Ist die Vereinigung greifbar?

Das Karfreitagsabkommen, der Brexit und ein Referendum

Von Wolfgang Mayr

Vor 25 Jahren wurde das Karfreitagsabkommen unterzeichnet. Ein Abkommen, das von Großbritannien und der Republik Irland unter der Schirmherrschaft der USA ausgehandelt wurde. Mit dabei war auch die irisch-republikanische Linkspartei Sinn Fein, lange vom irischen und britischen Establishment gemieden, weil angeblich der politische Arm der IRA.

Die einstigen Feinde in Nordirland, die pro-britischen Unionisten und die irischen Nationalisten, mussten zusammenschauen, zusammengehen, gemeinsam das Land regieren und verwalten. Das Abkommen stoppte den britischen und den irischen Terror, ermöglichte eine gewaltfreie Perspektive.

Die politische Normalisierung führte zu einer doch potenten Regionalautonomie unter der Aufsicht von London und Belfast. Eine Art Mehrfamilienhaus-Verwaltung.

Inzwischen stockt der Prozess gehörig, wegen des Brexits und der damit verbundenen Verwerfung auch in Nordirland zwischen den bisherigen Regierungspartnern der linken Sinn Fein und nationalkonservativen Democratic Unionist Party. 

Der Brexit verstärkte bedauerlicherweise wieder die inner-irische Grenze, kritisiert die Fraktion European Free Alliance EFA im Europaparlament. In dieser Fraktion sind baskische, katalanische, irische, schottische und weitere meist linksnationalistische Parteien vertreten.  

EFA wirft der konservativen britischen Regierung vor, 25 Jahre nach Inkrafttreten des Karfreitagsabkommens das Friedenswerk zu gefährden. Das Kleinklein der britischen Konservativen setzt das Friedensabkommen aufs Spiel, das durch Dialog, Verhandlungen und die Achtung der demokratischen Wünsche der beteiligten Gemeinschaften ermöglicht wurde.

Die bis vor dem Brexit unsichtbar gewordene Grenze ist wieder sichtbar geworden und wichtig für die britischen Konservativen, ätzt EFA. Der jüngst erzielt Nordirland-Kompromiss zwischen der EU und Großbritannien sorgt nur vorübergehend für eine Beruhigung, eine Lösung ist er nicht, warnt die EFA-Fraktion im Europaparlament.

EFA wirbt für die irische Selbstbestimmung

Die EFA-Parlamentarier verweisen auf das im Karfreitagsabkommen vorgesehene Referendum über eine irische Wiedervereinigung. Es ist an der Zeit, appelliert EFA an London und Belfast, das nordirische Volk über seine Zukunft abstimmen zu lassen. Nur die endgültige Verlegung der irisch-britischen Grenzen in die Irische See sei eine dauerhafte Lösung, wirbt die EFA für die Selbstbestimmung.

In einem „Spiegel“-Gespräch kündigte die Präsidentin von Sinn Fein, Mary Lou McDonald an, dass in diesem Jahrzehnt eine Volksabstimmung zur irischen Wiedervereinigung auf die politische Agenda kommt. Die linksnationalistische Sinn Fein ist in der Republik Irland und in Nordirland seit den letzten jeweiligen Wahlen stärkste politische Kraft.

Zum 20. Geburtstag 2018 würdigte Uschi Grandel vom Nordirland-Info in der „Jungen Welt“ das Abkommen als ein Instrument, um einen Krieg zu beenden. Der Friedensprozess in Nordirland sei ein Lehrstück von großer Aktualität. „Die Linkspartei Sinn Féin (SF), die seit Anfang des 20. Jahrhunderts als antikoloniale Kraft politisch für ein vereinigtes und von Großbritannien unabhängiges Irland kämpft, war eine treibende Kraft des Abkommens,“ unterstreicht Grandel die bedeutende Rolle der Sinn Fein bei den Friedensverhandlungen.

Es sollte auch die jahrzehntelange Unterdrückung der irischen Bevölkerung als Bürger zweiter Klasse in Nordirland beendet und ein politischer Weg zur Wiedervereinigung Irlands geöffnet werden.

Das Abkommen ist die Grundlage für einen demokratische Umbau des verkrusteten und militarisierten Nordirlands, das die reaktionäre probritische UUP von der Staatsgründung bis zum Beginn des bewaffneten Konflikts über fünfzig Jahre alleine regiert hatte. Menschenrechte und Bürgerrechte sollten eingehalten werden. Und, eine friedliche Wiedervereinigung wird im Karfreitagsabkommen garantiert, wenn eine Mehrheit der nordirischen Bevölkerung dafür stimmt.

„Die 20 Jahre, die seither vergangen sind, kann man politisch als Kampf um die Umsetzung des Abkommens beschreiben. Sinn Féin führt ihn in den Institutionen und auf der Straße“, beschreibt Grandel die praktizierte Doppelstrategie von Sinn Fein. 

Die Linksnationalisten lösten in den vergangenen 25 Jahren die nordirische Sozialdemokratie SDLP als stärkste proirische Kraft ab, nicht nur, Sinn Fein überholte bei den letzten nordirischen Regionalwahlen auch die probritischen Unionisten von der DUP. 

Möglicherweise sorgte das politische Mandat für eine Sozialdemokratisierung von Sinn Fein, genauso deren Mobilisierung für Bürgerrechte, für eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit, aber auch für Versöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen und gegen die neoliberale Politik der Eliten, schwärmte Uschi Grandel über die Gestaltungskraft von Sinn Fein.

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