„Eroberung“

Laurent Binet lässt die Inkas Europa in Besitz nehmen

Von Wolfgang Mayr

Was wäre wenn? Wenn die Geschichte der „Entdeckung“ und Eroberung Amerikas anders verlaufen wäre. Der französische Autor Laurent Binet entwirft eine solche andere, alternative Geschichte. Binet lässt Inka-Herrscher Atahualpa „Entdecker“ Kolumbus und seine spanischen Marodeure besiegen, segelt nach Europa und erobert die alte Welt. In seiner „Neuen Welt“, Atahualpa verdrängt mit seinem Sonnengott denAngenagelten.

Dirk Fuhrig vom Deutschlandfunk lobt: „Mit unbändiger Lust am Fabulieren zeichnet Laurent Binet eine alternative Weltgeschichte.

Kein neues Buch, „Eroberung“ erschien bereits 2019 unter dem Titel „Civilizations“. Binet stoppt die 1492 vom spanischen Königreich initiierte europäische „Globalisierung“ vom großen Rest der Welt, indem die Inka nicht nur widerständig die angeblichen „Herrenmenschen“ samt ihren Kahlgeschorenen und ihrem Angenagelten auf den karibischen Inseln vernichtend schlagen. Die Inka segeln gar ostwärts, nach Portugal, erobern für ihre Sonne neues Land und andere Leute.

Zwei Dinge in der Geschichte Europas lässt Binet anders laufen. Die Wikinger wären mit Pferden und eisernen Schwertern und Lanzen bis nach Südamerika gesegelt und Kolumbus wäre nie aus Amerika zurückgekehrt.

Stattdessen landen die Inkas im 16. Jahrhundert in Portugal, besiegen Karl V. in Frankreich und verfolgen erfolgreich die Anhänger der Inquisition in Spanien. Die deutschen Fugger verteilen das Inka-Gold, mit dem Atahualpa den alten Kontinent flutet. Im Herzen von Paris wird eine Pyramide errichtet, in Wittenberg schlägt man nach Luthers Tod die ´95 Thesen der Sonne´ an. Federschmuck ziert die Häupter der Europäer, auf den Feldern wächst Quinoa, Schafe sind heilig.

Wie ginge es uns heute, fragt Binet, wären wir statt der kapitalistischen Ideologie den Lehren des Inka Atahualpa gefolgt?

Dirk Fuhrig vom Deutschlandfunk ergänzt: „Das Buch ist eine hochironische, mitunter schrille Mischung aus Abenteuerroman à la Karl May, Schelmenroman à la ´Don Quichote´ und Parodie à la Monty Python, an dessen ´Leben des Brian´ manche Verspottung der Religion des ´angenagelten Gottes´ erinnert.

Empfehlenswert diese andere Geschichte, wirbt Fuhrig für die Lektüre: „Dieser heitere und geistreiche Roman ist keine wohlfeile Anklage kolonialer Ungerechtigkeit, sondern dreht den Spieß um und macht sich über historisch gewachsene Überlegenheitsfantasien lustig. Der Eurozentrismus – ein reines Zufallsprodukt der Geschichte.“

Einige Kritiker konnten sich mit der „Eroberung“ von Binet nicht anfreunden. Das Buch ist Ausdruck eines gesteigerten Eurozentrismus, weil die Inka gierig auf Europa sind, weil ihre Waffen gegen europäische Mächte europäische Waffen sind, weil die Inka-Kultur nur als Kulisse dient.

Diesem Vorwurf widerspricht Joseph Hanimann in der Süddeutschen Zeitung: „Doch so will es nun einmal das Genre der Eigenspiegelung im Fremden. Korrekte Ausgewogenheit und Rehabilitierung des „Anderen“ ist nicht die Absicht dieses Romans, dessen Originaltitel in Anspielung auf eine berühmte Computerspielserie von Sid Meier „Civilizations“ heißt. Binets Roman ist ein großer Spaß in jeder Hinsicht, vom Übersetzer kundig und elegant durchs Labyrinth enormer Gelehrsamkeit gesteuert.

Binet stellt provokant und kreativ die euro-amerikanische Geschichte auf den Kopf, ein phantasievoller Gegenentwurf zur brutalen genozidaleneuropäischen Eroberung des amerikanischen Kontinents. Die Inka solidarisieren sich bei ihrer Eroberung Europas mit den Außenseitern und Verfolgten, Juden, Mauren, Ketzern, gegen die Inquisition und Allmacht des Vatikans. Binet kennt sich damit aus, er ist gelernter Historiker.

Die Eroberung, eigentlich „Civilizations“, des alten Kontinents durch den neuen Kontinent, weist keine Ähnlichkeiten mit der „europäischen Landnahme“ auf, schon gar nicht mit dem russischen Vernichtungskrieg in der Ukraine.

Das Buch „Eroberung“ von Laurent Binet verdeutlicht aber auch, dass die lateinamerikanischen Staaten des angeblichen „Globalen Südens“ keineswegs die Nachfahren der Eroberten sind, sondern die Erben der Invasoren. Der Peruaner Angel Soto fand sich in der „Eroberung“ zurecht, erzählt er in seiner Video-Rezension, besonders in der Umschreibung der leidvollen Geschichte der indigenen Völker der beiden Amerika.

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