geist als auch der Buchstabe der Verträge müssen als das höchste Gesetz des Landes geehrt werden: Dokumente, die zwischen souveränen Nationen gemacht wurden“, hieß es auf seiner homepage.

Die Gesundheitsversorgung der indigenen Nationen durch die Bundesregierung ist ein vertragliches Recht. Das indianische Gesundheitswesen ist chronisch unterfinanziert. Trump wiederholte immer wieder, dass er seine Bundesregierung verkleinern und den Staat zurückbauen will. Wir wirkt sich das auf den indianischen Gesundheitsdienst auswirken?

Kennedy versprach 2024 Stammespolitiker:innen, dass er dafür kämpfen wird, das Budget für den indianischen Gesundheitsdienst zu verdreifachen.

Während Biden indianische Beamte in die verschiedenen Führungsebenen berief, wird es in der Trump-Regierung keine hochkarätigen Funktionäre indianischer Abstammung geben. Wenn ja, geht ICT-Journalist Michael Stopp davon aus, dass sie nicht aus “stereotypen Rollen” wie Stammesverwaltungen oder aus dem BIA kommen. Die Rückkehr der Appels, außen rot und innen weiß, wie einst Militante des American Indian Movements kritisierten?

In Zukunft

Den indigenen Nationen bleibt nichts anderes übrig, als sich zu arrangieren, sagt EagleWoman überzeugt. Zu gering ist die Zahl und deshalb zu schwach ihre politische Vertretung. Mit allen 46 Präsidenten wurde die Zusammenarbeit gesucht, sogar mit jenen, die für Völkermord an den Ureinwohnern verantwortlich sind, erinnert EagleWoman an indianisches Agieren. Die Geschichte dieses “Engagements” begann vor 235 Jahren, als George Washington der erste Präsident wurde.

“Stammesnationen sind widerstandsfähig und bieten jeder Regierung die Zusammenarbeit an,” laut EagleWoman haben die Stammesnationen gar keine andere Chance, als auch mit der Trump-Regierung zu kooperieren. Stopp ermutigt alle Stammespolitiker:innen, trotz ihrer  Unterstützung für Kamala Harris mit der Trump-Regierung in Kontakt zu treten. Stopp betont auch, dass viele Stammesmitglieder für Trump gestimmt, wie auch Chicanos, Latinos und Schwarze. Dem muss Rechnung getragen werden, hofft der Trump-Fan Michael Stopp. Im Namen ihrer Völker müssen die Reservatsverwalter:innen und Politiker:innen das Gespräch suchen.

Die Juristin LeBlanc formuliert es nüchtern, die Regierungen sind auch für die Stammesnationen zuständig und verantwortlich. Auch Trump. Ob es Fortschritte geben wird, diese Frage lässt LeBlanc aber unbeantwortet. “Wir müssen sieben Generationen und sieben Präsidentschaftswahlzyklen vorausdenken“, empfiehlt LeBlanc den Stammesnationen langen Atem.

Ob LeBlanc in ihre Empfehlung auch die grönländischen Inuit einschließt? Im Zweifelsfall will Trump die autonome Insel des dänischen Königreichs kurzerhand annektieren. Von Putin lernen heißt annektieren.

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