Pro Gymraeg

Cymru/Wales setzt auf offensive Sprachpolitik

Von Simon Constantini

Das Walisische Sprachkommissariat — Comisiynydd y Gymraeg — wurde mit dem Sprachgesetz von 2011 ins Leben gerufen und ist mit weitreichenden Zuständigkeiten ausgestattet, die es ihm ermöglichen, effektiv zur Förderung der Landessprache beizutragen sowie die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zu überwachen.

Die Zielvorgaben der walisischen Regierung umfassen

  • – die massive Steigerung der Anzahl an Walisischsprecherinnen;
  • – die Landessprache niemals schlechterzustellen als Englisch (wobei die Besserstellung ausdrücklich erlaubt ist) und
  • – dafür zu sorgen, dass Menschen die es wollen, ihr Leben vollständig auf Walisisch führen können.

Cymru (Wales) steht seit der Schaffung einer eigenständigen walisischen Regierung im Jahr 1999 durchgehend unter der Führung von Labour, womit auch diese ambitionierte Sprachpolitik im Wesentlichen auf die Sozialdemokratinnen zurückzuführen ist. Dazu gehört insbesondere auch der Strategieplan Cymraeg 2050, in dem die Vision ausgelegt ist

  • – die Anzahl der Sprecherinnen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf eine Million zu steigern, also ihren Anteil an der Bevölkerung zu verdoppeln;
  • – die tatsächliche Nutzung der Sprache durch diejenigen, die sie beherrschen, zu erhöhen und
  • – dafür die bestmöglichen sprachpolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Ende August hat Sprachkommissärin Efa Gruffud Jones den zweiten Jahresbericht seit ihrer Amtsübernahme veröffentlicht. Darin wird auf rund 130 Seiten die aktuelle Entwicklung der Sprachpolitik und die Tätigkeit der Behörde dargelegt.

Für Gymraeg

Es wird schnell klar, wie akribisch und professionell hier — ähnlich wie etwa in Katalonienin Québecim Baskenland oder in Galicien — im Sinn der Minderheitensprache gearbeitet wird. Die Aufgaben sind vielfältig und umfassen:

  • – Die Regulierung sogenannter »Sprachstandards«, die von den betroffenen Organisationen umzusetzen und einzuhalten sind, um die Dienstleistungen in walisischer Sprache immer weiter auszubauen und die Möglichkeiten zu vergrößern, auf Walisisch zu arbeiten und die Sprache in allen Bereichen einzusetzen.
  • – Die Zusammenarbeit mit privaten und Freiwilligenorganisationen, um ihren Gebrauch des Walisischen zu steigern und sie bei der Umsetzung zielführender Maßnahmen zu unterstützen.
  • – Die Sicherstellung des Status der walisischen Sprache und der tatsächlichen Freiheit, sie im Alltag zu gebrauchen.
  • – Standardisierung von Ortsnamen auf wissenschaftlicher Basis, Herausgabe einschlägiger Publikationen und Sicherstellung des konsistenten Gebrauchs der korrekten Formen.
  • – Zusammenarbeit mit anderen Körperschaften zur Förderung der walisischen Sprache sowie mit anderen Sprachkommissariaten und ähnlichen Behörden im In- und Ausland.
  • – Lobbyarbeit für die walisische Sprache gegenüber Verwaltungen und Gesetzgebern in Cymru und auch auf gesamtstaatlicher Ebene, sowohl proaktiv als auch auf Anfrage.
  • – Überwachung der Umsetzung von Sprachplänen durch öffentliche Verwaltungen, die dazu noch auf der Grundlage des alten Sprachgesetzes von 1993 verpflichtet sind. Das sind hauptsächlich Körperschaften der britischen Regierung und der Krone.
  • – Forschung über die walisische Sprache und über Minderheitensprachen im Ausland. Alle fünf Jahre wird ein umfassender Bericht über den Zustand der Sprache und über die Entwicklungen bei der Umsetzung sprachpolitischer Maßnahmen veröffentlicht.
  • – Aufklärung über die eigene Arbeit, über die Sprachrechte der Bevölkerung und über gute Praktiken.

Gezielte Förderung

Laut aktuellem Tätigkeitsbericht wurden im vergangenen Jahr 883 Untersuchungen zur Überprüfung von insgesamt 81 Organisationen durchgeführt. In weiteren 370 Fällen haben sich Organisationen selbst mit der Bitte um Beratung ans Sprachkommissariat gewandt.

Gemeinnützige Vereine, aber auch Privatunternehmen haben ferner im Rahmen des sogenannten Cynnig-Cymraeg-Programms in Zusammenarbeit mit dem Sprachkommissariat freiwillige Sprachentwicklungspläne aufgelegt, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen. Zu den Musterschülerinnen gehören zum Beispiel auch Aldi und Lidl, die in Südtirol (01 02 03) nicht durch besonderes Engagement für die Minderheitensprachen auffallen.

Als hundertste Organisation, die mit dem Cynnig-Cymraeg-Siegel ausgezeichnet wurde, wird Aldi in dem Tätigkeitsbericht folgendermaßen zitiert:

“Für Aldi ist es wichtig, Teil der örtlichen Gemeinschaft und ein inklusives Handelsunternehmen für alle Kund:innen im Vereinigten Königreich zu sein. Wir engagieren uns leidenschaftlich für die Gemeinschaften, in denen wir tätig sind und möchten die Dinge fördern, die unseren Kund:innen am wichtigsten sind. Dazu gehört es, nach Möglichkeiten zu suchen, die walisische Sprache in diese Filialen zu integrieren, um das Erbe der Gemeinschaften zu bewahren und die Werte unserer Mitarbeiter:innen und Kund:innen zu unterstützen”.

