Wir sprechen! Wer hört uns?

DAHOMEY - ein Film von Mati Diop, DIE ILLEGALEN MASKEN - ein Theaterstück von Ilija Trojanow. Der Film läuft im Kino, das Stück ist bei uns zu lesen.

DAHOMEY - ein Film von Mati Diop. Foto: Claus Biegert

DAHOMEY - ein Film von Mati Diop. Foto: Claus Biegert

Von Claus Biegert

 

Diebstahl und Rückgabe von Diebesgut – in den ethnografischen Museen der Nordhalbkugel ein Trauma, das sich nicht mehr aus den Gemäuern entfernen will. Für die indigenen Kulturen ist es nicht nur der Zorn über den Raub, es ist auch ein Mitleiden mit den gestohlenen Objekten, die  – numeriert und ihrer Persönlichkeit beraubt – in den staubdichten Gefängniszellen der Magazine ruhen, in der Regel mit Pestiziden gegen Insektenbefall besprüht. Dass sie in ihre Heimat als beseelte Wesen behandelt wurden, kümmert die Kuratoren in den Metropolen kaum. 

In ihrem Film „Dahomey“ (seit 24. Oktober im Kino) beleuchtet die Regisseurin Mati Diop die Themen Aneignung, Selbstbestimmung und Restitution aus vielfältigen Blickwinkeln. 

Im November 2021 verlasen 26 königliche Schätze aus dem Königreich Dahomey Paris und kehren in ihr Herkunftsland, die heutige Republik Benin, zurück. Diese Artefakte zählen zu den tausenden Objekten, die während der Invasion von 1892 von den französischen Kolonialtruppen geraubt wurden. Für sie gehen 130 Jahre Gefangenschaft zu Ende.

Mati Diop fragt, wie diese Objekte in einem Land aufgenommen werden sollen, das sich in ihrer Abwesenheit stark verändert hat. 

Ilija Trojanow lässt seine Protagonisten miteinander ins Gespräch kommen und gibt den Masken  die Seele, die in unserer Museumswelt ihnen abgesprochen wird.

Wir danken Ilija Trojanow herzlich für die Möglichkeit, das Stück auf unserer Plattform VOICES veröffentlichen zu dürfen.

>>> Sie können die PDF-Datei hier herunterladen

 

 

Die illegalen Masken

 

Ein Stück in drei Akten

 

von Ilija Trojanow

 

Dramatis Personae

GRIOT, der Erzähler

TIMBUKTU, der Irrende, der Verlorene (sein Sohn)

NOMO (Stein/Blindheit), weiblich

JEGE (Eisen/Schlaf), männlich

TIZI (Feuer/Kummer), männlich

KUFU (Wasser/Tod), weiblich

BADA (Luft/Wandel), weiblich und männlich

LEO LIEBERBERG (Museumsdirektor)

PROFESSORIN MEAD

PROFESSOR DUBUFFET

SAM (Straßenmusiker, könnte von dem selben Schauspieler wie der

GRIOT gespielt werden)

SONIA (Kellnerin)

SUNNY (Waffendealer)

POLIZIST

 

AKT [1] SZENE [1]

TIMBUKTU

Die Füße stoßen gegen den Horizont. 

Hilfe!

Der Kopf prallt gegen den Himmel. 

Hilfe, Vater.

Der Körper liegt auf Stein. 

Hilfe, rufe ich, Vater hilf. 

Es ist so eng auf der Welt, ich kann mich nicht bewegen. 

GRIOT

Unsichtbar, begleitet von einer Kora oder Mbira oder Sanza oder von einem Xylophon …

Perform 

My father said.

Perform as if …

As if it were a holy act? Said I.

It is a holy act, said he.

Perform 

My father said.

Perform as if …

As if nothing exists but through you

Through your song and your word! Said he.

Perform and everything will want to be.

Perform, my father said.

Perform and every answer

Will be a stranger along the path,

helpful in some way.

Perform and everything will want to be.

GRIOT

schält sich aus der Dunkelheit

Wer hört zu, wer hört denn noch zu?

ANDERE STIMMEN

Sei doch still, du alte Krähe

GRIOT

Ay … ay … ay … was kräht die Krähe, 

ANDERE STIMMEN

Sei doch still, du alter Köter

GRIOT

Ay … ay … ay … was kläfft der Köter,

ANDERE STIMMEN

Sei doch still, du alter Geier

GRIOT

Ay … ay … ay … was greint der Geier,

Das Instrument verstummt.

GRIOT

Gott schuf Stein

TIMBUKTU (zunehmend leiser) 

Stein … Stein … Stein

GRIOT

Aus Stein schuf er Eisen

TIMBUKTU (zunehmend leiser)

Eisen … Eisen … Eisen

GRIOT

Aus Eisen schuf er Feuer

TIMBUKTU (zunehmend leiser)

Feuer … Feuer … Feuer

GRIOT

Aus Feuer schuf er Wasser

TIMBUKTU (zunehmend leiser) 

Wasser … Wasser … Wasser

GRIOT

Aus Wasser schuf er Luft

TIMBUKTU (zunehmend leiser) 

Luft … Luft … Luft.

GRIOT

Gott schuf aus Stein,

der auch Eisen

der auch Feuer 

der auch Wasser

der auch Luft, 

den Menschen!

Grelles Licht. TIMBUKTU hockt zusammengepfercht in einem Kasten, der kaum größer ist als er selbst.

FRAUENSTIMME

Mucksmäuschenstill, verstehst du, mucks-mäuschen-still.

MÄDCHENSTIMME

Geduld. Du musst geduldig sein. Sonst erwischen sie dich.

JUGENDLICHE STIMME

Zehn Liter Wasser, mehr gibt’s nicht. 

Zum Waschen und zum Trinken. 

Wer mehr trinkt, der wäscht sich weniger. 

Wer sich mehr wäscht, der trinkt weniger.

KINDERSTIMME

Mutter fragt mich immerzu, wo du bist. 

Wieso fragt sie mich? 

Kannst du es ihr nicht sagen.

FRAUENSTIMME

Haben Sie sich verlaufen? Möchten Sie einen Glühwein? 

So was kennen Sie bestimmt nicht, wer weiß, ob Sie so was überhaupt trinken? Ich weiß nicht, ob ich Ihnen so was anbieten darf?

MÄNNERSTIMME

Was können Sie denn? Na? 

Was haben Sie so drauf? Na? 

Was können Sie beitragen? 

Zeigen Sie uns doch mal, was Sie auf dem Kasten haben? 

Bewähren Sie sich! 

Beweisen Sie, dass wir uns auf Sie verlassen können. 

Verstehen Sie mich? 

Haben Sie noch ein Ass im Ärmel? 

Haben Sie noch einen Pfeil im Köcher? 

Timbuktu windet sich in der Enge.

ALLE STIMMEN IM CHOR (gleichzeitig)

Mucksmäuschenstill

Geduldig musst du sein

Zehn Liter Wasser

Mutter fragt immerzu

Haben Sie sich verlaufen?

Was können Sie denn?

 

AKT [1] SZENE [2]

Die fünf Masken in einem Saal eines Weltkulturen-Museums.

KUFU

Was für ein Albtraum.

NOMO

Warst du wieder Timbuktu?

KUFU

Ich träume von niemand anderem. Wer weiss, vielleicht werde ich von ihm erträumt. Ich bin im Wachsein so eingesperrt wie im Albtraum.

NOMO

Was siehst du im Traum?

KUFU

Schuhe.

TIZI

Schuhe?

KUFU

Nur Schuhe. Stiefel, Sandalen, Sneaker, Moonboots, Clogs, Latschen, Wanderschuhe. Augentreter. Ein Schlitz, dahinter Licht, im Licht Schuhe. Und Sohlen. Und Absätze. 

TIZI

Wie lange schon ist mir kein Barfüßiger mehr begegnet.

KUFU 

Flipflops. Gelegentlich Flip-flops. 

TIZI

Flip flop, flip flop.

BADA

Ich bin in meinem Traum nach Hause zurückgekehrt, die Felder waren abgebrannt, die Stauden gebrochen, es roch nach Maiskolben, ich erreichte einen Bach, der war kein Bach, der war ein Frauenkörper. 

TIZI

Habe ich auch gerochen, gegrillte Maiskolben, haufenhoch, heiß und knackig. 

BADA

Die Bächin drängte mich, in einen der Kolben hineinzubeissen. Ich habe mir die Lippen verbrannt, die Zunge. 

TIZI

Greifen Sie beherzt zu! Bedienen Sie sich. Uns soll heute nähren, was morgen verbrennt.

NOMO (schreit)

Wer hat meine Yams gegessen?

NOMO

Bin den glattesten Baum hinaufgestiegen, bin kein einziges Mal ausgerutscht. Er fand kein Ende, der Baum, irgendwann stieg ich nicht mehr, weil es keine Spitze gab und ohne Spitze kein Oben und kein Unten. 

KUFU

Schuhe. Nur Schuhe, nichts als Schuhe. 

Stunden, Tage, Wochen, Sohle neben Sohle, Gummi auf Leder, Tritt um Tritt, hundertmal schwarz, einmal bunt. 

Schuhe, Sohlen, die Sohlen unbekannter Schuhe unbekannter Menschen.

NOMO

Alles hängt von der Perspektive ab.

TIZI

Du warst am falschen Platz.

KUFU

Zum Sein kein Platz. 

Angekündigt von den Klängen der Kora (o.ä.) erscheint der GRIOT. 

GRIOT

Der Mensch wurde stolz.

So schuf Gott die Blindheit

Den Stolz zu bändigen.

Die Blindheit wurde stolz.

