Besorgt wegen des Schrumpfens

Ungarn befürchtet die Assimilierung der ungarischen Minderheit in der Slowakei.

Von Wolfgang Mayr

Die nationalistische Regierung Viktor Orbans versteht sich als Schutzmacht aller Ungarn. Auch jenseits seiner Grenzen. Und davon gibt es viele. Nach dem Ersten Weltkrieg musste das ungarische Königreich als Teil Habsburg große Teile seines Landes an die neu entstandenen Staaten abtreten. 

Seitdem leben ungarische Bevölkerungsgruppen in der Slowakei, im rumänischen Siebenbürgen, in der Ukraine, in Serbien und im österreichischen Burgenland. Besonders in der Slowakei und in Rumänien stellen die ungarischen Minderheiten einen nicht unbeträchtlichen Bevölkerungsanteil. In beiden Staaten sind die Angehörigen der ungarischen Minderheiten mit dem politischen Status Quo äußerst unzufrieden. 

In der Slowakei, stellt das Verlautbarungsorgan der ungarischen Regierung Ungarn heute kritisch fest, gibt es einen anhaltenden Trend des Schrumpfens. Seit mehr als vierzig Jahren geht der ungarische Bevölkerungsanteil ständig zurück. Das Verhältnis zwischen slowakischer Mehrheit und ungarischer Minderheit ist belastet. Der slowakische Staat verweigerte der ungarischen Volksgruppe Autonomie und eigene Wahlbezirke, die Sprachregelung in den ungarischen Regionen – von den Kindergärten bis zur öffentlichen Verwaltung – ist dürftig. Die Folge der betriebenen Assimilierung, analysiert der Bevölkerungsstatistiker Gabor Harrach.

Aufgrund der Volkszählungsdaten geht Harrach davon aus, dass nach jahrzehntelanger Assimilierung, Geburtenrückgang und Auswanderung die Ungarn in der Slowakei nicht mehr länger bevölkerungsstärkste Minderheit sein werden. Ungarn fordert deshalb die Slowakei auf, dagegen zusteuern. „Ungarn heute“ erinnert die Slowakei daran, dass die Orban-Regierung die Vereinigung der ungarischen Nation anstrebt. Darüber wird sich Orban-Freund Robert Fico, der linksnationalistische Regierungschef, wahrscheinlich freuen. 

Auf der Tagung „Ungarn in der Slowakei“ in Budapest betonte der Staatssekretär für nationale Politik, Arpad Janos Potapi, dass die ungarische Regierung aufgrund der negativen Volkszählungsergebnisse zugunsten der Ungarn in der Slowakei aktiv wird. Die ungarischen Regierungsvertreter hoffen, dass die Fico-Regierung – Viktor Orban ideologisch sehr nahe – die ungarischen Wünsche umsetzt. 

Seit den 1990er Jahren verhandeln beide Staaten über die Aufhebung der sogenannten Benes-Dekrete, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg die Böhmen-Deutschen vollständig, die Ungarn teilweise vertrieben und radikal enteignet wurden. Ungarn drängt außerdem auf, dass die Angehörigen der ungarischen Minderheit die ungarische Staatsbürgerschaft erhalten dürfen. 

Eine Annäherung scheint greifbar zu sein, seit in Bratislava der EU feindliche, pro-russische Fico und seine Parteienkoalition regieren. Die Slowakei habe sich, freut sich „Ungarn heute“, „der Gruppe der souveränen, friedensorientierten Länder angeschlossen“. Beide Seiten gehen davon aus, eine praktikable Lösung zu finden.  

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

Zurück zur Home-Seite