Kontrolltätigkeit

Kurz vor seinem jährlichen Tätigkeitsbericht hatte das Kommissariat am 5. August bereits seinen Bericht über die Erfüllung von Sprachverpflichtungen veröffentlicht. Darin konnte die Behörde feststellen, dass die Einhaltung der Pflichten durch öffentliche Organisationen im Vergleich zum vorhergehenden Jahr insgesamt verbessert wurde, und zwar über alle Bereiche und im ganzen Land.

Lokalkörperschaften, Landesministerien und Nationalparks hätten ihre Verpflichtungen zu 90 Prozent erfüllt. Mit 78 Prozent seien nur Anrufe unterdurchschnittlich oft auf Walisisch beantwortet worden, doch auch hier habe es zum Vorjahr (63 Prozent) eine klare Verbesserung — um 15 Punkte — gegeben. Zwei Behörden mit bislang schlechter Performance in diesem Bereich hätten durch die Aufstockung des Personals sogar eine 100-prozentige Compliance erreicht.

Neun von zehn Internetauftritte der überprüften Organisationen seien auf Walisisch verfügbar gewesen. Unter jenen von Institutionen, die den besonders stringenten Regularien Nr. 1, 2 und 4 unterworfen sind, waren es sogar 99 Prozent.

Wie weit die Verpflichtungen gehen, zeigt die Tatsache, dass auch die in den sozialen Medien verwendeten Sprachen evaluiert wurden. Demzufolge waren 89 Prozent der Postings auf Twitter und Facebook in Walisisch verfügbar. Bei den Organisationen, die den »Sprachstandards« schon länger unterworfen sind, war dieser Wert mit 96 Prozent sogar noch einmal deutlich höher.

Ein besonderes Augenmerk wurde auch auf die neuen Technologien und auf Dienste gelegt, die in Zukunft mit Unterstützung durch KI erbracht werden könnten. Hier bestehe die Gefahr, dass die walisische Sprache im Vergleich zur englischen zurück bleibe, weshalb einschlägige Vorschriften ausgearbeitet werden sollen.

Wie in allen Bereichen sei auch im Gesundheitsbereich eine Verbesserung der Sprachsituation festgestellt worden, wiewohl die Einhaltung der Verpflichtungen nicht so gut sei wie in anderen Sektoren. Dass die entsprechenden Dienstleistungen in walisischer Sprache erbracht werden, speziell wenn Menschen besonders vulnerabel sind, sei ein wesentlicher Bestandteil patientenorientierter Pflege. Nur so könne sichergestellt werden, dass den Betroffenen tatsächlich die Hilfe zuteil wird, die sie benötigen und verdienen.

Sprachliche Gleichberechtigung

Große Bedeutung für das Ziel, vollständig auf Walisisch leben zu können, wird dem Arbeitsplatz beigemessen. Laut Cymraeg 2050 sei der Arbeitsplatz für das tägliche Leben zentral und stelle demnach ein wichtiges Umfeld für die sprachliche Entwicklung des Individuums dar. Demnach setzt sich das Kommissariat dafür ein, dass mehr Organisationen Walisisch zur Hauptsprache ihrer internen Verwaltung erheben und dass sämtliche von den »Sprachstandards« betroffenen Organisationen ihren Mitarbeitern ermöglichen, ganz auf Walisisch zu arbeiten.

In dem Bericht wird auch auf Fehlerkultur und Beschwerdeprozeduren eingegangen: Walisischsprachige Dienstleistungen sollen sich durch eine hohe sprachliche Qualität auszeichnen; sobald dennoch etwas schief läuft, sollen Walisischsprachige Zugang zu transparenten und effektiven Beschwerdemöglichkeiten haben. Zwar stehe selbstverständlich das Kommissariat zur Verfügung, das etwaigen Meldungen nachgeht, doch könnten Fehler im direkten Dialog mitunter effektiver und schneller behoben werden.

Die Polizei Gwent wird diesbezüglich positiv erwähnt, da sie einen einfachen und effektiven Weg gefunden habe, die Präsenz der walisischen Sprache intern auf allen Ebenen zu gewährleisten. Allgemein sei die Einhaltung der Sprachverpflichtungen unter den Organisationen höher, die sich dazu verpflichtet haben, die »Sprachstandards« strategisch umzusetzen und sie regelmäßig auf Führungsebene zu evaluieren.

Auf die Einhaltung der »Sprachstandards« überprüft wurden im vergangenen Jahr unter anderem Bezirke, Städte, Gemeinden, Ministerien, Ombudsstellen, öffentlicher Rundfunk, die Wahlkommission, Kultureinrichtungen, Gerichte, staatliche Polizeibehörden, Colleges und Universitäten, Gesundheitsbehörden, Sozialfürsorgeinstitute, Zulassungsstellen, Justizvollzuganstalten, Zollbehörden oder die Post.

Gerade aus Südtiroler Sicht finde ich immer wieder sehr spannend zu sehen, wie systematisch und professionell in anderen Regionen die Sprachrechte überwacht und die entsprechenden Verpflichtungen umgesetzt werden. Dabei ist das Ergebnis beeindruckend, wie wir auch hier schon punktuell aufgezeigt haben (vgl. 01 02 03 04).

Für das zu stärkende Amt für Landessprachen und Bürgerrechte könnte man sich durchaus auch vom walisischen Sprachkommissariat einiges abschauen. Allein schon das Vorhandensein einer informativen und übersichtlichen Website.

Siehe auch: Walisische Toponomastik; Welsh Assessment, Wales will Cymru sein, Weiche regionale Außenpolitik, Senedd, Dail, Ministerium für Sprachpolitik, Mehrsprachigkeit in der Privatwirtschaft, 

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