So schuf Gott den Schlaf

Den Stolz zu bändigen.

Der Schlaf wurde stolz.

So schuf Gott das Leid

Den Stolz zu bändigen.

Das Leid wurde stolz.

So schuf Gott den Tod

Den Stolz zu bändigen.

Der Tod wurde stolz.

So schuf Gott die Unendlichkeit

Den Tod zu überwinden.

Neonlicht. LIEBERBERG, MEAD,  DUBUFFET betreten den Raum. Die Masken erstarren zu Ausstellungsobjekten. 

LIEBERBERG 

Liebe Kollegen, wir sollten uns ein wenig beeilen. Bis 17.45 soll ich Sie in Ihr Hotel zurückgebracht haben, wie Sie wissen, erwartet Sie ein dicht gepacktes Abendprogramm …

MEAD

Das also sind die Masken?

LIEBERBERG 

Zufällig gefunden, ein Wasserbruch und es kommen die wunderbarsten Schätze zu Tage. Glück im Unglück. 

MEAD

Die größten Funde werden heutzutage in den Depots unserer Museen gemacht.

LIEBERBERG

Was für eine Fügung, dass Sie heute angereist sind, morgen schließen wir das Museum wegen Renovierungsarbeiten für einige Tage. Aber genug der überflüssigen Worte. Das also sind sie.

Schweigsames Betrachten.

Meisterwerke!

MEAD

Wie bitte?

LIEBERBERG (lauter)

Meisterwerke!

MEAD

Unzweifelhaft.

LIEBERBERG

Beachten Sie den formvollendeten Ausdruck kosmologischer Hierarchie. Die anthropomorphische Metastruktur von inhärenter philosophischer Stringenz.

DUBUFFET

Verzeihung, werter Kollege, aber ich entdecke Spuren des Hybriden, Schattierungen des Übergangs. Könnten diese Masken aus einer Epoche transitorischer Entwicklung stammen?  

LIEBERBERG 

Das dürfte eher der Komplexität des zugrundeliegenden Mythos geschuldet sein, eine profunde Komplexität, zudem mangelt es uns an historischen Beweisen, alles weitere unterliegt der Spekulation, wildester Spekulation.

DUBUFFET (flüstert zu MEAD)

Die alte Schule hält sich wacker.

MEAD (flüstert zu DUBUFFET)

Nicht lebendig, aber erstaunlich quick.

DUBUFFET

Heuristisch blind.

LIEBERBERG  

Minimalistisch die Münder, subtil gesetzt, ornamentiert mit Perlen and Kaurimuscheln.

DUBUFFET streckt seine Hand aus, das schöne Gesicht einer der Masken zu berühren.

LIEBENBERG

Ich bitte Sie, nicht berühren!

MEAD

Sie sind nicht nur heilig, werter Kollege, sondern auch von unschätzbarem Wert. 

DUBUFFET 

Tausende von Hände haben ihre Existenz begründet. 

LIEBERBERG  

Wie wahr, wie wahr. Aber jetzt sind sie hoch versichert. Kehren wir doch noch einmal zurück zu den Gestaltungsprinzipien. Worauf ich Ihre Aufmerksamkeit noch lenken wollte, die strenge Frontalität, das Verhältnis von Torso zum restlichen Körper, alles ist durchdrungen von dem allumfassenden Konzept des Mythologischen, in diesem Fall natürlich vom Schöpfungsmythos der Fulani …  

DUBUFFET 

Verzeihen Sie, wenn ich Ihre präzise Analyse unterbreche, aber erst neulich hat Professor Jenkins …

LIEBERBERG  

Jenkins! 

DUBUFFET 

… in seinem Essay über „Die Bewusstheit des primitiven Künstlers hinsichtlich Konzept und Prozess“ einen faszinierenden Subtext herausgearbeitet …

LIEBERBERG  

Er liest zu viel hinein!

PROF DUBUFFET 

… einen Ausdruck von migratorischer Bewegung, von Konflikt und Selbstbehauptung, ein Kreislauf, der durch seine Wiederholung mythologische Züge annimmt, ergo erfahren ist, nicht behauptet wird …

LIEBERBERG  

Das kann ist nicht bestätigen, nein, das halte ich für ausgeschlossen, gewisse mnemonische Funktionen, das mag angehen, aber eine unmittelbare Illustrierung der Stammesgeschichte, nein!

GRIOT setzt seine Geschichte fort, sotto voce.

DUETT: LIEBERBERG / GRIOT

Beide Stimmen zerfranst, sich gegenseitig bedrängend, der Griot im Singsang, Lieberberg im Vortragsstil …

GRIOT 

Der Mensch wurde stolz

wie seltsam ist sein Stolz.

LIEBERBERG

Wir sollten einige Aspekte der Skarifizierung nicht unerwähnt lassen …

GRIOT

Der Mensch wurde blind

wie seltsam ist seine Blindheit.

LIEBERBERG

vermutlich Initiationssymbole …

GRIOT

Der Mensch wurde schläfrig 

Wie seltsam ist sein Schlaf.

LIEBERBERG

die zugleich als formelle Embleme eingesetzt werden. 

GRIOT

Der Mensch wurde leidend 

Wie seltsam ist sein Leid.

LIEBERBERG, MEAD, DUBUFFET diskutieren eifrig, aber stumm weiter.

GRIOT

Der Mensch wurde sterblich, 

Wie seltsam ist sein Tod!

LIEBERBERG, MEAD, DUBUFFET diskutieren noch ein wenig weiter, dann verlassen sie den Raum.

 

AKT [1] SZENE [3]

Die MASKEN bewegen sich nun wie eine Familie in im eigenen Wohnzimmer.

JEGE

Ich dachte, die gehen nie mehr wieder weg.

KUFU

Im Keller war’s ruhiger.

TIZI

Weniger Licht.

BADA

Dafür nicht so viele starrende Augen.

NOMO

Was die starren können.

BADA

Gestern der Junge …

NOMO

Starrauge!

KUFU

Und die Schulklasse …

JEGE

Alle haben mich gezeichnet.

TIZI

Weil du so einen strengen Gesichtsausdruck hast.

NOMO

Weil du die schönsten Narben hast.

KUFU

Weil es einfacher ist, den Schlaf zu zeichnen als den Tod.

JEGE

Ich sehne mich nach jenem Tag, an dem wir nicht angestarrt werden.

KUFU

An dem es verboten ist! 

TIZI

So wie früher, meinst du?

NOMO

So wie einst.

KUFU

Als die Termiten flügge, der Regen erschöpft, das Flüstern rundum, die Schatten davon.

NOMO

Klammert euch nur an die Baumstämme der Erinnerung, ihr Vertriebenen.

TIZI

Treibholz.

JEGE

Gedächtniseintreiber.

KUFU

Und doch werdet ihr weggeschwemmt werden. 

NOMO

Ich schwebte über dem Fluß …

TIZI

Ich trieb auf dem Wasser …

JEGE

Ich versank im Wasser …

KUFU

Ich war das Wasser.

BADA

Genug der Verklärung!

KUFU

Jemand hat uns geschaffen, jemand muss uns geschaffen haben. 

NOMO

Er hat das Holz im Schattenhain gefunden.

TIZI

Woher wusste er von diesem Holz?

JEGE

Er hat es berührt.

KUFU

Er hat uns mit seinen Händen gesehen bevor wir da waren.

JEGE

Vorhin wurde ich fast berührt. Die Absicht der fremden Hand strich mir über die Wange. Ich fühle mich wertlos, so lange schon hat mich niemand mehr berührt.

KUFU

Mit seinen Händen hat er uns aus dem Holz befreit.

BADA

Ich war die Hexenfrau, die nachts die Sonne in ihrem Schoß verbirgt. Ich war der Baum, der mitten auf dem Marktplatz umfiel und an den Haaren weggezerrt wurde.

NOMO

Großmutter war glücklich. Ein Tag reichte nicht aus, die Ernte zu zählen. Sie mochte keine Märchen. Sie zog die Weisheit voller Töpfe vor. 

TIZI

Ich bin nicht diejenige, die ich sein sollte. Sie zwangen mich, die ganze Kalebasse auszutrinken.

JEGE

Eine Kalebasse voll mit …?

TIZI

… dem, was von mir erwartet wurde.

JEGE

Trunken vom Durst der Erwartungen. 

BADA (schriller)

Ich bin die Hexenfrau, ich gestehe, ich habe unzählige Monde getötet.

KUFU

Wenn es regnete, regnete es nach dem Mahl am Abend. Die alte Uhr meines Vaters grunzte wie ein Zuchtbulle. Wenn es regnete, weckten die Termiten die Nacht. 

NOMO 

Ich hielt die Hand der Frau, deren Fleisch vom Vorsteher gegessen wurde. Ich habe sie gereinigt von dem, was er zwischen ihren Schenkeln zurückgelassen hatte.

TIZI

Ich habe die Kalebasse zerbrochen. Ich war diejenige, die überlebt, wenn ein Zwilling stirbt. 

KUFU   

Bevor du ein Glas Hirsebier ausgetrunken hattest, bedeckten die weißen Flügel der Termine den gesamten Boden. Meinen ganzen Körper.

NOMO

Großmutters Hand fühlte sich an wie ein trockenes Blatt.  Während alle anderen den Versammlungsplatz füllten, sanken wir in den besänftigenden Atem des anderen.

BADA  

Ich bin die Hexe.

TIZI

Ich war schwach, das ganze Dorf spuckte mich an. Vertreibt sie, schrieen sie, weg mit ihr. Übergibt sie dem weißen Mann, der Versager sammelt. 

NOMO  

Großmutter zog die Weisheit voller Töpfe vor. 

