18-02-2024
Annektion von Transkarpatien
Die ungarische Rechte und ihre ukrainischen Landgelüste
Von Wolfgang Mayr
Was war das für eine Aufregung 2017! Katalonien wollte sich aus dem spanischen Staatsverband lösen. Demokratisch, mit einem Referendum. Und in der EU verbleiben. Die Zentralisten unterschiedlicher Coleur warnten eindringlich, das Abendland zerfällt.
Als die Schott:innen 2014 über ihren Austritt aus dem Vereinigten Königreich abstimmen durften, prophezeiten die Gegner eine düstere Zukunft. Arbeitslosigkeit, Armut, gefährdete Renten, kurzum übel wird es werden, wenn die “Sezessionisten” gewinnen sollten. Das demokratische Referendum scheiterte, knapp. Siegreich hingegen war 2016 der Brexit, in England und in Wales, nicht aber in Schottland und in Nord-Irland. Seitdem schrumpft das Vereinigte Königreich, wirtschaftlich, es wird ärmer.
In Nord-Irland steht erstmals eine irisch-republikanische Politikerin, Michelle O´Neill, der Regionalregierung vor. In Koalition mit der pro-britische DUP. O´Neill, auch Vize-Präsidentin der gesamtirischen linksnationalistischen Sinn Fein, kündigte an, noch in diesem Jahrzehnt über eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland abzustimmen. Damit würde 100 Jahre nach einer militärischen Grenzziehung diese Grenze demokratisch abgeschafft werden.
Krym und Donbas als Vorbild
Das glatte Gegenstück dazu ist der seit 2014 stattfindende russische Krieg gegen die Ukraine. Damals überfiel die russische Armee in der neueren Geschichte die Ukraine und annektierte die Halbinsel Krym. Gleichzeitig sponserte das Putin-Regime die angeblichen pro-russischen Separatisten im Donbas, in der Ost-Ukraine. Vor zwei Jahren marschierte eine mehr als 100.000 Mann starke russische Armee in die Ost-Ukraine ein. Ein Fünftel des Landes ist seitdem besetzt und russisch annektiert. Imperialismus pur.
Das weckt Gelüste, beim ukrainischen Nachbarn Ungarn. Sollte die Ukraine den Krieg gegen Russland verlieren, die jüngsten Entwicklungen lässt den Schluss zu, möchte die ungarische Rechte Transkarpatien annektierten. In dieser Region im äußersten westlichen Winkel der Ukraine lebt eine ungarische Minderheit. Die Partei „Mi Hazánk“, rechtsextrem, antiukrainisch, antisemitisch und antieuropäisch, will den ukrainische Oblast Transkarpatien “heim holen” ins ungarische Reich, berichtete die Tageszeitung The Kyiv Independent.
Transkarpatien war bis 1918 Teil des Königsreichs Ungarn und des Habsburger Reiches. Nach der Niederlage Deutschlands und Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg verlor Ungarn mit dem Vertrag von Trianon (4. Juli 1920) zwei Drittel seines Staatsgebietes an neu entstandenen die Nachbarländer.
In der Zwischenkriegszeit gehörte die Karpatenukraine, Transkarpatien, zur damaligen Tschechoslowakei. Heute leben dort mehr als 1,2 Millionen Menschen, die ungarische Minderheit stellt laut der Volkszählung von 2001 zwölf Prozent der Bevölkerung.
Revision von Trianon
Der rechte Ministerpräsident Orban und seine Fidesz denken immer wieder laut über eine Revision des Vertrages von Trianon nach. Die rechtsradikale „Mi Hazánk“ strebt eine Heimstatt für alle Ungarn an, also für die Ungarn in der Slowakei, in der Ukraine, in Rumänien, dann wohl auch für die Ungarn in Serbien und in Österreich. Russland als Blaupause. Putin möchte auch alle Russen in seinem Russland vereinen.
„Mi Hazánk“ forderte immer wieder eine Autonomie für ethnische Ungarn in der Westukraine und in anderen Nachbarländern mit ungarischen Minderheiten. Auf ihrem Parteitag in Budapest rückten die Rechtsradikalen von der Autonomieforderung ab und beanspruchten kurzerhand ukrainisches Territorium: “Wenn dieser Krieg dazu führen sollte, dass die Ukraine ihre Eigenstaatlichkeit verliert, weil dies auch absehbar ist, dann möchte ich als einzige ungarische Partei, die diese Position vertritt, signalisieren, dass wir Anspruch erheben“, zitierte The Kyiv Indipendent den Parteivorsitzenden. Beim Parteitag mit dabei waren auch Delegierte der rechtsextremen AfD.
„Mi Hazánk“ sagt laut, was Putin-Freund Orban denkt. Die Rechtsradikalen sind im 199-köpfigen Parlament mit nur sechs Abgeordneten vertreten.
Orban für “Großungarn”
Dafür stellt die rechtsnationalistische Fidesz von Viktor Orban die Mehrheit im Parlament in Budapest. Orban nahm bei einem Besuch bei der ungarischen Minderheit im rumänischen Siebenbürgen im Sommer 2023 kein Blatt vor dem Mund. Orban sagte unmissverständlich, das Szekler-Land ist Teil Ungarns. Er nutzte gekonnt die Stimmung in Siebenbürgern aus, die ungarische Minderheit fordert eine territoriale Regional-Autonomie, die die rumänische Regierung strikt ablehnt. Der nationale Frust unter den Ungarn ist groß.
Seit in der Slowakei der Ukraine-Feind und Russland-Freund Robert Fico, linksnationalistisch, antieuropäisch und korrupt, regiert, verhält sich Orban freundlich. Wegen seiner Allianz mit Fico lässt er die starke ungarische Minderheit im Stich. Vorerst.
Viktor Orban, Polit-Partner der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den neofaschistischen Fratelli d´Italia, hält an den Groß-Ungarn-Plänen fest. Notfalls auch militärisch in der Ukraine, wenn sie ihren Verteidigungskrieg gegen Angreifer Russland verliert.
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