KUFU  

Wenn du zum Regen sprichst, flattern dir Flügel in den Mund. Wenn du dem Regen zuhörst, fluten Flügel dir die Ohren.

TIZI    

Weg mit ihm. Übergibt ihn dem weißen Mann, der Versager sammelt. 

JEGE 

Die Erde verschlingt alle Stimmen. Neue Worte sind Knochenfunde.

Die fünf Masken bilden einen intimen Kreis.

NOMO  

Und? Wie war’s letzte Nacht? 

TIZI     

Es hat geregnet, Katzen und Hunde, Hammer und Nägel, und kein einziges Taxi weit und breit.

NOMO   

Du hast bestimmt verängstigt ausgesehen.

JEGE  

Ungünstige Zeiten. Die Touristensaison ist vorbei, die Volksfeste sind gefeiert, die Jahreszeit der Verkleidung hat noch nicht begonnen. 

TIZI     

Das Ausgehen ist so viel leichter während des Karnevals.

KUFU   

Die einzige Zeit, zu der wir nicht auffallen.

JEGE

Wisst ihr noch, wie ich einem Besoffenen am Bahnhof verklickert habe, ich sei Museumsdirektor, verkleidet als eine seiner Masken.

NOMO  

Umgekehrt wärst du aufgeschmissen. Du als Lieberberg, das könntest du nicht einmal einem Blinden unterjubeln.

 JEGE

(äfft Lieberberg nach)

Nicht einmal, wenn ich meinen überdimensionierten Torso in die Gleichmäßigkeit realistischer Plausibilität eingliedere?

TIZI

Wer ist denn heute Nacht dran?

NOMO

Ich würde es gern verdrängen, aber ich bin an der Reihe. 

KUFU   

Du glückliche – Freitagabend!

NOMO

Was ist so wunderbar an Freitagabend?

KUFU   

Die Einheimischen lassen die Sau raus … 

BADA

Wo hast du denn diesen Ausdruck aufgelesen?

KUFU

Eher aufgegabelt, in einem Wirtshaus. Sie wollten mich verprügeln, bis ich mit lauter Stimme behauptet habe, ich sei der Prinz aus Nugustan und lade alle ein, zu trinken, so viel sie wollen.

NOMO

Und dann …?

KUFU

Dann haben sie vorbildlich die Sau rausgelassen.

NOMO

Wie hast du gezahlt?

KUFU

Mit Weggehen.

TIZI   

Ach, die Magie des Wochenendes.

KUFU 

Das soll ein Segen sein? Ich konnte mich letztes Mal vor lauter Drinks nicht retten. Wenn den Männern hierzulande eine Frau gefällt, wollen sie ihr unbedingt Alkohol schenken. 

BADA 

Betrachte es als Trankopfer.

NOMO  

Ich will nicht mehr ausgehen, es hat keinen Sinn.

BADA   

Hast du die Prophezeiung vergessen?

JEGE  

Lass sie in Ruhe.

BADA   

Ob zum Guten oder zum Schlechten, wir sind aufeinander angewiesen, bis wir unsere Zwangslage überwunden haben. 

TIZI 

Wir dürfen den Pfad der Prophezeiung nicht verlassen.

NOMO 

Wieso. Es bringt doch nichts.

BADA  

Weil wir einmal versagt haben, ein einziges Mal. Weil wir seitdem unser Bedauern herunterschlucken müssen. 

TIZI    

Solange wir die Hüter der Menschen waren, waren wir behütet. Wir wachten gemeinsam über das Gleichgewicht der Dinge. 

NOMO 

Ihr habt recht, die Pflicht ist uns ins Fleisch …

BADA

ins Holz …

NOMO

Ins Fleisch und ins Holz eingeschrieben. Es ist an mir, ich werde heut Nacht aufbrechen. 

 

AKT [2] SZENE [1]

NOMO in der Stadt: Lichter, Werbungen, hektische Bewegungen, Türen, die sich zu einem merkwürdigen Rhythmus öffnen und schließen.

NOMO 

Singt vor sich her.

My mother went to work the fields

My father went to drink away the yields

My brother went to study in a silent room

And I am busy waiting for my groom.

One day I will go to work the fields

My groom will go to drink the yields

Our son will study in a silent room

Our daughter will be waiting for her groom.

Eine U-Bahn-Station. Am Ende des Laufbands ein afrikanischer Musiker, der auf einer Gitarre klimpert. Als NOMO an ihm vorbeigeht, ruft er aus

SAM

Schwesta, lass ‘nen Blinden doch nicht so leiden! 

NOMO

Woher weiß der Blinde, dass ich eine Schwesta bin?

SAM

Geruch, Gnädigste, Geruch.

NOMFAMA

Ich verwende kein Parfüm.

SAM

Ach Schwesta, deine Ignoranz ist reizend. Wusstest du nicht, dass Mann und Frau unterschiedlich riechen. Wusstest du nicht, dass der Dünne und der Dicke unterschiedlich riechen. Auch der Junge und der Alte riechen unterschiedlich. Die Augen kann man belügen, niemals aber die Nase. 

NOMO

Was kannst du denn noch so erschnüffeln?

SAM

Ich erspüre einen Hauch von Afrika, viele Winter entrückt, bedeckt von einem miefigen Mantel. Aargh, lebst du denn in einem Kleiderschrank, Schwesta? Ich erspüre einen Hauch von Entrückung. Ich muss gestehen, selten gewährt mir der Geruch der Vergangenheit einen Schnupper der Zukunft.

NOMO

Du bist präzise in deiner Vagheit.

SAM

Sie nennen mich den Wundermann.

NOMO

Einige Winter entrückt von den Wundern der Jugend. 

SAM

Ach Schwesta, du bist mir aber eine …

NOMO

Eine Hexe!

SAM (interessiert)

Wirklich?

NOMO

Werd jetzt nicht geil.

SAM

Wie gut du mich missverstehst, Schwesta. 

NOMO

Ich bin gut damit gefahren, Männer misszuverstehen. All die Männer daheim, die von Hexenschössen träumen, wenn die Nacht ihnen ins Glied kriecht. 

SAM

Da liegst du falsch. Zuhause streift das, was du gesagt hast, die Wahrheit, aber hier, in diesem eisigen Binnenland sind wir nur Geschwister …

NOMO

Jetzt klingst du fast wie jene, die sich blindlings an uns ergötzen. 

SAM

Ruhig, Schwesta, immer langsam mit den jungen Pferden.

NOMO

Selbst du würdest mehr sehen als sie.

SAM

Natürlich, ich bin dein Bruder. Ein Sohn Mutter Afrikas. An ihrer warmen Brust großgeworden, als Kind gesegnet mit all dem, was schön und stark ist. Afrika fliesst durch meine Venen. 

NOMO

Ich glaube kein Wort. Davon. Heb dir solches Geschwätz auf für jene, die dir Münzen zuwerfen.

SAM 

Glaubst du etwa, ich bin von ihnen abhängig?

NOMO

Die Schale vor deinen Füßen, die spricht ein klares Wort.

SAM

Aber was ist drin? Kleingeld. Das was abfällt, wenn man die Hosentaschen vor dem Waschen leert. Glaubst du wirklich, dass ich mich für so was …

NOMO

Aber nein doch, wer verkauft sich denn je für Geld?

SAM

Stimmt also doch, das mit der Hexe. Du bist mir eine. Wie hast du dich eigentlich verlaufen?

NOMO

Ich habe alles verloren als ich das Wort des Vorstehers in Abrede stellte.

(zur Seite)

Als der Schnitzer uns Leben einhauchte, wurde ich gewarnt, nicht mit jenen gemeine Sache machen, die Lügen gebären. Der Schnitzer flüsterte: Masken, ihr habt wahr zu sein, und sonst nichts.

(wieder zu Sam)

Wie kann der Mutterleib, schrie ich, neun Monate lang eine Lüge austragen?

(zur Seite)

Ruhe dich nachts niemals aus, sagte der Schnitzer, sonst verlierst du deine Freiheit und deine Kraft.

(wieder zu Sam)

Sie sperrten mich ein. Sie untersuchten mich wie ein kaputtes Transistorradio. Der Lehrer, der Doktor, der Richter. Du bist so blind wie die Nacht, sagte der Arzt. Und du blendest mich mit deinen Lügen, sagte ich. Keine Nacht werde ich ruhen, ich schwor, bis zum Ende aller Blindheit.

SAM

Das ist eine Aufgabe! Bist du dem Versprechen treu geblieben?

NOMO (lächelt bitterlich)

Ja, bis auf einmal. 

SAM 

Bis auf einmal? Was soll das bedeuten?

NOMO

Egal! Was machst du denn hier? Schattenreiche ausleuchten? Hemmungen beseitigen? Weiße Frauen reanimieren?

SAM

Ich suche nach einem Lied, das ich vergessen habe. Es wird wiederkehren, dessen bin ich mir sicher. 

NOMO

Hier?

SAM

Der Ort taugt mir so sehr wie jeder andere. Ich bin Missachtung gewohnt. Ich war schon früh eine Last für die Familie, das dauerte an, bis aus dem Ausland die Nachricht kam, dass einer unserer Söhne aufgeblüht war, in der Ferne. Mein Glück musste darin bestehen, woanders Aufnahme zu finden. Das gelobte Land roch nach frischer Farbe, im Haus meines Cousin-Bruders, der mich eine Woche lang verwöhnte. Ich hatte das Gefühl, ein lebenslanges Fasten gebrochen zu haben, aber ich wusste, das Fasten würde wieder einsetzen müssen.

NOMO

Wer war dein Vater?

SAM

Er war ein Chief. 

NOMO

Was hat er dir beigebracht? 

SAM

Er brachte mir alles bei, was er wusste. Er kleidete mich in seine fließende Weisheit. Die Namen derer zu kennen, die vor uns hergegangen sind, die Namen derer zu speichern, die vor uns die Geschicke der Menschen beeinflusst haben. Es war verwirrend, die Ahnen, die er im Mund führte, waren nicht die Ahnen, die uns in der Schule beigebracht wurden. 

NOMO

Wurde er gehört?

SAM

Er konnte seine Berufung nicht nähren. Er hat Prüfungen abgelegt und mit Auszeichnung bestanden. Er beherrschte die Welt der Steuern, vom Thron eines Schreibtischs aus.

NOMO

Wurde er respektiert?

SAM

Man bot ihm Respekt an, wie eine weitere Bestechung. Die Größe seiner Schreibtischschubladen war die Summe aller Achtung.

NOMO

Trotzdem, er wurde respektiert. Er wurde nicht missbraucht, er wurde nicht vertrieben.

SAM

Wir haben keinen Respekt für einander, das ist unser Leid, Schwesta. Unsere Augen sind erblindet, so sehr haben sie sich an die Dunkelheit gewöhnt. 

NOMO

Um die Stimmung zu heben, warum singst du nicht von besseren Zeiten. 

Der Musiker hebt seine Stimme an, die Maske tanzt. 

SAM 

Unter allen Tieren

gibt es dieses hier:

Es findet Zuflucht im Haus

und im Baumwipfel.

Es lebt in Zimmern und

zwischen zwei Ästen.

Es ist weiser als die Eule,

sieht mehr als der Adler.

Es kriecht in alle Richtungen,

es hängt kopfunter.

Heim, sagt die Spinne, 

ist das Netz, in dem ich stecke!

Am Ende des Liedes ist das Klappern von Münzen deutlich hörbar.

SAM

Das Geräusch von Regentropfen auf dem Blechdach. Dieses Lied aus alten Zeiten und dein betörender Tanz laden Segen ein. Du bist schon außer Atem?

NOMO

Müde von meinem Flug auf dem Rücken einer Hyäne.  

(Sie lacht bitterlich)

Hör zu – ich habe einen Plan – verzeih mir, wenn ich zu aufdringlich bin, aber könntest du für mich und meine Freunde singen?

SAM

Wo?

NOMO

Im Museum der Masken. Ich muss noch klären, wie du hineinkommst. Wie kann ich dich denn erreichen?

SAM

Ich werde hier sein. Ich bin die tägliche Abzweigung. Tausende wechseln hier jeden Tag die Spur. Wenn sie meine Lieder hören, wissen sie, dass sie auf dem Sprung in die Vorstädte sind, oder zur Nachtschicht …

Dunkle Gestalten springen aus dem Nichts hervor, begleitet von einer Explosion, einem Schock für die beiden wie auch für das Publikum; die Gestalten überwältigen SAM und NOMO und zerren sie von der Bühne, während das Licht gedimmt wird.

 

AKT [2] SZENE [2]

Im Museumssaal. JEGE, TIZI, KUFU, BADA stehen zusammen, bilden eine Raute. 

KUFU

Was für ein Albtraum.

TIZI

Warst du wieder Timbuktu?

KUFA

Ich war in zwei geschnitten. Meine Arme schwammen, meine Beine rannten. Meine Hände ballten sich, meine Füße streckten sich. Meine Finger waren abgewetzt, meine Zehen eingeschlafen.

JEGE

Wo ist Nomo?

BADA

Das fragst du seit Stunden.

JEGE

Bis ich eine Antwort erhalte.

BADA

Die Antwort richten sich nicht nach der Frequenz der Frage.

KUFA

Und wo sind die Menschen, die uns anstarren?

TIZI

Wo sind die Wärter?

BADA

Wo ist Lieberberg?

JEGE

Wo ist die Welt?

TIZI

Hat man uns vergessen?

JEGE

Dass sie uns anstarren ist mir immer noch lieber, als dass sie uns ignorieren. 

TIZI

Sind wir denn überflüssig geworden?

KUFU

Gestern setzte sich ein junger Mann mir gegenüber und begann zu zeichnen und ich dachte, noch einer, der mich abzeichnet, so wie ich nicht bin, aber ich täuschte mich, denn als er seinen Block nach unten senkte, erkannte ich das Bildnis einer jungen Frau, die mir bekannt vorkam, eine junge Frau, die uns früher oft besuchte, die einige Zeit mit uns verbrachte. 

TIZI

War es jene, die zum Abschied ein Foto von dir knipste.

KUFU

Ja, die meine ich. Er hat mich angeschaut, aber er hat diese Frau gezeichnet. 

TIZI

Obwohl du ihr gar nicht ähnelst.

KUFU 

Lass die dummen Sprüche. Er hat sie erkannt in mir, ich hatte das Gefühl, er hat auch mich gesehen.  

BADA

Wir sollten lieber darüber reden, wie wir Nomo finden?

TIZI

Jege muss sie suchen.

JEGE

Ihr wisst doch, wie groß die Stadt ist. Ich bin einmal losgegangen und habe mir geschworen, erst mit dem Gehen aufzuhören, wenn ich das Ende der Stadt erreicht habe. Ich ging vorbei an kleinen Häusern und gewaltigen Mauern, gewundenen Gassen entlang und endlos geraden Strassen, das Ende der Stadt erreichte ich aber nicht. Bringe mich ans Ende der Stadt, bat ich einen Taxifahrer, und er fuhr mich zum Flughafen und er sagte: Um dorthin zu gelangen, wo du hinmöchtest, musst du fliegen. 

TIZI

Jege muss sie suchen.

BADA

Vielleicht wurde sie geraubt!

KUFU

Von wem?

BADA

Einem der Professoren.

KUFU

Unsinn!

BADA

Einem Händler von Masken.

KUFU 

So was gibt es nicht.

BADA 

Von wegen.

JEGE

Hört auf, ich kann das Knattern euer Worte nicht mehr ertragen. Die Pflicht ist uns in die Haut geritzt und ins Holz eingeschrieben. Es ist an mir, ich werde heut Nacht aufbrechen. Vielleicht kann ich ja Nomo finden.

 

AKT [2] SZENE [3]

JEGE, SONIA

JEGE tritt in ein neonbeleuchtetes Fast-Food-Restaurant.

SONIA (sehr müde)

Was soll’s sein?

JEGE    

Eine gute Frage. Eine ausgezeichnete Frage! Ich war nicht vorbereitet, wissen Sie, auf diese spezielle Frage.

SONIA

Menü?

JEGE    

Es scheint – nach den Bildern über ihrem Kopf zu urteilen –, Sie bieten eine bestimmte Art von kohlensäurehaltigem Wasser an, das sich – ich bedauere, dies sagen zu müssen – kaum mit meinem Verstand verträgt.

SONIA

Der nächste!

JEGE    

Finger food!

SONIA

Fisch?

JEGE    

Fish erlaubt mein Name nicht.

(Pause)

SONIA

Was denn dann?

JEGE    

Ich habe mich entschieden, ich wähle das „Herbstvergnügen“.

SONIA

Ketchup, Mayonnaise?

JEGE    

Oh, heute ist Samstag, oder? Keine Eier erlaubt am Samstag. Tabus sind das Silberbesteck des guten Geschmacks.

SONIA

Ketchup! Extra Chips?

JEGE    

Warten Sie: Was für ein Öl wird verwendet? Palm sollte es nicht sein und ich würde gerne auf Erdnuss verzichten. Kokus vielleicht? Hoffentlich?

SONIA

Hey, Bruno, was für ’n Öl verwenden wir? Was weiss ich. Guck doch mal aufs Etikett. Sonnenblume? Klasse. Es ist Sonnenblumenöl.

JEGE    

Weil es mir unbekannt ist, werde ich es auf die Probe stellen.

SONIA

Alles?

JEGE    

Ich vermute, ich kann jederzeit zurückkehren, um mehr zu bestellen, nicht wahr?

SONIEN

Ja, kommen Sie jederzeit wieder.

24 Stunden am Tag

7 Tage die Woche.

Solange Sie bezahlen.

Scheiße, ich fang schon an so zu reden wie Sie.

JEGE lächelt, ergreift sein Plastiktablett mit dem Essen und nimmt Platz, schaut SONIA an, während er isst, lächelt sie an. SONIA verschwindet, JEGE isst sehr langsam, jede Bewegung wie von langer Hand erwogen und wohl bedacht. SONIA kehrt von einer anderen Seite der Bühne zurück, nicht mehr in der Uniform des Fastfoodkonzerns gekleidet. Sie kommt an JEGES Tisch.

SONIA

Bitte entschuldige, dass ich so neugierig bin, aber das Outfit, das du trägst…?

JEGE   

Seltsam, nicht wahr? Du fragst dich:

Ein Bandleader aus Kongo?

Ein Hexendoktor aus Bongo?

Oder ein seltsam verrückter Bewohner des Asylantenheims?

SONIA

Ich war nur fasziniert.

JEGE    

Ich werde es dir sagen, aber nur, wenn du dich mir anschließt und Platz nimmst.

(SONIA setzt sich zu ihm an den Tisch.)

JEGE    

Du siehst müde aus, du musst dich nach Schlaf sehnen.

SONIA

Ich kann nicht schlafen von Abenddämmerung bis Morgengrauen und nur dösen den Tag über. Aber was ist mit dir, du bist auch spät auf?

JEGE    

Ich schlafe nur, wenn mich neonblinde Augen unerbittlich anstarren.

SONIA

Wenn es keinen Schlaf gibt, sind alle Dinge weit auseinander geraten.

JEGE    

Das haben wir deiner Arbeit und meinem Schicksal zu verdanken.

SONIA 

Arbeit? Nennst du das Arbeit? Ich frage, ich tippe, ich drehe mich um, ich rufe, ich suche, ich greife. Ich diene und bediene. Nie ein untätiger Moment – die Aufsicht hält mich auf Zack. Wenn der Kunde bestellt – nicht tratschen! Wenn ich serviere – nicht bummeln! Eine Uhr sticht mir die Ruhepausen ab. Ich diene und bediene. 

JEGE

Wieso haust du nicht ab?

SONIA

Hier bin ich eine Null, das stimmt. Aber eine Null zu sein ist besser als nichts zu sein. 

JEGE

Eine Null? Nur wenn du erlaubst, das andere dich so bezeichnen. 

SONIA

Die mich zahlen.

JEGE    

Und das soll dein Wert sein?

SONIA

Du gibst ihren den kleinen Finger, sie nehmen die ganze Hand.  

JEGE

Handreichung, nennt man das nicht so? Aber worauf wartest du, was erhoffst du dir hier noch? 

SONIA

Nichts.

JEGE

Das kann nicht sein. Was ist mit deiner Zukunft?

SONIA

Eingeschlafen, im Gegensatz zu mir. Übrigens, einige deiner Leute arbeiten hinten in der Küche. 

JEGE

Meine Leute?

SONIA

Mal so geraten. Du hast mir ja noch nicht gesagt, wo du herkommst.

JEGE     

Lass uns sagen: Ich bin ein Bewohner von Insomnia. 

SONIA

Aber wo kommst du her?

JEGE

Aus den südlichen Provinzen. 

SONIA

Klingt schön! Bestimmt ein Ort der Unschuld. 

JEGE    

Das stellst du dir nur so vor. Meine Großmutter bewohnte noch das Land deiner Träume. Ganze zweihundert Pfund reiner Liebe und Weisheit. Ich sass auf ihren Schenkeln wie auf einem Vulkan der Glückseligkeit. Sie erzählte mir Geschichten, zum Einschlafen, und einige, die mich hellwach hielten.

Der GRIOT erscheint.

GRIOT

Schildkröte ist ein besonnener Reisender, ein umsichtiger Reisender, er macht keine Sprünge, er geht kein Risiko ein. Langsam bewegt er sich, mit Mass. Ein Tag wie Blitz. Hase eilt vorbei und ruft ihm zu: Bist du eine Schnecke, dass du kriechst mit solcher Muße? Hase war voller Verachtung. Und er flitzte weiter. Eine Stunde später, Schildkröte erreichte eine Kurve der Strasse. Hase war nur noch Blut, über seinen Pelz liefen die Spuren eines LKW-Reifens.

SONIA

Was für eine schreckliche Geschichte, warum sollte irgendjemand so brutale Geschichten erzählen. (Pause) Lebt deine Großmutter noch?

JEGE    

Sie ist gestorben. Ich war nicht im Dorf. Sie war zu alt, um vor der Dürre zu fliehen.

SONIA

Und deine Eltern?

JEGE    

Mutter starb bei meiner Geburt, Vater wurde beim Schmuggeln erwischt. Ich kenne nicht mal den Ort des Gefängnisses, in das sie ihn geworfen haben.

SONIA

Aber das ist ja furchtbar! Gibt es etwas, was man tun kann?

JEGE    

Unser Land ist verflucht.

SONIA 

Verflucht? So ’ne Haltung wird dir nicht helfen, ihn zu finden! Hast du dich mal an das Rote Kreuz gewandt?

JEGE    

Es war der letzte Abend der Feierlichkeiten. Wir waren überglücklich, wir waren geehrt worden von Gästen aus der Ferne, rotgesichtige Männer mit Fragen nach jedem Warum.

SONIA

Was ist das denn? Eine Erinnerung, ein Märchen – was erzählst du mir da?

JEGE    

Als sich das Dorf zur Ruhe begab, in der tiefsten Furche der Nacht, sind auch die Masken eingeschlafen. Aber eine von ihnen hätte wach bleiben sollen, wie von der Prophezeiung vorgeschrieben.

SONIA 

Masken, die wachen? Wir sprachen über deinen Vater …

JEGE    

Während alle schliefen, entschlüpften die Rotgesichtigen ihrem trügerischen Schlaf, ein jeder ergriff eine der Masken und sie stahlen sich davon, um nie wieder gesehen zu werden. Unser Unglück begann.

SONIA

Und wo sind die Masken?

JEGE    

Hier in der Stadt.

SONIA

Die Masken sind in dieser Stadt, die Masken, die deine Leute verloren haben? Kein Wunder, dass du nicht schlafen kannst. Du schmiedest Pläne, stimmt’s?

JEGE    

Bislang konnten wir nichts tun.

SONIA 

Das kann nicht dein Ernst sein, wie kannst du aufgeben? Es gibt doch bestimmt Wege, sie zurückzufordern. Soll ich dir helfen? Das geht doch gar nicht, dass euch was gestohlen wird und dann jahrelang nicht zurückgegeben wird.

JEGE

Ein Jahrhundert!

SONIA

Wie bitte?

JEGE

Nicht Jahre sind’s, sondern ein Jahrhundert. Es ist niemand am Leben, der sich damals schuldig gemacht hat.

Die Musikanlage des Fast-Food-Restaurants spielt einen weiteren Song. (Z.B. „African Reggae“ von Nina Hagen).

SONIA

Hey, ich mag diesen Song.

JEGE    

Möchtest du tanzen?

Sie nickt zaghaft, beide stehen auf. Sie fangen an, zwischen den Plastiktischen zu tanzen, anfangs unbeholfen, aber allmählich verführt von der Musik und dem Rhythmus, die den künstlichen, kalten Ort in eine ländliche afrikanische Bar verwandeln. Sie tanzen zunehmend intimer. Dunkle Gestalten springen aus dem Nichts hervor, begleitet von einer Explosion, einem Schock für die beiden wie auch für das Publikum; die Gestalten überwältigen SONIA und JEGE und zerren sie von der Bühne, während das Licht gedimmt wird.

 

AKT [2] SZENE [4]

TIZI, SUNNY

In einem Striptease-Klub. Zwei oder drei Stripperinnen, die lasziv tanzen. TIZI und SUNNY treten gemeinsam ein.

TIZI     

Ich muss Ihnen danken, dass sie mich an diesem brutalen Torwächter vorbeigeschleusst haben.

SUNNY

Du ziehst Probleme an, Mann, so wie du angezogen bist, wirst du über jeden Türsteher stolpern. Ethno chic ist total out, du musst deinen Stil echt mal updaten.

TIZI sieht sich verwirrt und fasziniert um. Sie setzen sich hin, studieren die Cocktailmenüs.

TIZI     

Ich sehe dich Bruder, und was ich sehe, erfreut mich. Die Vorfahren haben dich gut genährt.

SUNNY

Sicher, alter Junge!

TIZI     

Ich sehe dich, Bruder, und mein Herz ist voller Stolz. Sag mir, wie hast du dir diesen Reichtum erarbeitet?

SONNE

Ach, indem ich ermögliche.

TIZI     

Das verstehe ich nicht.

SUNNY

Spielt keine Rolle. Hauch es weg. Keinen Deut wichtig. Bezahlt die Rechnungen. Auch solche, die nicht ausgestellt werden. Mehr musst du nicht wissen.

Die Getränke werden von einer der Tänzerinnen serviert, der Waffenhändler widmet ihr seine Aufmerksamkeit.

SUNNY

So! Hoch die Tassen, Chappie. Trinken wir auf Kissi! 

TIZI     

Erstaunlich, zwei Jungs aus ein- und derselben Nachbarschaft, weit weg von zu Hause.

SUNNY

Ich hab allerdings noch nie was von dir gehört?

TIZI

Du gehörst einer anderen Altersklasse an. Du sprichst merkwürdig, wo bist du aufgewachsen?

SUNNY

Weit von Zuhause entfernt. Ich war eine Last für meine Familie. Sie haben mich weggegeben, an jene, die Seelen sammeln.

TIZI

An die Weißen Väter?

SUNNY

Jesus segne sie, was haben die sich angestrengt, einen anständigen Christen aus mir zu machen. Haben mich geriegelt und gestriegelt mit dem Katechismus, haben mich gesponsert, die Bildung hoch und tief der Blick ins Glas. Haben mir geholfen, einen Job zu finden, dann das erste Gehalt, dann das zweite, der Rest flutschte nur so, Auto, Haus und Frauen.

TIZI     

Frauen? Sagtest du nicht was von christlich?

SUNNY

Christlich bis in den Schwanz, Kumpel! Sei fruchtbar und vermehre dich.

TIZI

Und die Deinigen?

SUNNY

Nichtsnutze. Ich hab mich eines Tages vor lauter Mitleid auf die Suche nach meiner Familie gemacht. Ach, was war das für ein liebevolles Wiedersehen, mit dem lange Verlorenen, mit dem längst Vergessenen, der plötzlich mit einem großen Geschenkekoffer auftaucht. Im Handaufhalten waren wir fette Freunde, endlich Familie und so, sie haben mir sogar eine Kusine ins Bett gelegt, all die Parasiten um mich herum, mindestens drei Dutzend Blutsauger, und weisst du was, ein jeder von denen teilte großzügig mit mir, was mir allein gehörte.

TIZI     

Aber du warst glücklich!

SUNNY

So glücklich wie ein Aas, der von Geiern gepickt wird. Nichts als Gier und Groll. Meine Stärke war denen selbstverständlich, ich war die Ziege, die man den ganzen Tag lang melken kann. Aber zum Glück bin ich rechtzeitig aufgewacht, um mich von dieser raffgierigen Umarmung zu befreien.

TIZI     

Du hast dein Land verlassen, um nicht teilen zu müssen?

SUNNY

Du etwa nicht?

TIZI

Wir wurden verschleppt, wir würden gern wieder alles teilen.

SUNNY

Ach, was ist denn so schlimm an der Fremde. Ich kann das Jammern nicht ab, all diese nostalgischen Weicheier. Was du zurückgelassen hast, kannst du leicht ersetzen. Was du brauchst, findest du überall. Außerdem, wie mein Beichtvater zu sagen pflegte: Ein Chamäleon wird oft auf die Probe gestellt.

TIZI      

Chamäleon? Das erinnert mich an einen Song, den damals alle gesummt haben.

Der GRIOT erscheint.

GRIOT

Jede Farbe kann als Kleidung dienen,

wenn du verstecken willst

wer du bist und was du suchst.

Jede Lüge kann als Tarnung dienen,

wenn du verbergen willst,

wer du bist und was du suchst.

Jeder Hafen kann als Heimat dienen, 

wenn du verheimlichen willst

wer du bist ist und was du suchst.

SUNNY

Du bist ein Dichter, Mann, wunderbar, ich muss noch einen heben, für die Kapillaren. One for the road, one for the road.

Sie bestellen; in Kürze werden die Getränke von einer Stripperin serviert.

TIZI

Trink von dem Quell verwundeter Palmen.

SUNNY 

Was soll das denn, worauf spielst du an?

TIZI

Nur so ein alter Trinkspruch.

SUNNY

Ach! Hier liegt zu viel Blei auf den Zungen. Feiern müssen wir. Was für ein Tag, was für ein Deal, ein Volltreffer, sag ich dir. Süß wie der Honig zwischen ihren Schenkeln (deutet auf eine der Stripperinnen) – noch ne Runde, wir müssen feiern.

TIZI     

Was für ein Deal?

SUNNY

Mach dich locker, Alter! Was bist du nur für ein verkniffener Arsch.

TIZI     

Was für ein Volltreffer?

SUNNY

Sicherheit. Umfangreiche Versorgung mit Sicherheit. Das Wichtigste, was es gibt, dieser Tage. Für mich fällt zwar nur ein Prozent ab, aber ein Prozent von Millionen, das kann sich sehen lassen. Noch ne Runde!

TIZI     

Wer braucht Sicherheit?

SUNNY

Jeder, der was zu verlieren hat.

TIZI     

Menschen, die sich hinter hohen Mauern verstecken, damit niemand sieht, was sie gestohlen haben? Womit befasst du dich genau? Alarmanlagen oder so?

SUNNY (lacht)

Wie unschuldig, wie süß.

(explodiert zu einem gewaltigen Lachen)

Wach auf, Mann, draußen scheint die Realität! 

Summt.

SUNNY

Du erinnerst mich an einen Veteran des alten Krieges. 

TIZI

Fünf gut eingepackte Masken drei Wochen unter einem Himmel aus Holz.

SUNNY

Er hatte irgendwo in weiter Ferne gedient, dort, wo sich die Sonne den Arsch abwischt, Burma oder so, er knuddelte die Medaillen auf seinem Hemd wie die vollen Brüste seiner Mutter.

TIZI     

England oder Europa, wen interessiert’s! Wir wurden von Dieben empfangen, gekleidet in Anzügen aus einsamen Farben.

SUNNY

Er nahm ein Bündel Dokumente heraus, darin ne Plastikhaut mit seinem Gehaltsbuch. Er plapperte vor sich her und auf einmal rief er aus: Selbst Hitla fürchtete uns Löwen. 

TIZI     

Ein Begräbnis zu Hause ist besser als ein Fest in der Fremde. Wir wurden herausgeholt und an die Wand gelehnt und es kamen so viele und wir hörten, wie sie auf uns anstießen mit flachem Lob.

SUNNY

Sogar der mächtige Hitla hatte Angst vor uns! Bevor du seufzen konntest, zog sich der Alte das Hemd hoch, die Hose runter, was für ein Spektakel das war, alte Narben und neue Ausschläge.

TIZI    

Tinker Tailor …

SUNNY

Soldier Sailor!

SUNNY, TIZI (zusammen)

Beggarman Thief!

TIZI     

Was ist mit ihm passiert?

SUNNY 

Er wurde auf der Straße erschossen.

TIZI 

Warum war er auf der Straße?

SUNNY

Er wollte sich einmischen in Sachen, die ihn nichts angehen.

TIZI

Ich verstehe. Eine schlechte Zeit für Helden, eine gute Zeit für Diebe!

SUNNY

Was weißt du denn schon. Du hast eine schiele Art, die Dinge anzuschauen. Halt die Klappe und trink. 

(er rülpst)

TIZI     

Willst du deine Deals rechtfertigen?

SUNNY

Eine Regierung muss ihre Leute beschützen …

TIZI     

Armeen auf beiden Seiten, eine Stadt inmitten ihrer Wut. Die Bomben fallen auf den Markt wie überreife Früchte des Todes. Wohin du auch fliehst, du wirst erschossen, als Verräter oder Spion oder Überläufer, erschossen mit den Instrumenten deiner eigenen Sicherheit. 

SUNNY

Die Hersteller können nicht verantwortlich gemacht werden …

TIZI     

Auf unseren Friedhöfen ist mehr Platz als in den Krankenhäusern. 

SUNNY

… jemand muss die Drecksarbeit machen …

TIZI     

Nur wenn wir in einer dreckigen Welt leben möchten. Du schuldest sehr viel Schuld.

SUNNY

Deine Weisheit ist was für Feiglinge.

TIZI     

… meine Weisheit sagt mir, dass ich keinen weiteren Drink mit einem Komplizen des Mords …

Beide springen auf, die Fäuste geballt. Ein Pfeifton. Schreie – „Razzia, Razzia“. Dunkle Gestalten springen aus dem Nichts hervor, begleitet von einer Explosion, einem Schock für die beiden wie auch für das Publikum; die Gestalten überwältigen SUNNY und TIZI und zerren sie von der Bühne, während das Licht gedimmt wird.

 

AKT [2] SZENE [5]

Licht dunkler als in den drei Szenen zuvor. 

KUFU, TIMBUKTU, POLIZIST

KUFU geht auf einem Friedhof umher, hält vor einem markanten Grabstein, holt einen rituellen Gegenstand heraus, legt ihn auf das Grab und ruft ihre Vorfahren herbei.

KUFU  

Vater und Väter meines Vaters,

Ihr habt den Rhythmus geschlagen

zu meinem müden Lebenstanz.

Ihr habt meine Hoffnung genährt

in den Niederungen der Verzweiflung.

Jeder weiß, dass die Zeit kommen wird,

vom Wind weggeweht zu werden,

von den Gezeiten fortgetragen zu werden.

Ob es heute geschieht, ob es morgen geschieht,

ich schließe mich eurem Kreis an.

GRIOT (unsichtbar)

Tochter und Töchter meiner Tochter.

Wir hören deine Stimme,

Wir hören deine Anrufung,

wir freuen uns und ängstigen uns.

Wir weilen nicht länger auf Feldern der Fülle,

wir bewohnen den Horizont des Schmerzes.

Aus der Welt ist etwas geworden,

das wir nie gekannt haben.

Wir verblassen, wir sterben, denn niemand 

weiss unsere Namen zu nennen.

Wir sind einsam, wir sind schwach, 

Wir bestaunen die Leere des Landes.

In den Büschen raschelt es, KUFU ist erschrocken, sieht sich um. Unweit sitzt Timbuktu und spricht zu sich.

TIMBUKTU

Vater. Mit seinen zwei Zollstöcken Weisheit in den Händen. 

Dirigierte unsere Erziehung wie ein Polizist den Verkehr an einer 

dichtbefahrenen Kreuzung. In der Uniform seiner Rechtschaffenheit, 

mit der Trillerpfeife der Tradition. 

Ich habe ihn irgendwann einmal nicht mehr gesehen. 

GRIOT (unsichtbar)

Perform …

TIMBUKTU

Schweig! Sei endlich still. Dein Rat ist längst verfallen. 

So einfach soll alles sein?

GRIOT (unsichtbar)

Perform …

TIMBUKTU

Lass mich in Ruhe. Ich habe die Nase voll von deinem Geschwätz. 

Glaubst du denn selbst daran? Wer hat dir am Ende denn noch zugehört? 

Es sollte dein großer Tag werden, du warst ins Fernsehstudio eingeladen, 

die Würdigung, die so lange ausgeblieben war, stand endlich bevor. 

Du hast dich tagelang vorbereitet. 

Du hast dein Gewand zweimal waschen lassen, du hast kaum gegessen, 

du hast gebetet und geübt mit dem Eifer eines Webervogels zur Balz. 

GRIOT (unsichtbar)

As if it were a holy act …

TIMBUKTU

Ich sollte dich begleiten, ich war der Träger deines Instruments 

und deiner Zuversicht. Du sasst aufrecht im Bus, als sei der Fahrer 

dein persönlicher Chauffeur. Du hast die Augen geschlossen und 

das Stück gehört, das du vortragen würdest. 

Du konntest die innere Stimme stets klarer hören, als alles, 

was dich von außen bedrängte. 

Es gab keinen Empfang, 

nur eine junge Frau mit starker Schminke, die uns den Weg wies. 

Wir mussten in einem Gang Platz nehmen auf zerbrochenen Plastikstühlen. 

Du sasst auf einem von ihnen wie auf einem Richtersessel. 

Du wurdest hereingerufen. Sie müssen dir eine Zeitvorgabe gemacht haben. 

Ich weiss nicht, vielleicht hast du diese vergessen, 

vielleicht hast du sie absichtlich missachtet, 

du hattest gerade deine viel zu lange Einführung beendet, 

da hat der Moderator dir ein Zeichen gegeben, aber du hast weitergespielt …

GRIOT (unsichtbar)

It is a holy act …

TIMBUKTU

… der Moderator fuchtelte, du hast mit fester Stimme gesungen, 

er rief dazwischen: Wir danken dem Meister, wir danken dem großen Meister. 

Ich bin noch nicht fertig, hast du laut widersprochen. 

Und nun zur Werbung, sagte der Moderator, du warst 

nicht mehr zu sehen auf dem Bildschirm, vor meinen Augen und Ohren 

hast du gespielt wie nie zuvor, auf dem Bildschirm erfreuten sich 

drei Kinder an den Segnungen der Margarine. 

Du hast zu Ende gespielt, alle haben dich ignoriert, außer ich, 

ich habe mich geschämt und dich bewundert zugleich, 

dann bist du aufgestanden, in Würde, hinausgegangen, 

ohne die anderen zu beachten, ohne mich zu beachten, 

im Bus hat dich dein eigenes Schweigen schrumpfen lassen, 

zu Hause haben sich Geröllhalden der Abweisung aufgetürmt. 

Nie wieder hast du gesungen. 

KUFU

Es sind so viele, die nicht mehr singen. Sie zertrümmern Steine, Felsen zu großen Steinen, große Steine zu kleineren Steinen, die Hammer in ihren Händen zertrümmern Steine, Säcke voller Steine. Das ändert an dem Steinschlag nichts. 

TIMBUKTU

Bist du auch herkommen, um Abschied zu nehmen?

KUFU

Er nimmt kein Ende, dieser Abschied, er lähmt mich. Egal, wohin wir kommen, ob wir überleben oder vergehen, ob wir einen Ort finden, wo wir ohne Angst lachen und singen und flunkern können, ich kann nicht die Opfer vergessen. Wir könnten im Paradies landen und feststellen, das Paradies wird von Vernunft und Liebe regiert, und wäre das nicht eine Überraschung, selbst dann könnte ich kein Glück empfinden, weil ich niemals vergessen kann, was Aberglaube und Hass und Gewalt angerichtet haben, weil ich ihren tödlichen Sieg einmal erlebt habe, weil ich einmal das Unglück all meiner Brüder und Schwestern erleiden mußte. Selbst wenn die Zukunft aufleuchtet, das Schicksal hat mich zu einer unheilbaren Zeugin gemacht. 

Plötzlich wird KUFU von einem Polizisten überwältigt, ihre Arme hinter ihrem Rücken gebeugt, Handschellen angelegt und zu Boden geworfen. TIMBUKTU rennt davon. Der Polizist spricht in sein Funkgerät.

POLIZIST

Ich habe eine Verdächtige geschnappt, ich wiederhole: Ich habe eine Verdächtige dingfest gemacht, die trieb sich auf dem Friedhof herum mit einem anderen, der hat sich aus dem Staub gemacht, ich bring sie rein. Over!

KUFU stöhnt, der Polizist tritt sie.

POLIZIST

Ruhe! Noch eine von diesen verdammten Illegalen. 

Wo die sich überall verstecken! In der U-Bahn, beim Imbiss, im Cabaret, diese Woche haben wir sie aber auch überall aufgeschnappt. 

Selbst auf dem Friedhof. 

Die haben keinen Respekt. Vor nichts. 

Wie sollen wir die je wieder loswerden.

 

AKT [3] SZENE [1]

Am nächsten Morgen im Museum. LIEBERBERG betritt den Maskenraum, sichtlich wütend.

LIEBERBERG

Und dann noch der Streik, drei Tage, drei verschwendete Tage, für nichts und wieder nichts, es haben nicht wenige angerufen, um sich zu beschweren …

Plötzlich merkt er, dass vier der fünf Masken fehlen. Er rennt von einer Wand zur anderen. 

LIEBERBERG 

Wie kann das sein?

Das kann nicht sein!

Gestohlen. 

Mein Lebenswerk!

Diebstahl!

Er berührt instinktiv das Gesicht der letzten verbliebenen Maske. BADA erwacht zum Leben. LIEBERBERG merkt es zunächst nicht.

LIEBERBERG

Die Masken! Meine Masken …

Wie kann das sein?

Das kann nicht sein! 

Mein größter Schatz, geraubt, geraubt!

Er ergreift das hauseigene Telefon an der Wand. 

LIEBERBERG

Alarm … rufen Sie die Polizei … jetzt, sofort.

Er dreht sich um, es dämmert ihm allmählich, dass die Maske im Raum steht, und er erstarrt, als sie zu sprechen beginnt.

BADA     

Ich bin aus Holz, ich bin aus Fleisch.

Ich tanze stets und bin ewig still. 

Ich höre alle Stimmen, aber meine wird nie vernommen.

Ich hoffe wie ein Mensch, ich vertraue als Maske.

LIEBERBERG 

Sie spricht, mir geht eine Stimme durch den Kopf, das muss der Schock sein …

BADA    

Wir hatten immer eine Stimme, wir haben immer zu dir gesprochen. Du hast uns die falsche Aufmerksamkeit geschenkt. Und nachts haben wir getan, was wir schon immer getan haben, wir sind hinausgeschlüpft, auf der Suche nach einer Verbindung zwischen unseren Sehnsüchten und unseren Pflichten. 

LIEBERBERG 

Das ist der Wahn, der zu mir spricht, diese verschlagene Stimme, die ist zu deutlich, so deutlich spricht kein Mensch. Kein Mann, keine Frau.

BADA    

Mein Schicksal ist nicht Illusion, ebenso wenig meine wechselnde Gestalt.

Das Telefon läutet. BADA blickt auf LIEBERBERG, der nicht reagiert, also nimmt BADA ab, hört zu und wiederholt lautstark einige der Informationen.

BADA    

… keine Hinweise … was? …  Illegale? … behaupten, Masken zu sein? … behaupten, aus dem Museum zu sein? … na sowas … ja, die Adresse bitte … wir werden gleich dort sein.

BADA geht zu LIEBERBERG, nimmt ihn an der Hand und zieht ihn hoch.

BADA    

Komm schon, wir haben noch einiges zu tun!

Sie gehen gemeinsam raus.

 

AKT [3] SZENE [2]

Polizeistation. Eine große Zelle. Auf der einen Seite NOMO, JEGE, TIZI, KUFU, auf der anderen Seite SAM, SONIA und SUNNY, die sich durch das Gitter mit dem POLIZISTEN unterhalten.

SUNNY (schreit)

Unschuldig. Versteht ihr! Ich habe nichts mit diesen Nichtsnutzen zu tun, gar nichts, ich bin unschuldig, ein Stammgast dieses Etablissements, fragen Sie dort nach, man kennt mich. Ich habe einen Job, ich habe eine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Ich bin nicht wie die da, ich bin sauber! Hör zu, du… ja… du, du uniformierter Furz, ich kenne Leute! Ich habe Beziehungen, ich werde dafür sorgen, dass du …

POLIZIST

Sie haben Ihren Anwalt angerufen. Sie haben eine Nachricht hinterlassen. Er wird zurückrufen.

SONIA

Es gibt keine Entschuldigung für die Art, wie Sie uns behandelt haben. Auch ein Mensch ohne Dokumente hat eine Würde. Das geht mich nichts an, sagen Sie, aber ich habe entschieden, dass es mich etwas angeht.

SAM

Was spielt es für eine Rolle, wo wir uns befinden?

SONIA

Sie werfen mir Beleidigung und Gewalttätigkeit vor.

SAM

Solange wir wissen, was wir zu tun haben.

SONIA

Ich habe nur versucht, einen Freund zu beschützen.

SAM

Wurzeln sind verfaulte Erinnerungen.

SONIA

Es sei denn sie wachsen in die Zukunft.

SAM

Was spielt es für eine Rolle, wo wir uns gerade befinden?

SONIA

Solange uns einfällt, was wir zu tun haben.

LIEBERBERG und BADA treten ein.

LIEBERBERG (extrem aufgeregt)

Wo sind die Diebe, die meine Masken gestohlen haben!

POLIZIST

Sie scheinen verwirrt zu sein. Was für Masken denn? Und wer sind Sie überhaupt?

LIEBERBERG

Direktor des Museums für Masken und Kulturen.

POLIZIST (zeigt auf die Zelle)

Wir haben hier keine Masken, aber ob das die Diebe sind, die sie suchen, das kann ich nicht beurteilen.

LIEBERBERG

Darf ich sie sehen?

POLIZIST

Treten Sie näher, da drüben sind sie.

Das Licht auf der entfernteren Seite der Zelle wird eingeschaltet und die Masken frieren ein, alle vier sind an die Wand gelehnt wie im Museum.

LIEBERBERG

Sie sind’s … Gott sei Dank … alle in einem Stück … so weit ich sehen kann … kein Zweifel … was bin ich erleichtert … alles ist gut … jetzt ist alles gut.

POLIZIST

Was reden Sie da?

LIEBERBERG

Sie haben vier äußerst wertvolle Masken gefunden, ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von Herzen, auch im Namen unseres Museums und der ganzen Stadt, Sie können nicht einmal erahnen, was das für ein Verdienst ist, diese Masken sind einzigartig, Sie haben keine Vorstellung … aber, wieso bewahren sie Masken in einer Zelle auf?

POLIZIST

Diese Subjekte weigern sich, uns ihre Namen zu nennen. Was weiss ich, wer die sind, könnten Händler sein, könnten Flüchtlinge sein, könnten Schmuggler sein, könnten vorbestraft sein, was weiss ich, auf jeden Fall sind sie illegal hier, sie haben keine Dokumente.

LIEBERBERG

Über wen reden sie?

POLIZIST

Über die da!

LIEBERBERG

Die da? Wer denn? Was ist mit ihnen los? Ich sehe nur meine Masken, und die anderen da in der Ecke, das sind vermutlich die Diebe!

POLIZIST

Die tun nur so, glauben sie mir, vorhin waren die quicklebendig, außerdem schauen diese schwarzen Gesichter ja immer so aus als wären sie aus Stein, außer wenn sie grinsen.

LIEBERBERG

Wie sind sie hierher gekommen?

POLIZIST

Sie wurden in Razzien festgenommen.

LIEBERBERG

Sie haben ihr Versteck ausfindig gemacht?

POLIZIST

An verschiedenen Orten, die eine sogar auf dem Friedhof, stellen Sie sich das vor!

LIEBERBERG

Was für ein Unsinn … Wie sollen eine meiner Masken auf den Friedhof gelangt sein.

POLIZIST

Sie scheinen taub zu sein. Das sind Illegale, das habe ich Ihnen bereits mehrfach erklärt. Und im Übrigen haben Sie hier nichts zu suchen, es sei denn sie könnten uns helfen, ihre Personalien zu ermitteln.

LIEBERBERG

Also, wenn das Menschen sein sollen, dann erklären Sie mir mal, wo die herkommen. Wo zum Teufel kommen die her?

POLIZIST

Wir haben unsere eigenen Mittel herauszufinden, wo sie wirklich herkommen. Die lügen ja immer, ich weiss nicht, ob Sie das wissen, über ihre Herkunft, über ihr Alter, über ihre Geschichte, eigentlich über alles. Aber wir fallen nicht mehr darauf rein. Eines ist sicher: Eine Person ohne Papiere ist bald eine Person auf dem Rückflug nach Hause.

BADA

Darf ich etwas einwenden?

POLIZIST

Wer sind Sie?

BADA

Das hängt von der Perspektive ab. Aber was ich sagen wollte: Gott schuf den Menschen.

POLIZIST

Na und?

NOMO

Doch der Mensch wurde stolz, da schuf Gott die Blindheit.

JEGE

Doch der Mensch wurde stolz, da schuf Gott den Schlaf.

TIZI

Doch der Mensch wurde stolz, da schuf Gott den Kummer.

KUFU

Doch der Mensch wurde stolz, da schuf Gott den Tod.

BADA

Doch der Mensch wurde stolz, da schuf Gott mich!

LIEBERBERG

Hören Sie, hören Sie das? Das ist der Beweis, das ist der zweite Teil des kosmologischen Mythos der Fulani …

POLIZIST

Eine Sekte, was?

LIEBERBERG

Das ist der Beweis.

POLIZIST

Weil sie wirres Zeug reden, handelt es sich um Masken? So deppert möchte ich auch mal sein.

LIEBERBERG

Begreifen Sie nicht, damit weisen sie sich aus, als das, was sie sind: Masken!

POLIZIST

Indem sie reden?

LIEBERBERG

Das ist verwirrend, ja. Sie können reden, dafür fehlt mir momentan …

BADA

Entschuldigen Sie, Herr Kurator, kann ich Sie kurz mal sprechen?

Er tritt zwischen den Polizisten und den Kurator.

BADA

Hörst du mich? Nicken reicht.

(LIEBERBERG nickt).

Gut.

Heute hast du gesehen, was du bislang nicht hast sehen können.

Wir sind aus Fleisch und Blut, aus Hoffnung und Angst.

LIEBERBERG

Das sind Wahnvorstellungen.

POLIZIST

Und der da, ist das eigentlich ein Mann oder eine Frau?

LIEBERBERG

Ich kann meinen Sinnen nicht mehr trauen.

BADA

Sie müssen uns jetzt helfen. Seitdem wir verschleppt wurden, träumen wir davon, nach Hause zurückzukehren.

LIEBERBERG

Nach Hause, welches Zuhause? Wo würdet Ihr denn hingehen? Hier, bei uns, hier ist euer Zuhause.

LIEBERBERG erstarrt eine Weile.

Das kann nicht sein, ich spreche mit einer Maske.

BADA

Was du Zuhause nennst, ist für uns ein Gefängnis. Selbst ein unbekannter Ort wäre besser als dieser. Wir werden begafft, aber nie berührt. Alle reden über uns, aber keiner mit uns.

LIEBERBERG

Nein, ich darf euch nicht verlieren! Welch ein Verlust für das Museum!

BADA

Man kann nichts für immer und ewig behalten.

LIEBERBERG

Wahn. Alles nur noch Wahn.

BADA

Fühl es.

BADA nimmt LIEBERBERGs Hand, führt sie durch die Gitterstäbe und legt sie auf das Gesicht von NOMO.

SAM (zusammen mit NOMO)

Auch wenn ich nie einen Regenbogen sehen werde, ich kann an seinem Ende einen Eintopf finden.

Währenddessen berührt der Kurator JEGE, der lebendig wird.

SONIA (zusammen mit JEGE)

Niemals werde ich den Schlaf finden, aber ich kann über die Schlafenden wachen.

Währenddessen berührt der Kurator TIZI, der lebendig wird.

SUNNY  (zusammen mit TIZI)

Jemand muss die Drecksarbeit machen, aber nur, wenn wir in einer dreckigen Welt leben wollen.

BADA

Nichts ist unsterblich, außer der Wandel, der uns befreit.

LIEBERBERG

Sie müssen freigelassen werden. Ich verlange, dass sie alle freigelassen werden. Sofort!

POLIZIST

Das können Sie nicht ernst meinen. Wohin würde das führen, wenn wir bei jeder lauten Meute Gnade vor Recht ergehen lassen würden!

LIEBERBERG

Sie haben kein Recht, sie hier zu behalten. Zum letzten Mal, ich warne Sie.

POLIZIST

Was drohen mir alle immer, das ist eigentlich mein Vorrecht. Sie haben einen schlechten Stand, ich folge dem Gesetz, Sie nur ihrer inneren Stimme.

BADA

Nichts ist unsterblich, außer der Wandel, der uns befreit.

POLIZIST

Eine Person ohne Papiere ist eine Person auf dem Rückflug nach Hause.

Und damit basta!

 

Alle Lichter aus.

 

AKT [3] SZENE [3]

TIMBUKTU

Ich werde mich stellen, Vater. Ich kann nicht mehr. 

GRIOT

Nein! Man wird dich abschieben.

TIMBUKTU

Das kann kein schlimmeres Schicksal sein.

GRIOT

Das denkst du dir so. Das hört sich an wie nach Hause bringen. Vor dem väterlichen Haus absetzen. Aber dein Vater will dich nicht dort. Dein Vater ist nicht mehr dort. Dort ist nichts mehr für dich.

TIMBUKTU

Hier auch nicht. 

GRIOT 

Abschieben, das ist eine dreistündige Fahrt in die Öde. Das ist ein Halt, irgendwo. Das bedeutet: raus mit dir. Das bedeutet: eine Staubfahne, der du hinterher starrst. Dann fängst du an mit dem restlichen Sterben. Du versuchst zu erraten, in welche Richtung es zur Rettung geht. Du läufst los. Du gräbst dich tagsüber ein, du trinkst dein eigenes Urin. Abschieben, das hat noch keiner überlebt.

TIMBUKTU

Du übertreibst.

GRIOT

Ich habe es mit eigenen Augen erlebt, mein Sohn. Sie kamen in die Stadt, eines Tages einfach so, ohne Ankündigung. Sie waren am Flughafen ausgesetzt worden. Sie liefen sich die Sohlen blutig, bis sie das Dorf ihrer Herkunft erreichten. Sie behaupteten, unsere Stadt sei das Dorf ihrer Herkunft, aber niemand konnte sich an sie erinnern, so lange waren sie fort gewesen. Sie nannten ihre Namen und so wussten wir, welcher Familie sie angehört haben mussten. Aber die Familien, die waren alles andere als erfreut. Die Rückkehrer, das waren Versager. Wieso seid ihr nicht reich zurückgekommen?, wurden sie gefragt. Was habt ihr dort so lange getrieben, wenn ihr nichts erreicht habt?, wurden sie gefragt. Selbst die Kinder machten sich lustig über sie. Sie wurden krank im Kopf. Sie bestanden darauf, Masken zu sein. Sie trugen ihre eigene Bedeutung auf der Zunge. Sie wurden in das Haus der Spritzen und Fesseln gebracht. 

TIMBUKTU

Musst du immer düstere Geschichten erzählen. Kannst du mir nichts Erbauendes sagen. 

GRIOT

Sie wurden begleitet von einem schmächtigen Fremden, der viel Worte machte. Er blieb bei Ihnen, er kümmerte sich um sie, er zahlte den Tee, den sie tranken, er teilte mit ihnen sein Fladenbrot. Ich hatte den Eindruck, nur er verstand sie, und sie ließen sich von ihm verstehen. Finde solche Menschen, mein Sohn, die dein Schicksal mit dir teilen …

Längeres Schweigen

TIMBUKTU (leise)

Perform 

My father said.

Perform as if …

GRIOT 

Lass es gut sein, mein Sohn, lass es gut sein. 

Es gibt keine neuen Geschichten …

TIMBUKTU

Nur neue Ohren für alte Geschichten. 

Ilija Trojanow. Foto: Claus Biegert

Ilija Trojanow. Foto: Claus Biegert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

Zurück zur Home-Seite